Herr Krüger, der Geschäftsführer der Deutschen Tamoil, Carsten Pohl, sagte Sprit+ zuletzt: „Eine Automatentankstelle baut man nur, wenn man nicht genügend Kunden hat, um eine richtige Tankstelle zu bauen.“
Also über zu wenige Kunden konnten wir uns noch nie beklagen. Aber im Ernst: Die Aussage hat mich schon etwas verwundert, wenn ich ehrlich bin. In unseren Nachbarländern sind Automatentankstellen ganz normal und werden gut angenommen. Sicherlich besetzen wir hier als Baywa eine Nische in Deutschland. Das Modell funktioniert aber bei uns sehr gut. Der große Vorteil einer Automatentankstelle ist die Kundenbindung über die eigene Tankkarte. Alleine die Baywa hat 130.000 Karten im Umlauf, die regelmäßig genutzt werden. Der Anteil der Baywa- Tankkarte an allen Transaktionen macht bei uns circa 75 Prozent aus. Diese Daten können wir für gezielte Ansprache in Kundennutzen umsetzen.
Wie sehen solch maßgeschneiderte Angebote aus?
Indem man sich anschaut: Tankt der Kunde viel, tankt er wenig? Lässt er seine Flotte morgens oder abends tanken? Ein Beispiel: Morgens sind die Tankstellenpreise im Normalfall etwas höher. Wir können hier proaktiv auf den Kunden zugehen und ein Festpreismodell anbieten oder über besondere Rabattaktionen den Kunden dafür belohnen, dass er bei uns tankt. Hier ist vieles möglich. Deshalb sage ich: Automatentankstellen machen uns großen Spaß.
Jetzt sind Automatentankstellen eine gegensätzliche Entwicklung zum Markt. Die großen MÖG sagen: Wenn Tankstelle, dann richtig, mit möglichst großem Shop und Bistro. Inwiefern tragen Sie dem mit ihren 13 Shoptankstellen Rechnung?
Wir haben im Jahr 2014 eine Spezialisierung in unserem Tankstellenbereich vorgenommen und die Shoptankstellen sowie die Automatentankstellen in verschiedene Gesellschaften aufgeteilt. Ziel war es, beide Bereiche auch unabhängig voneinander zu entwickeln. Die 13 Shoptankstellen hat die Tessol übernommen, eine 100-prozentige Tochter der Baywa. Der Schritt war richtig, da wir hier Synergien gehoben haben. Die Bündelung der Automatentankstellen in eine eigene Geschäftseinheit war ebenso wichtig. Wir hätten in unserer damaligen Struktur nie so schnell die Veränderungen des Marktes umsetzen können. Wenn ich die Modernisierungen an unseren Tankstellen sehe oder die erfolgreichen Cross-Akzeptanzen mit Avia und Star, war dies die einzig richtige Entscheidung.
In den vergangenen Jahren ist das Kartenakzeptanznetz stetig gewachsen. Heute sind mehr als 1.500 Stationen angeschlossen. Gibt es weitere Ausbaupläne?
Ja, natürlich. Wir arbeiten gerade mit zwei zusätzlichen Partnern an Cross-Akzeptanzen. Ich bin zuversichtlich, dass wir dieses Jahr noch die Marke von 2.000 Akzeptanzstellen übertreffen werden.
Ist die Baywa mit ihren Automatentankstellen nur Nischenbesetzer oder sieht sie die Zukunft der Shoptankstellen generell kritisch?
Ich glaube, es wird sich künftig Folgendes herauskristallisieren, gerade in der ganzen Diskussion um Diesel und E-Mobilität: Entweder man hat einen attraktiven A++-Standort im Shopbereich, also einen Flagship-Store, oder man geht in die andere Richtung und konzentriert sich auf den Kraftstoffverkauf, beispielsweise durch Automatentankstellen. Eine Zwitterlösung wird durch Themen wie den Mindestlohn oder lange Öffnungszeiten schwieriger werden. Der Markt wird sich auf große Shoptankstellen konsolidieren, in denen die Gesellschaften noch einen zusätzlichen Service anbieten. Der Schritt von Wettbewerbern, mit Einzelhändlern zu kooperieren, zeigt, wo die Reise hingeht.
Ein weiteres Zitat Ihres Kollegen Pohl war: „Ich glaube, der deutsche Kunde hat überhaupt kein Interesse daran, an eine Automatentankstelle zu fahren, weshalb sie sich in Deutschland auch nie durchgesetzt haben.“ Kommt das noch?
Ja, das kommt. Das ist ein typisches Henne-Ei-Problem: Wenn es keine flächendeckenden Automatentankstellen gibt, kann der Kunde sich auch nicht daran gewöhnen. Aber die Nische wird ausgebaut werden. Ich bin selber oft überrascht, wenn man sieht, wie viele auch kleinere Mittelständler auf dieses Geschäftsmodell setzen. Die Avia baut ja gerade auch sehr stark ihre Xpress-Linie aus.
Die Zeitung Südkurier schrieb im Juni, die Baywa habe Hectronic mit der Entwicklung einer App beauftragt. Was hat es damit auf sich?
Ja, das stimmt. Die Digitalisierung hält insgesamt sehr stark Einzug in die Tankstellenbranche. Nur auf der Kundenseite sehen wir sie leider noch nicht. Der Kunde fährt nach wie vor auf das Tankfeld, steckt die Plastikkarte in den Kartenleser, mit allen Problemen, die es dabei immer gibt. In Zusammenarbeit mit Hectronic entwickeln wir eine App, welche die Baywa-Tankkarte mit allen Funktionen abbildet.
Wie ist der Stand der Dinge?
Wir wollen mit der App im September 2017 live gehen. Die Tests sind sehr erfolgreich. Wir freuen uns somit, die kompletten Bezahlungsprozesse der Tankkarte an unseren Tankstellen digitalisiert zu haben und diesen Service an allen Baywa-Tankstellen anzubieten.
Mit Hectronic arbeiten Sie auch beim Thema automatische Fahrzeugerkennung zusammen. An wie vielen Stationen ist das kontaktlose Bezahlen möglich?
Bisher ist das nur an der Pilotstation in Nördlingen möglich. Ob wir das Thema ausbauen, wissen wir noch nicht. Die Entwicklung ist momentan so schnell. Vor ein paar Monaten haben wir noch über kontaktloses Zahlen gesprochen und heute ist die Plastikkarte schon in eine App transformiert. Zukünftig wird das Fahrzeug direkt mit der Tankstelle kommunizieren und den Zahlungsvorgang automatisieren.
So wie es Drivenow und Total bereits machen?
Genau. Das ist der nächste Schritt.
Wären hersteller- und unternehmensübergreifende Kooperationen nicht besser als Insellösungen?
Ja, bei der Elektromobilität gibt es derzeit schon Möglichkeiten über Zertifikate in die Fahrzeuge zu kommen. So etwas sollte auch im konventionellen Kraftstoffbereich angedacht werden. Sonst schafft jedes Unternehmen seine eigene Lösung. Und das ist nicht gerade kundenfreundlich. Daraus sollten wir auch in unserer Branche lernen. Hier sehe ich zum Beispiel die Weat als möglichen Roamingpartner für diesen Bereich.
Wo Sie das Thema aufgreifen: Seit dem 1. August 2017 können Ihre Kunden mit einer neuen Tankkarte Strom bezahlen. Was ist das für ein Vorstoß?
Die Elektromobilität wird kommen. Und hier wollen wir unseren Kunden die Möglichkeit bieten, mit der Baywa-Tankkarte Strom zu tanken. Durch die Kooperation mit Ladenetz und nun auch Hubject haben wir unsere Karte an über 5.000 Ladesäulen in Deutschland aufgeschaltet.
Brauchen Interessierte eine neue Tankkarte, um ihr E-Fahrzeug laden zu können?
Wir werden eine Spreizung unserer Tankkarten vornehmen und künftig drei anbieten, eine reine Kraftstofftankkarte, eine Ökostrom- und eine Hybridtankkarte.
Wieso drei? Wieso nicht eine, die alles kann?
Wir segmentieren die Autofahrer in diese drei Gruppen und können vom Start weg ein transparentes Preismodell für jeden Nutzer anbieten. Außerdem können wir die Karte so über mehrere Vertriebskanäle verbreiten wie über unsere Baywa R.E., unsere Tochter für erneuerbare Energien. Im Vergleich zu anderen MÖG sind wir mit diesem Schritt zukunftsfähig aufgestellt.
Außerdem wollen Sie auch selbst Schnellladesäulen bauen. An welchen Standorten und wie viele?
Wir planen den Aufbau von Schnellladesäulen an unseren Tankstellen in Kooperation mit einem Energieversorger. Damit werden wir noch 2017 anfangen. Derzeit planen wir an circa 30 Standorten mit Ladesäulen. Das Thema Elektromobilität wird schneller kommen, als die Tankstellenbranche denkt. Da werden wir noch unser blaues Wunder erleben.
Wären die Schnellladesäulen nicht an einem Ihrer Baumärkte sinnvoller? Ihr Kunde hat keinen Shop, in dem er sich die Zeit vertreiben kann.
Ja, das stimmt, bei den Automatentankstellen wird das eine Herausforderung. Darum achten wir bei der Auswahl der A-Standorte darauf, dass Einkaufsmöglichkeiten in der Nähe vorhanden sind. Weitergedacht könnte man mit Einzelhändlern Lounges schaffen, wo der Kunde seine Zeit verbringen kann, bis das Auto geladen ist, beispielsweise bei WLAN und einem Snack. Oder man schafft eine Baywa-Markenwelt, wo man sich über Produkte informieren kann. Wir denken momentan in alle Richtungen.
Also gehört die E-Mobilität an die Tankstelle?
Die Transformation ist im Verkehrssektor sichtbar. Da fragt man sich als Tankstellenbetreiber schon: Wie kann ich idealerweise das Thema Elektromobilität an meiner Station spielen? Man wird die Tankstelle als solche nur erhalten können, wenn man die Infrastruktur zur Verfügung stellt. Das heißt aber auch: Der Betankungsvorgang darf nicht länger dauern als bei einem herkömmlichen Auto. Wir starten mit 50 Kilowatt, können aber schnell auf 150 Kilowatt erhöhen, wenn die Fahrzeuge und somit die Kunden es verlangen. Somit kann das Fahrzeug innerhalb von fünf bis zehn Minuten betankt werden.
(Das Gespräch führte Michael Simon. Das Interview erschien in Sprit+ Ausgabe 9.)