Jeder Unternehmer kennt das Gefühl oder den Gedanken, dass etwas nicht läuft, wie es sollte. Dass sich das Geschäft besser entwickeln könnte, sollte und vielleicht sogar muss. Schlimmstenfalls steht die Zukunft des Betriebs auf der Kippe, weil Prozesse und Verhaltensweisen (viel zu) lange nicht reflektiert wurden und Marktentwicklungen am Unternehmen vorbeigezogen sind. Dann tut es not, die Betriebsführung zu hinterfragen.
Das nähere Umfeld eignet sich dafür oft nicht. Sei es, dass die Menschen zu weit weg von der Thematik sind – oder zu nah dran, denn dann schwingen zu viele Emotionen mit. Beispiel: Es ist längst klar, dass Mitarbeiter Max Mustermann aufgrund seines hohen Alters nicht mehr mit einer neuen Buchhaltungssoftware klarkommen würde. Aber weil er schon seit 35 Jahren im Betrieb ist, hält man ihm zuliebe an veralteten Prozessen fest. Blockiert Herr Mustermann den Fortschritt des Unternehmens? Welche unangenehme Frage. Aber eine notwendige.
Was er unumwunden zugibt
Einer, der auch unangenehme Fragen stellt und wenn es sein muss, den Finger in die Wunde legt, ist Nico Krippl. Es ist nahezu unmöglich, eine Berufsbezeichnung für ihn zu finden. Es gibt keine noch so fancy englische Berufsbezeichnung, die passt. Auch "Berater" wäre viel zu eng gefasst. Er selbst beschreibt sich als "spezialisierter Generalist" auf seiner Webseite und gibt unumwunden ehrlich zu, er habe "bis heute Schwierigkeiten, eine Berufsbezeichnung zu finden". Bis heute, das heißt genauer: Seit Januar 2024, als er sich selbstständig gemacht hat.
Die Tankstellenbranche ist ihm seit 2001 wohl und gut bekannt. Er war in früheren Tagen in verschiedenen Positionen bei Tamoil und team energie an Bord, bevor er, wie er sagt "auf die andere Seite des Tisches" als IT- und Beratungsdienstleister in der Mineralölwelt wechselte.
Das läuft in vielen Betrieben schief
Krippl kennt sich aber nicht nur IT-seitig sehr gut aus. In der Branche schätzt man ihn nicht zuletzt wegen seiner Scharfsinnigkeit und weil er, wenn es nötig ist, sehr direkt ist. Krippl erkennt Chancen und Schwachpunkte eines Betriebs und dessen Prozesse nicht nur, sondern er spricht sie auch direkt an. "Es ist wild im Mittelstand", sagt er zum Beispiel. "Da ist alles dabei, von der Ohnmacht bis hin zum wilden Aktionismus."
"Oft wissen Führungskräfte gar nicht, welche Prozesse in ihrem Unternehmen ablaufen beziehungsweise wie, auf welche Art und Weise oder ob das Tun überhaupt noch zeit- und zweckgemäß ist."
Oder sogar beides, denn während die Führungsebene meist sehr konkrete Vorstellungen hat, was anders – und besser – laufen sollte, tun die Angestellten meistens lediglich das, was eben getan werden muss. Hinterfragt wird oft nicht. Weder auf der unteren Ebene noch auf der oberen. "Oft wissen Führungskräfte gar nicht, welche Prozesse in ihrem Unternehmen ablaufen beziehungsweise wie, auf welche Art und Weise oder ob das Tun überhaupt noch zeit- und zweckgemäß ist. Wenn ich etwa frage, wie genau dieser oder jener Ablauf aussieht oder in welchem (erweiterten) Kontext dieser steht, also dem sprichwörtlichen Sinn, bekomme ich bisweilen als Antwort: ,Weiß ich nicht genau, dafür sind Max und Maximiliane Mustermann zuständig'. Die Zusammenhänge und Details des Alltags über die eigene Tätigkeit hinaus kennt kaum einer."
Eine Musterlösung für dieses wohl in jedem größeren Betrieb existierende Problem gibt es zwar nicht, wie Krippl weiß, aber Lösungen gibt es sehr wohl und der erste Schritt dahin ist die Frage: "Was willst du für die Zukunft?" Krippl wird noch deutlicher: "Willst du den Gaul totreiten oder willst du deinen Betrieb nachhaltig weiterentwickeln, sodass er auch in 25 Jahren noch als Tankstelle, Mobilitätsdienstleister, Service-Hub oder wie auch immer wir das dann nennen werden, existiert?"
Die Führungsebene muss mitziehen
Im zweiten Fall wird Krippl zum Beratungs-MacGyver. "Gib mir ein Taschenmesser und einen Fallschirm, dann springe ich im Dschungel ab und finde einen Weg", lacht er. Wie das Ergebnis des gemeinsamen Prozesses genau aussehen wird, kann er nie im Voraus sagen. "Der Erfolg hängt vom Prozess ab." Und was ist der Prozess? "Alles", antwortet Krippl. "Alles ist Prozess, deshalb reicht es auch nicht, wenn man nur an einem einzelnen Rädchen im Unternehmen dreht. Ebenso wenig reicht es, wenn nur ein einzelner Mitarbeiter etwas ändern möchte. Alle müssen mitziehen, auch die Führungsebene."
"Man wird nie alle mitnehmen können. Manche wollen oder können nicht mitziehen."
Die Krux dabei aber: "Man wird nie alle mitnehmen können. Manche wollen oder können nicht mitziehen. Dafür haben wir dann den Changeprojekt-Anteil, der immer da, aber nie einfach ist und einen beträchtlicher Anteil der eigentlichen Veränderung ausmacht", sagt Krippl.
Manchmal zieht aber dann auch Krippl selbst nicht mit. Er nimmt mitunter auch die Rolle des Bedenkenträgers ein. Ideen, den Laden auf Vordermann zu bringen, haben die Verantwortlichen oft reichlich. "Es fehlt zumeist aber an der Zeit, die Dinge vernünftig umzusetzen. Es geht vielen nicht schnell genug, wenn man viel am organisatorischen ,Unterbau' ändern muss oder sollte", gibt Krippl zu bedenken. "Man muss sehr offen über das Was und Wie sprechen, dann findet sich ein machbarer Weg".
Kann sein, kann aber auch nicht sein
Letztlich weiß auch Krippl, dass jede Investition in die Zukunft zu einem gewissen Grad vom Blick in die Glaskugel abhängt. "Und weil das so ist, ist jede Lösung richtig – und gleichzeitig falsch." Krippl führt aus: "Eine Ladesäule kann eine gute Idee sein. Ein Tankautomat kann auch eine gute Idee sein. Aber beides ergibt ebenso oft Sinn, wie es keinen ergibt. So denke ich über eine Tankstelle mitten in der Großstadt anders als über weniger urbane Standorte. Gerade wenn es beispielsweise um E-Mobilität geht, muss man besser zweimal hinschauen. Es ist bisweilen zu viel Aktionismus dabei und die politisch wechselnden Lagen helfen auch nicht gerade." Dabei findet Krippl Aktionismus grundsätzlich gar nicht verkehrt, der Unternehmer darf sich dabei nur nicht verlaufen.
Krippl hat aber auch gar nicht den Anspruch, fertige Lösungen zu liefern. Sein Ziel ist es, Wege zu finden, Dinge zu gestalten, neue Möglichkeiten aufzuzeigen und Menschen dazu zu befähigen, es besser zu tun. Er entwickelt für und mit seinen Mandanten Strategien und begleitet auch deren Umsetzung - die Umsetzung selbst muss aber der Betrieb leisten. "Ich kann nicht Dirigent und das ganze Orchester sein. Ich gebe Orientierung und dirigiere, die Musik müssen die Betriebe selbst spielen", sagt Krippl.
Ein positiver Effekt kann schon kurzfristig eintreten
Bei einem Orchester reicht eine einzige Probe nicht. Ebenso reicht auch ein einziger Termin mit Krippl nicht. Er wird zwar höchstwahrscheinlich nicht lange brauchen, um die ersten unangenehmen Fragen zu stellen und je nachdem, wie komplex der Sachverhalt ist, stellt sich kurz- bis mittelfristig eine positive Änderung im Betriebsablauf ein.
Damit ist es jedoch nicht getan. Prozess und Ergebnis müssen immer wieder kritisch hinterfragt werden – gerade in der Tankstellenbranche, die derzeit so extrem im Umbruch ist. "Ich adressiere die immer wieder einsetzende Lethargie der Menschen", erläutert Krippl sein auf Langfristigkeit ausgelegtes Engagement.
Womöglich findet sich langfristig auch eine passende Berufsbezeichnung für den MacGyver der Branche. Oder Krippl schafft es, dass "Zukunftsplaner und -begleiter" als Berufsbezeichnung lanciert wird.