Die Zigarette war einst ein Symbol für Freiheit und Abenteuer. Über die Jahre wandelte sie sich von diesem Symbol zum Sargnagel. Sie macht süchtig, ist für viele langfristige Erkrankungen wie Krebs, Atemwegsbeschwerden oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich und gilt noch dazu als schmutzig und stinkig. Dazu kam gerade in Deutschland die Debatte um den Schutz der Nichtraucher, die durch den passiven Konsum von Nikotin und anderen in Zigaretten enthaltenen Schadstoffen teils auch mit gesundheitlichen Folgen des Rauchens zu rechnen hatten.
Zahl der Raucher sinkt weltweit
Schon 2002 hatten sich daher die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen in einer Rahmenvereinbarung dazu verpflichtet, die Zahl der Raucher weltweit drastisch zu reduzieren. Mit Erfolg: Während im Jahr 2000 noch 39,2 Prozent der Männer und 30,5 Prozent der Frauen in Deutschland rauchten, sanken die Anteile in der Bevölkerung bis 2021 auf 23,2 Prozent bei den Männern und nur noch 17 Prozent bei den Frauen.
Zwar hat sich der Trend bei Jugendlichen während der Corona-Pandemie etwas gewendet. So hat sich 2022 bei den 14- bis 17-Jährigen der Anteil der Raucher von 8,7 Prozent im Vorjahr auf 15,9 Prozent nahezu verdoppelt - insgesamt sinkt die Zahl der Tabak-Konsumenten aber seit Jahren kontinuierlich.
Dabei ist selbst diese positive Entwicklung laut Experten noch nicht ausreichend: Das Bundesministerium für Gesundheit schreibt auf seiner Webseite: "Rauchen ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland. Jährlich sterben in Deutschland über 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums."
Die Antwort der Industrie waren zwei neue Produkttypen. Schon seit etwa 2005 werden sogenannte E-Zigaretten verkauft. In den auch als Vaporizern bezeichneten Geräten wird eine Flüssigkeit (Liquid) verdampft, die mit oder ohne Nikotin und mit den verschiedensten Geschmacksrichtungen von Menthol über Zuckerwatte bis hin zu Erdbeere angeboten wird. Der dabei entstehende Dampf (Vape) wird wie Zigarettenrauch inhaliert.
Seit 2016 gibt es neben den E-Zigaretten noch sogenannte Tabak-Erhitzer wie IQOS und glo, in denen der Tabak nicht mehr verbrannt, sondern nur noch auf etwa 350 Grad erhitzt wird. Dadurch kann der Raucher Nikotin inhalieren, obwohl die Geräte weder Rauch noch Gestank produzieren.
Weiterer Vorteil für Raucher: Der Tabak wird in sogenannten Sticks (bei IQOS heißen sie Heets oder Terea) geliefert, die Zigaretten sehr ähnlich sehen. Die Nutzung der Tabak-Erhitzer ähnelt haptisch also dem Rauchen einer Zigarette.
Beide Alternativen nehmen für sich in Anspruch, gesünder zu sein als herkömmliche Zigaretten. So spricht etwa IQOS-Hersteller Philips Morris von rund 95 Prozent weniger Schadstoffen im Vergleich zum Rauchen einer klassischen Zigarette.
Dr. Elke Pieper vom Bundesinstitut für Risikobewertung erklärt: "Nach allem, was wir bisher wissen, sind die gesundheitlichen Risiken geringer, aber deswegen keineswegs harmlos."
Vor allem die in den E-Zigaretten verdampften Liquids machen den Experten große Sorgen. Dr. Michael Blaha, Direktor für klinische Forschung an der Johns-Hopkins-Universität warnt: "Neue Daten deuten auf einen Zusammenhang mit chronischen Lungenerkrankungen, Asthma und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin. Man setzt sich allen möglichen Chemikalien aus, die wir noch nicht kennen und die wahrscheinlich gefährlich sind."
So entstehen beim Verdampfen der Liquids gefährliche Substanzen, die von einigen Experten als "pures Gift" be-zeichnet werden. Liquid-Hersteller RELX wollte sich auf Anfrage von Sprit+ nicht zu diesen Vorwürfen äußern. Liquid-Händler verweisen, auf Gesundheitsprobleme angesprochen, immer wieder darauf, dass ihre Vaporizer und die darin verdampften Liquids immerhin weniger schädlich seien als eine klassische Zigarette. Unter Experten gelten die Geräte aber als gefährlich und selbst die moderatesten Mediziner fordern zumindest weitere Studien, um Langzeitfolgen der E-Zigaretten besser einschätzen zu können.
Auch die Weltgesundheits-Organisation WHO warnt seit Jahren vor den Gefahren des Vapens, da die Geräte teils den Konsum von Nikotin sogar noch erhöhen. Außerdem sei es für den Kunden praktisch nicht absehbar, welche Gefahrenstoffe er mit den verschiedenen Liquids zu sich nehmen würde. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus fordert neben einem verbesserten Jugendschutz für alle Gerätetypen: "Elektronische Nikotingeräte müssen besser reguliert werden."
Auch als Hilfe auf dem Weg zum Nichraucher sind E-Zigaretten und Tabak-Erhitzer wohl nur bedingt geeignet. Eine britische Studie zeigte, dass 82 Prozent der Nutzer der Alternativen innerhalb eines Jahres wieder klassische Zigaretten rauchten.
So bleibt aus gesundheitlicher Sicht ein bestenfalls durchwachsenes Fazit: E-Zigaretten und Tabak-Erhitzer können die Menge der vom Raucher aufgenommenen Schadstoffe zwar deutlich reduzieren – aber eine tatsächlich gesunde Alternative zum Rauchen sind sie nicht. Vor allem bei E-Zigaretten warnen Mediziner immer wieder vor bislang noch nicht absehbaren Spätfolgen durch die verdampften Liquids, die Stoffe wie Glycerin, Propylenglykol oder Schwermetalle enthalten.
Immerhin: Bei den Tabak-Erhitzern fällt das Fazit der Mediziner etwas besser aus. Wer eines der Geräte benutzt, nimmt tatsächlich weniger Schadstoffe zu sich als beim Rauchen einer klassischen Zigarette. Doch unterm Strich reicht es auch für diese Geräte nicht zu einer Empfehlung durch die Ärzte. Sie raten weiterhin strikt davon ab, überhaupt zu rauchen – egal ob Zigaretten oder Sticks in einem Tabak-Erhitzer.
Die Raucher selbst scheinen die Alternativen trotz all dieser Warnungen anzunehmen. Während der Umsatz mit Zigaretten 2023 von 22,7 Milliarden Euro im Vorjahr auf 21,9 Milliarden gesunken ist, verzeichnet der Markt der E-Zigaretten und Tabak-Erhitzer deutliche Zuwächse. So meldet der Verband Bündnis für Tabakfreien Genuss im Jahr 2023 für Deutschland ein Wachstum von 40 Prozent auf einen Gesamtumsatz von 810 Millionen mit E-Zigaretten.
Das Geschäft mit Erhitzern boomt ebenfalls. Philip-Morris-Chef Markus Essing ordnet es in einem Interview mit der Zeitschrift Capital so ein: "Weltweit lag der Anteil am Umsatz im ersten Quartal 2023 bei etwa 34,9 Prozent, und auch unser Marktanteil wächst jedes Jahr deutlich. In Deutschland beträgt er mit aktuell rund einer Million Kunden etwa 5,3 Prozent vom gesamten Segment der Zigaretten. Im Bereich der Tabak-Erhitzer dürfte das Richtung 90 Prozent tendieren, denke ich. Als Ziel haben wir uns für 2025 gesetzt, dann 50 Prozent des Nettoumsatzes mit schadstoffreduzierten Produkten wie IQOS zu erzielen."
So sind die Umsätze der Alternativen zwar noch deutlich niedriger als die mit klassischen Zigaretten und anderen Tabakprodukten. Doch der Markt wächst seit Jahren beständig und er bietet für Händler attraktive Margen. Während bei einer Packung Zigaretten im Schnitt nur etwa vier Prozent beim Einzelhändler hängen bleiben, verspricht gerade der Verkauf von E-Zigaretten und der dazugehörigen Liquids eine deutlich bessere Handelsspanne. Je nach Großhändler und Produkt-typ sind bis zu 20 Prozent Marge für den Einzelhandel durchaus erreichbar.
Der Markt für E-Zigaretten ist aber unübersichtlich. Bei den Geräten gibt es tausende verschiedene Varianten mit teils sehr unterschiedlichen technischen Spezifikationen.
Immerhin: Sie alle verdampfen die gleichen Liquids. Hier zählen neben den klassischen Geschmacksrichtungen verschiedener Tabaksorten von mild bis kräftig auch teils exotische Varianten wie Vanille, Limette, Cassis, Menthol, Erdbeere, Himbeere oder Pfirsch-Maracuja zu den Bestsellern.
Bei den Tabak-Erhitzern ist IQOS klarer Marktführer vor dem Konkurrenzprodukt glo, das nur etwa zehn Prozent der Erhitzer-Kunden nutzen. Mit einer Entscheidung für IQOS, den darin verwendeten Sticks und einem Angebot an Liquids für E-Zigaretten ist der Händler also gut aufgestellt für die nächste Generation der Raucher.