Wasserstoff ist der große Hoffnungsträger beim klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft. Einen großen Teil muss Deutschland über Pipelines oder Schiffe importieren. Wie das konkret gehen soll, steht in einer Strategie zum Import von Wasserstoff, die heute von der Bundesregierung beschlossen wurde.
Eine "nachhaltige, stabile, sichere und diversifizierte" Versorgung mit ausreichend Wasserstoff und Wasserstoffderivaten sei im strategischen Interesse Deutschlands, heißt es in der Strategie. Dies soll auch ein "Signal" sein an die deutsche Wirtschaft für eine verlässliche Versorgung mit ausreichenden Mengen an Wasserstoff.
Vor allem "grüner" Wasserstoff soll eine Schlüsselrolle dabei spielen, damit Deutschland 2045 klimaneutral wird. Wasserstoff soll die Grundlage sein für die Umstellung auf klimaneutrale Verfahren vor allem in der Industrie, zum Beispiel in der Stahl- und Chemieindustrie. Zum Einsatz kommen soll Wasserstoff aber etwa auch im Schiffsverkehr oder im Schwerlastverkehr, als Alternative zur Elektrifizierung.
Strategie: Wie und woher Deutschland Wasserstoff importieren will
Seit längerem ist sie angekündigt. Nun legt die Bundesregierung eine Strategie zum Import von Wasserstoff vor. Das sind die zentralen Inhalte.
Das bedeuten die Farben von Wasserstoff
Es gibt nicht nur grünen, sondern auch blauen, türkisen, pinken und grauen Wasserstoff. Grundsätzlich ist Wasserstoff aber ein farbloses Gas und hat an sich keine Farbe. Die Farben geben Aufschluss über die Art der Herstellung und final über das Maß an Klimaneutralität des jeweiligen Wasserstoffs.
- Grüner Wasserstoff wird mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Quellen wie Windkraftanlagen und Photovoltaik gewonnen. Grüner Wasserstoff ist in seiner Herstellung komplett klimaneutral.
- Blauer Wasserstoff wird auf Basis fossiler Brennstoffe (Erdgas, Kohle oder Öl) erzeugt. Dabei entsteht als Abfallprodukt CO₂, das unterirdisch gelagert wird. Es gelangt also nicht in die Atmosphäre und damit gilt blauer Wasserstoff als klimaneutral.
- Türkiser Wasserstoff wird über Methanpyrolyse (thermische Spaltung) hergestellt. Anstelle von CO₂ entsteht dabei fester Kohlenstoff (Granulat), der nicht in die Atmosphäre entweicht. Stammt die zur Methanpyrolyse benötigte Energie aus erneuerbaren Energien, ist türkiser Wasserstoff klimaneutral.
- Pinker Wasserstoff (zuweilen auch roter Wasserstoff) wird durch Elektrolyse gewonnen, aber die benötigte Energie stammt aus der Kernenergie. Dadurch entsteht zwar kein CO₂, aber radioaktiver Abfall.
- Grauer Wasserstoff ist nicht klimaneutral. Er wird mittels Dampfreformierung meist aus fossilem Erdgas hergestellt. Dabei entstehen rund zehn Tonnen CO₂ pro Tonne Wasserstoff.
Bedarf von Wasserstoff
Der Bedarf ist immens. Die Bundesregierung erwartet laut Strategie im Jahr 2030 für Deutschland einen Bedarf an Wasserstoff und Derivaten in Höhe von 95 bis 130 Terawattstunden. Die Wasserstoffnachfrage soll dann weiter steigen, bis zum Jahr 2045 auf etwa 360 bis 500 Terawattstunden für Wasserstoff sowie 200 Terawattstunden für Wasserstoffderivate. Das sei aber abhängig von Faktoren wie der Preisentwicklung und der Verfügbarkeit von Wasserstoff. Bedarfe gibt es laut Strategie vor allem in der Stahlindustrie, der Grundstoff- und Petrochemie, in der Mobilität und Logistik sowie bei Kraftwerken.
Zum Vergleich: 2023 erzeugten laut Bundesnetzagentur erneuerbare Energien rund 251 Terawattstunden Strom. Im Jahr 2022 verbrauchten laut Umweltbundesamt private Haushalte rund 678 Terawattstunden Energie, dies entsprach einem Anteil von gut einem Viertel am gesamten Endenergieverbrauch.
Ein Großteil des deutschen Wasserstoffbedarfs werde mittel- und langfristig durch Importe aus dem Ausland abgedeckt werden müssen – bereits 2030 voraussichtlich rund 50 bis 70 Prozent, wie es in der Strategie heißt. "Damit wird Deutschland künftig weltweit zu den größten Wasserstoffimporteuren zählen."
In der Anfangsphase beschränke sich die Importstrategie nicht auf "grünen" Wasserstoff, sondern beziehe übergangsweise insbesondere kohlenstoffarmen Wasserstoff und seine Derivate in mit ein, um möglichst frühzeitig eine verlässliche Versorgung mit ausreichenden Mengen an Wasserstoff sicherzustellen. Die direkte finanzielle Förderung der Wasserstofferzeugung soll auf "grünen" Wasserstoff und seine Derivate wie Ammoniak und Methanol fokussiert werden.
In Deutschland sollen zahlreiche Elektrolyseanlagen gebaut werden, die vor allem "grünen" Wasserstoff produzieren. Dazu ist viel Strom nötig, der zunehmend aus erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne kommen soll. Momentan gibt es 40 Anlagen Elektrolyseure hierzulande.
Woher genau der Wasserstoff importiert werden soll
Geplant ist der parallele Aufbau von Importinfrastrukturen für Pipeline- und Schiffstransporte. Dabei sollen auch bestehende Gaspipelines umgestellt werden, was laut Strategie zu Kostenersparnissen führen kann. Über Pipelines sind vor allem Wasserstoffimporte aus Europa geplant. "Mittelfristig ist davon auszugehen, dass ein Großteil des Bedarfs an Wasserstoff durch Pipelines gedeckt wird."
Es soll mindestens vier an eine Pipeline gebundene sogenannte Importkorridore geben: Nordseeraum, Ostseeraum, Südwesteuropa und Südeuropa. Entlang dieser Korridore soll die Kooperation mit den jeweiligen Anrainerstaaten aufgebaut und vertieft werden, wie es in der Strategie heißt.
Die erste grenzüberschreitende Pipeline solle zwischen Deutschland und Dänemark entstehen, sie könnte Ende 2028 in Betrieb gehen. Ab 2030 könnte eine Pipeline Wasserstoffimporte aus Norwegen ermöglichen, auch der Bau einer Wasserstoffpipeline zwischen Deutschland und Großbritannien wird geprüft. Daneben sieht zum Beispiel der Südkorridor eine direkte und größtenteils aus umgewidmeten Erdgaspipelines bestehende Leitungsverbindung zwischen Algerien, Tunesien, Italien, Österreich und perspektivisch der Schweiz nach Deutschland vor.
Der Schiffstransport soll Wasserstoffimporte aus Weltregionen ermöglichen, die aus technischen und ökonomischen Gründen nicht per Pipeline angebunden werden können. Geplante landseitige Terminals an den deutschen Küsten zum Import von Flüssigerdgas sollen so konzipiert werden, dass diese nach der LNG-Nutzung Wasserstoffderivate anlanden können.
Die Bundesregierung hat bereits zahlreiche bilaterale Wasserstoff-Kooperationen geschlossen – darunter sind Länder wie Australien, Chile, Großbritannien, Namibia, Saudi-Arabien, Südafrika, die Vereinigten Arabischen Emirate. In vielen dieser Länder gibt es großes Potenzial zum Beispiel für den Ausbau der Solarenergie. Länder wie Saudi-Arabien aber gelten wegen der Menschenrechtslage als schwierige Partner.
Mit Blick auf Entwicklungs- und Schwellenländer heißt es in der Strategie, der Aufbau von Wasserstoffmärkten gehe mit Chancen für die Entwicklung lokaler Wertschöpfungsketten und qualifizierten Arbeitsplätzen einher. Die Bundesregierung setze sich für die Einhaltung von Umwelt-, Sicherheits- sowie Sozialstandards ein.
Zum Transport in Deutschland soll bis zum Jahr 2032 schrittweise ein Wasserstoff-"Kernnetz" entstehen. Geplant sind Leitungen mit einer Gesamtlänge von 9.666 Kilometern. Verbunden werden sollen große Verbrauchszentren sowie Speicher und Importpunkte. Die Investitionskosten liegen nach Angaben der Fernleitungsnetzbetreiber bei fast 20 Milliarden Euro.
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