Egal, ob auf der Konferenz Snack, bei der NACS oder auf Messen, ein Trend wiederholt sich beständig in der Außer-Haus-Verpflegung: gesündere Ernährung mit frischen Zutaten. Somit liegt das neue Bistrokonzept Mary Lou des schwäbischen Mittelständlers Südramol genau richtig mit seiner Ausrichtung: Am hauseigenen Test- und Forschungsstandort, der RAN-Tankstelle in Neusäß bei Augsburg, können sich die Kunden zwischen zwölf Salat-Bowls, fünf Currys und fünf Suppen entscheiden.
„Wir betreiben schon seit mehr als zehn Jahren Gastronomie an unseren Tankstellen“, erzählt Geschäftsführer Mathias Doll. Den Anfang, auch in Neusäß, machte ein Pizza-Angebot, danach folgte ein Backshop, schließlich Pasta als Ergänzung zur Pizza. Irgendwann stellte der Unternehmer fest: Das herzhafte Angebot ist umfangreich, wer sich richtig satt essen möchte, wird bei Südramol auf jeden Fall fündig. „Uns war es wichtig, unser Angebot für Menschen zu erweitern, die Wert auf gesundheitsbewusste Ernährung legen“, ergänzt der Geschäftsführer. Möglichkeiten dafür gibt es viele, aber welche funktioniert?
Doll und sein Team benötigten Inspiration und reisten in die irische Hauptstadt Dublin. An einer Maxol-Tankstelle entdeckten sie ein Foodcourt-Konzept, das ihnen lange im Kopf blieb. „Dort gab es vier, fünf verschiedene Clip-ins, eines davon mit gesunden Bowls. Da standen während des Mittagsgeschäfts fünf Gäste beim Burgerladen, fünf bei den Sandwiches und bei den Bowls 20. Aber nicht, weil es so langsam ging, sondern weil die Nachfrage so groß war“, erinnert sich Doll. Das Gesehene überzeugte. Aus Irland brachte das Team die Salatidee mit, die es zurück in Deutschland um die Currys und Suppen erweiterte. Der Hintergedanke dabei war, dass man mit Salat vor allem die Sommerzeit abdeckt, während die Gäste im Winter lieber etwas Warmes essen.
Marke Eigenentwicklung
Sobald die Richtung einmal feststand, ging es in die Entwicklung. Die Ausrichtung, alle Rezepte und der Name stammen aus eigenen Ideen. Vor allem die Namenfindung entpuppte sich als komplizierter als gedacht. Jedes Teammitglied brachte drei Vorschläge ein, schrieb sie anonym auf Kärtchen und pinnte sie an eine Wand. Zur Bewertung durfte jeder fünf Punkte vergeben, auch für persönliche Vorschläge. Die zehn beliebtesten Namen durchliefen eine Copyright- und Domainprüfung. Nur drei blieben übrig, deren Domain noch frei und die schützbar waren. Mary Lou, einer der Vorschläge von Doll, machte das Rennen. Der Name ist angelehnt an seine fünfjährige Tochter Marie Lou, die die Hommage mit diesen Worten quittierte: „Papa, ich mag ein Gummibärchen.“ Vermutlich dauert es noch ein paar Jahre, bis sie die Freude des Teams an der Kreation teilt.
Neben der Eigenentwicklung setzt man bei Südramol auf die Zusammenarbeit mit kleineren regionalen Manufakturen für die Soßen, also Salatdressings und Pizzasoße. Diese fertigen die Soßen nach den Rezepten des Tankstellenunternehmens. Doll empfindet die Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Mittelstand und Mittelstand als sehr positiv. Daneben spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle: Alle Verpackungen sind als umweltfreundlich zertifiziert und biologisch abbaubar, die Dressings in Glasflaschen abgefüllt, die eigens mit dem Mary-Lou-Logo gebrandet wurden. So zieht sich der Gesundheits- und Nachhaltigkeitsgedanke durch die ganze Theorie des Konzepts.
Zwei Monate Umbau
Nach der Konzeptionierung des theoretischen Gerüsts galt es, in der Station in Neusäß praktische Änderungen durchzuführen. Letztlich dauerte der Umbau zwei Monate, während derer der Gastronomiebereich geschlossen war. Der Tankstellenbetrieb konnte normal weiterlaufen. Einfach nur eine neue Theke einzubauen, reichte nicht aus. Für das Mary-Lou-Modul verlängerte man die Theke, die statt 15 Metern nun 18 Meter lang ist. Dafür musste der Sitzbereich etwas komprimiert und um fünf Sitzplätze verkleinert werden. Neben Mary Lou wurde eine Pastastation eingefügt, für die eine Belüftungsanlage eingebaut werden musste. Darüber hinaus benötigte man größere Nebenräume und mehr Lagerplatz für die frischen Zutaten der Salatbowls. Ein Ziel beim Umbau der hinteren Räume: „Auf der Vorderseite haben wir einen sehr langen Weg. Hinten wollten wir die Wege kurz halten, damit man da keine Zeit verschwendet“, erklärt Verkaufsförderer Stefan Schondelmaier.
Die Zeitersparnis für den Kunden ist eines der zentralen Ziele bei Südramol. „Die Leute wollen, dass wir ihnen neben den Produkten, die sie kaufen, Zeit schenken“, ist Doll überzeugt. Die Station liegt im Gewerbegebiet und die Arbeitnehmer, die in der Mittagspause kommen, sollen nicht den Großteil ihrer Pause mit Warten verbringen müssen. Deshalb ist das Handling für die Mitarbeiter möglichst einfach und die Zubereitungszeit möglichst kurz. Die vorgebackene Pizza fertig zu backen dauert beispielsweise keine zwei Minuten.
Daneben legt Geschäftsführer Doll Wert auf gleichbleibende Qualität, Atmosphäre und Freundlichkeit. Übung macht den Meister, auch bei diesen Zielen. Deshalb luden Doll und sein Team zehn Tage vor der offiziellen Eröffnung am 13. November 2019 die eigene Belegschaft und die umliegenden Firmen zu einem Testlauf ein. Dabei konnten die Mitarbeiter die Abwicklung mit allen drei Modulen üben und die Nachbarn das neue Angebot kennenlernen.
Ein Tisch für zwei, bitte
Die Mühe scheint sich gelohnt zu haben. Doll und Schondelmaier sind zufrieden mit den ersten Monaten. Die Erwartungen, die sie an die Anfangsphase hatten, haben sich sogar übererfüllt. Vor allem das starke Abendgeschäft überrascht die beiden: „Die Gäste nehmen es als Restaurant wahr, nicht als Tankstelle“, betont Schondelmaier. „An den Weihnachtstagen hatten wir sogar Anfragen, ob man einen Tisch reservieren kann.“ Er führt die große Zustimmung zurück auf zwei Faktoren: zum einen das Interieur im Gastraum mit einer deutlichen Abtrennung zum Tankstellenbereich, viel Holz und warmen Farben. Zum anderen die Produktvielfalt und -qualität. Das spiegele für den Kunden eine Hochwertigkeit wider, die sich auf seine Wahrnehmung auswirkt. So seien viele Stammkunden, von denen die Station lebt, früher nur zum Kaffeetrinken gekommen, inzwischen essen sie auch etwas.
Für Doll bestätigt die gastronomische Entwicklung sein Grundcredo: „Wir sind immer schon gut gefahren, wenn wir nicht zu zurückhaltend waren.“ Das betrifft das Waschgeschäft, wo er auf große Waschstraßen statt Portalwaschanlagen setzt, ebenso wie die Größe der Südramol-Standorte mit meist mehr als 4.000 Quadratmetern Fläche. Für das Bistro bedeutet das: „Wir wollen ein großzügiges Angebot machen und Kompetenz zeigen. Sonst lassen wir es gleich.“ Die ausgestrahlte Kompetenz ist so groß, dass Doll schon etliche Nachfragen von potenziellen Franchise-Nehmern hatte. Ganz so weit ist das Konzept noch nicht: „Wir wollen für uns die Systemreife haben, erprobte Betriebswirtschaftlichkeit und ein händelbares System.“ Sobald das erwiesen ist, ist es aber durchaus möglich, dass Mary Lou auch außerhalb der schwäbischen Südramol-Welt ihre Pforten öffnet.
(Autorin: Julia Richthammer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 3/2020.)