Herr Kothe, das Segment Energydrinks nimmt an Tankstellen gewiss eine bedeutendere Position ein als im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) und in Getränkemärkten. Können Sie diese Einschätzung bestätigen?
Das ist korrekt, neben Zigaretten, den alkoholhaltigen- und sonstigen alkoholfreien Getränken ist das Energy-Segment nach wie vor ein wichtiger Umsatzbringer für die Tankstellen im FMCG- (Fast Moving Consumer Goods, Schnelldreher, Anm. d. Red.) Bereich. Betrachtet man die Produkte und die Zielgruppen an den Tankstellen, ist das auch nicht verwunderlich. Mit der steigenden Bedeutung von Convenience, to go und mobilen Snackern bedient die Tankstelle mit Energy-Getränken einen anhaltenden Trend. Die Zielgruppe ist an der Tankstelle auch bereit, einen vergleichsweise höheren Preis zu zahlen als im klassischen LEH. Die Ausweitung der Shop-Geschäfte in den Tankstellen wird sich zudem auch auf wichtige Produktsegmente der Tankstellen niederschlagen, woran das Energy-Sortiment sicherlich beteiligt sein wird
Ihre Erhebungen weisen ein Umsatzminus von Energy-Getränken im Tankstellenbereich im vergangenen Jahr aus. Wie ist das zu erklären?
Ein Rückgang von 1,9 Prozent ist zwar faktisch ein Minus, jedoch bleibt der Kanal der Tankstellen auf einem stabilen Niveau und ist weiterhin ein sehr wichtiger Absatzweg für die Hersteller. Doch die Preisschere zwischen LEH und Tankstelle steigt. So wie andere Bereiche auch muss der Impulsbereich mit sich ändernden Rahmenbedingungen umgehen: dem Einstieg des Discounts in das Markengeschäft, mit dem verstärkt junge Zielgruppen erreicht werden sollen, längere Öffnungszeiten, stärkere Angebote bei den Vollsortimentern sowie promotionaffine Konsumenten, die auch im Energy-Segment auf Aktionen warten. Somit wird es nicht einfacher für die Tankstelle sein, das Alleinstellungsmerkmal als 24/7-Versorgungsstelle zu halten.
Welche Rolle spielt der Preiskampf von Discountern wie Aldi und Lidl?
Die Einlistung von Marken und die Preisstellung im Harddiscount nehmen auch die Konsumenten wahr und nutzen das Angebot. Zusätzlich dazu kommen die Reaktionen auf das Verhalten der Discounter von den Vollsortimentern. Dieses kann, gerade für beliebte Marken, zu einer negativen Preisspirale führen. Nichtsdestotrotz werden gerade diese Marken auch weiterhin in den Tankstellen gekauft, was für eine starke Kundenbindung der Marken spricht.
Wie sah der Trend in den vergangenen fünf Jahren aus? Handelt es sich um das erste Umsatzminus für Energydrinks an Tankstellen?
Von 2012 bis 2015 verzeichnete das Segment stetiges Wachstum in den Tankstellen. 2016 ist das erste Jahr, in dem diese einen leichten Umsatzrückgang im Vergleich zu den Vorjahren verzeichnen.
Das Tankstellenunternehmen Orlen hat als erste Gesellschaft einen Energydrink unter einer Eigenmarke in die Tankstelle gebracht. Der richtige Schritt aus Ihrer Sicht?
Im Vergleich zum klassischen LEH, ist das Verhältnis der Handelsmarken in den Tankstellen noch gering. Während einige Handelsketten im LEH durchaus starkes Branding für ihre Handelsmarke betreiben, halten sich die Tankstellen hier noch zurück. Generell ist das Geschäft in der Tankstelle dadurch markengetrieben, aber wo in den vergangenen Jahren Wachstum im Markt war, tauchen auch neue Wettbewerber auf.
Was müssten Tankstellen aus Ihrer Sicht tun, um Marktanteile von Energydrinks zurückzugewinnen?
Tankstellen stehen in Konkurrenz mit dem klassischen LEH und es gilt, passende Gegenangebote für den Konsumenten zu bieten. Es gibt durchaus positive Beispiele von Herstellern, die Kooperationen mit Tankstellenunternehmen eingehen und Angebote wie zum Beispiel Multipacks, also Zweier- , Vierer- oder Sechserpackungen, deutlich kommunizieren und damit Erfolg haben. Generell gibt die Attraktivität des Angebots den Ausschlag, die entweder auf die Steigerung der Frequenz, also der Kaufakte, oder die Steigerung des Einkaufswerts für die Kategorie Energy abzielen sollte.
(Das Gespräch führte Michael Simon; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 4/2017)
Woher stammen die Daten?
Das Beratungsunternehmen IRI erhebt Daten aus dem Lebensmitteleinzelhandel, aber auch aus Tankstellen. In der Erhebung (auch Panel genannt) werden 160 Millionen Datensätze und in etwa 5.000 neue Produkte aus über 20.000 Geschäften pro Woche aus dem Handel verarbeitet. Die Daten für den Harddiscount (Aldi, Lidl und Norma) bezieht IRI über eine Kooperation mit dem Marktforschungsunternehmen GFK. Auch das Panel für den Bereich Convenience und Tankstellen speist sich aus Scannerdaten. Das heißt, es werden tatsächliche Preise, Umsätze und wertbasierte Marktanteile durch reine Sell-out-Daten erhoben. Diese geben eine klare und transparente Marktdefinition auf Basis einer großen Stichprobe aus Autobahn- und Straßentankstellen. (ms)