Eine überraschende Produktionskürzung aus dem Kreis der Ölallianz Opec+ hat für Wirbel am Ölmarkt gesorgt. In den kommenden Monaten soll die Fördermenge um 1,66 Millionen Barrel (je 159 Liter) sinken – etwa 1,6 Prozent der globalen Ölproduktion. Die Entscheidung von Ölstaaten der Opec+ hat einen Höhenflug der Ölpreise ausgelöst. In der Opec+ sind Staaten des Kartells und andere Förderländer darunter Russland zusammengeschlossen.
Was genau haben die Staaten beschlossen?
Wie die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) bestätigt hat, werden acht Förderstaaten ihre Ölproduktion ab Mai senken und die Fördermenge bis zum Ende des Jahres auf dem niedrigeren Niveau halten. An erster Stelle ist Saudi-Arabien zu nennen. Das führende Opec-Land will seine Ölproduktion um täglich 500.000 Barrel senken.
Einen wesentlichen Beitrag zur Kürzung der Fördermenge kommt auch vom Irak mit einem Rückgang um 211.000 Barrel pro Tag. Die übrigen Staaten, die sich an der Förderkürzung beteiligen, werden sich mit deutlich geringeren Mengen an der neuen Förderpolitik beteiligen.
Das Opec+-Mitglied Russland will ebenfalls einen Anteil an der Förderkürzung leisten. Hierzu soll eine bestehende Förderkürzung bis Jahresende verlängert werden. Diese Kürzung war im März in Kraft getreten und sollte eigentlich Ende Juni auslaufen. Wenn man alle beschlossenen Maßnahmen zusammenrechnet, dann wird die Fördermenge der Opec+-Staaten ab Juli um 1,66 Millionen Barrel pro Tag gesenkt.
Warum drosseln die Staaten die Fördermengen?
Ein wesentlicher Grund ist die Sorge um die Preise: Im Vergleich zum vergangenen Sommer ist Öl für Industriestaaten deutlich günstiger zu haben. So hatte Kremlsprecher Dmitri Peskow nach der Ankündigung der Förderkürzung in Moskau deutlich gemacht, dass die Entscheidung dazu diene, die Preise auf einem bestimmten Niveau zu halten.
Hinzu kommt die Konjunkturentwicklung. Obwohl Chinas Wirtschaft nach dem Ende der harten Corona-Maßnahmen wieder in Schwung kommt und die zweitgrößte Volkswirtschaft stärker als Konjunkturlokomotive fungiert, haben die Sorgen um die Weltwirtschaft zuletzt zugenommen.
Die Folgen des Kriegs in der Ukraine, starke Zinserhöhungen wichtiger Notenbanken und nicht zuletzt die Furcht vor einer neuen Bankenkrise schürten Rezessionsängste. Eine wirtschaftliche Abschwächung würde die Nachfrage nach Rohöl dämpfen und damit die Ölpreise belasten.
Wie haben die Ölpreise auf die neue Förderpolitik reagiert?
Nachdem die Ankündigung am Wochenende bekannt geworden war, reagierten die Ölpreise zu Beginn der Handelswoche mit einem Höhenflug. Am Montag sind die Preise für Rohöl aus der Nordsee und aus den USA jeweils um mehr als vier US-Dollar je Barrel gestiegen.
Der Preissprung am Montag von bis zu rund acht Prozent war der stärkste seit etwa einem Jahr. Der Preissprung fiel nach Einschätzung von Marktbeobachtern auch deshalb so stark aus, weil die Entscheidung der Länder der Opec+ die Anleger völlig unvorbereitet traf. "Nicht wenige Marktbeobachter dürften zunächst an einen verspäteten April-Scherz gedacht haben", kommentierte Rohstoffexperte Carsten Fritsch von der Commerzbank.
Am Dienstag sind die Preise weiter gestiegen. Gegen Mittag kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im Juni 85,73 US-Dollar, 80 Cent mehr als am Vortag. Der Preis für ein Barrel der amerikanischen Sorte WTI zur Lieferung im Mai stieg um 84 Cent auf 81,26 Dollar.
Was heißt das jetzt für Verbraucher?
Mit zeitlicher Verzögerung dürfte sich der Anstieg der Ölpreise auf dem Weltmarkt an den Zapfsäulen bemerkbar machen und die Spritpreise ein Stück nach oben treiben. Beim Heizöl spielt den Verbrauchern hingegen in die Karten, dass das Ende der Heizperiode naht. Viele Hauseigentümer können daher mit dem Auffüllen der Heizöltanks warten, bis die Ölpreise wieder niedriger sind. Ohne Zweifel zielt die Förderpolitik der Opec+ auf höhere Preise auf dem Weltmarkt und damit verbunden auf höhere Kosten für die Verbraucher in den westlichen Industriestaaten. Jedoch ist die Förderpolitik auch ein Risiko für die Ölstaaten: Je höher die Preise für Sprit und Heizöl steigen, desto attraktiver werden Alternativen wie E-Autos und Wärmepumpen.
Welche Folgen hat die Ankündigung für den Kampf gegen die Inflation?
Die Drosselung der Fördermenge und ein damit verbundener Anstieg der Ölpreise erschwert den Kampf der Notenbanken gegen die Inflation. Seit Monaten erhöhen wichtige Zentralbanken wie die EZB oder die US-Notenbank Fed die Zinsen, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Zuletzt hatte US-Notenbanker James Bullard eingeräumt, dass die Drosselung der Fördermenge den Job der Fed nicht einfacher mache.
Ein nachhaltiger Einfluss der Entscheidung auf die künftige Entwicklung der Verbraucherpreise ist aber noch offen. Zumal die Energiepreise bei der Entwicklung der allgemeinen Teuerung an Gewicht verloren haben. Mittlerweile haben Preise für Dienstleistungen und Nahrungsmittel einen stärkeren Anteil an der Preisentwicklung. Bei den künftigen Zinsentscheidungen der Währungshüter dürften daher Kosten für Energie zunehmend in den Hintergrund treten.