Mittlerweile sind elf Monate seit der Einführung des Mindestlohngesetzes vergangen. Kaum ein Gesetz der jüngeren Vergangenheit wurde innerhalb unserer Branche, aber auch insgesamt in der Wirtschaft und Öffentlichkeit so kontrovers diskutiert.
Die IG ESSO teilte insbesondere nach den Ergebnissen unserer Mitgliederbefragung die großen Befürchtungen, dass viele Stationen in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen würden. Wir hatten deshalb frühzeitig, schon im Jahr 2014, das Gespräch mit der ESSO gesucht und die MÖG hat tatsächlich in allen uns bekannten Fällen finanzielle Engpässe zumindest mit vorläufigen Regelungen abgefedert. Auch dies hat dazu geführt, dass die erhöhte Kostenbelastung durch die Einführung des Mindestlohns entgegen allen Befürchtungen von den ESSO-Partnern einigermaßen "geräuschlos" getragen werden konnte.
Der Kunde akzeptiert höhere Preise
Dabei geholfen hat, dass sich das Tankstellengeschäft – unterstützt durch die niedrigen Kraftstoffpreise – insgesamt bei den meisten positiv entwickelt und der Markt in der Regel Anpassungen bei den Preisen im Shopgeschäft und Bistrobereich akzeptiert hat, zumindest wenn sie angemessen und entsprechend marktgerecht waren. Hier muss man allerdings aufpassen, die Schraube nicht zu überdrehen. Die Preise an der Tankstelle dürfen sich meines Erachtens nicht zu weit vom Einzelhandel entfernen, damit der Tankstellenshop nicht wieder das gerade abgelegte „Apothekenpreis-Image“ bekommt.
Leider steht dies aber zumindest bei den ESSO-Pächtern noch unter einem Vorbehalt. Bei vielen stehen nämlich die finalen Gespräche mit der Gesellschaft über Pacht beziehungsweise Zuschuss noch bevor. Hier könnte es doch noch zu Härtefällen kommen, sodass es zu früh ist, ein endgültiges Fazit zu ziehen.
Hinsichtlich der rechtlich nicht einfachen Umsetzung des Mindestlohngesetzes haben wir unsere Mitglieder umfassend beraten, und nach unserem Wissen wurde dies auch entsprechend umgesetzt. Den Kontrollen durch den Zoll können Sie deshalb mit gutem Gewissen entgegensehen. Insgesamt zeigt sich, dass der sogenannte Minijob an der Tankstelle durch die Einführung des Mindestlohngesetzes mit seinen Dokumentationspflichten für den Arbeitgeber unattraktiv geworden ist. Das war aber sicherlich ein gewünschter Nebeneffekt des Gesetzgebers.
Durch die Diskussionen über das Mindestlohngesetz ist leider fast ein großer Schritt im Verhältnis der Tankstellenverbände und der Mineralölgesellschaften untergegangen: die Einführung eines Verhaltenskodex für die Tankstellenbranche zur Jahresmitte. Unter Vermittlung des Bundeswirtschaftsministeriums konnte hier ein Kodex vereinbart werden, der die Grundzüge der Zusammenarbeit von Betreibern und Gesellschaften regelt. Sie als ESSO-Betreiber haben ja den Vorteil, einen Verband zu haben, der den direkten Kontakt zur Gesellschaft hat. Das gilt aber eben nicht für alle Gesellschaften. Und bei einigen liegt vieles im Argen.
Leben Sie den Verhaltenskodex
Ich kann trotzdem nur raten, sich diesen wirklich durchzulesen (Hinweis d. Red.: tankstellenmarkt.com/verhaltenskodex) und gegebenenfalls beim nächsten Gespräch mit dem Außendienst griffbereit zu haben. Auch wenn hier inhaltlich viele mehr erwartet haben, ist der Verhaltenskodex trotzdem ein Schritt in die richtige Richtung. Natürlich wäre zum Beispiel ein Verbot der Einstandszahlung wünschenswert gewesen oder gar die Festlegung von Mindestprovisionen. Aber dies war weder durchsetzbar noch kartellrechtlich in einer solchen Branchenregelung überhaupt zulässig. Und wenn nunmehr Anfang des nächsten Jahres auch die Schiedsstelle beziehungsweise das Schiedsgericht eingerichtet wird, dann wird dieser vermutlich auch mit mehr Leben gefüllt.
Und was kommt 2016? Nach meiner Meinung wird 2016 ein Jahr der Konsolidierung. Erst im Laufe der kommenden Monate wird sich zeigen, ob die getroffenen Maßnahmen von Partnern und Gesellschaft wirklich nachhaltig gewesen sind. Der voraussichtlich niedrig bleibende Kraftstoffpreis wird unserer Branche weiter guttun und die Umsätze stützen.
Ein Damoklesschwert ist allerdings die in einigen Bundesländern wieder stärker einsetzende Diskussion über nächtliche Alkoholverkaufsverbote. Das könnte zu erheblichen Einbußen bei den Betroffenen führen und die Wirtschaftlichkeit vieler Stationen gefährden. Es liegt aber auch an Ihnen, diesen Diskussionen die Grundlagen zu entziehen. Achten Sie unbedingt an Ihrer Station an die Einhaltung des Jugendschutzgesetzes und schulen Sie Ihre Mitarbeiter.
Ansonsten wünsche ich Ihnen für 2016 neben wirtschaftlichem Erfolg Spaß an der Tätigkeit und viel Erfolg. André Zacharias