Herr Prof. Nowak, die einen verstehen unter „Team“ eine Ansammlung von Menschen, die zusammenarbeiten, die anderen benutzen den Begriff für eine funktionierende Gemeinschaft. Was zeichnet für Sie ein Team aus?
Einen Satz, den ich meinen Studenten häufig sage, lautet: Team ist keine Weltanschauung, sondern eine Arbeitsform, das heißt, ein Team definiert sich immer über eine Aufgabe, die ein Einzelner nicht alleine machen kann. Ein gutes Team benötigt auf der einen Seite die notwendige versammelte Fachkompetenz, quasi die Hardware, die für die Bewältigung der gemeinsamen Aufgabe erforderlich ist. Und auf der anderen Seite auch Persönlichkeiten und Arbeitsstile, die unterschiedlich, aber dennoch miteinander kompatibel sind. Die Kunst der Teamführung besteht also vor allem darin, diese Unterschiedlichkeit produktiv zu managen.
Die obliegt in unserem Fall dem Tankstellenchef. Wie steuert er sein Team?
Zunächst einmal, indem er deutlich macht: Wo können diese Unterschiede im Sinne eines Ganzen zielgerichtet eingesetzt werden? Das kann er sich entweder selbst überlegen oder aber noch besser, gemeinsam mit seinem Team. Es wäre auch sinnvoll zu definieren: Was ist unsere gemeinsame Aufgabe? Ich würde mal sagen, „eine Tankstelle zu betreiben“, wäre als Formulierung ein bisschen blutleer. Es müsste schon etwas sein, was die Menschen mitnimmt und was ihnen das Gefühl gibt, verantwortlich zu sein – und dies nicht nur für ihren Teilbereich, sondern für ihr ganzes „Unternehmen Tankstelle“.
Man muss also dem einzelnen Mitarbeiter klarmachen, welchen Stellenwert er für das Tankstellenunternehmen hat?
Ja. Menschen an ihrem Arbeitsplatz zu sagen: „Du bist wichtig, weil …“, „Du trägst zum Gelingen des Ganzen bei, weil …“ – das wäre von der Führungskraft eine zentrale Botschaft. Ich hab mal mit einem Team in Indonesien gearbeitet. Da gibt es den Office Boy, das ist der, der in der Hierarchie ganz unten ist. Der macht den Kaffee und bereitet die Räume für die Meetings vor. Das hat er immer ganz ausgezeichnet gemacht. Da hab ich ihm in einer Teamsitzung vor allen gesagt, wie toll ich das finde und wie wichtig das ist, wie er durch seine Arbeit zum Gelingen der Besprechungen und Konferenzen beiträgt. Das hat ihn so motiviert, dass er inzwischen eine Stelle in der Administration hat. So toll hat der sich entwickelt, so stolz und selbstbewusst hat ihn dieses Feedback gemacht.
Wie oft sollte der Chef sein Team zu so einer Besprechung zusammenholen?
An der Tankstelle gibt es Schichtdienste. Bei den Schichtdiensten wäre die Frage, ob es irgendwann einen Moment gibt, an dem in der Übergabe alle da sind. Ein interessantes Prinzip finde ich: Die erste Tasse Kaffee gehört dem Team. Das heißt, ich mache jeden Tag ein kurzes Briefing: Was liegt an diesem Tag an? Für diese Schichtübergabe wäre es gut, sich kurz Zeit zu nehmen, und sei es nur für zehn Minuten. Und dann wäre es sinnvoll, ein Treffen zu organisieren, wo man sich länger trifft, einen halben Tag vielleicht oder zumindest zwei, drei Stunden, je nachdem, was die Öffnungszeiten zulassen. Wo das Team sich mit sich selbst beschäftigt, wo es um den internen Kooperations- und Kommunikationsprozess geht: Wie haben wir zusammengearbeitet? Was hat gut funktioniert? Wo müssen wir besser werden? Das ist motivierender, als nur zu fragen: Wo sind wir schlecht oder was hat nicht geklappt?
Jedoch haben Betreiber oft eine hohe personelle Fluktuation. Wie gelingt es, wechselndes Personal auf Kurs zu bringen?
Auch hier wäre es sinnvoll, das Thema Zusammenarbeit und Kooperation zu besprechen. Wenn neue Leute ins Team kommen, wäre es zudem gut, wenn sie einen Mentor beziehungsweise „Buddy“ für eine Übergangszeit zur Verfügung gestellt bekommen. Das muss nicht der Chef sein, aber einer mit Erfahrung, der den Neuen in die Arbeitsprozesse einführt. Die Leute müssen ja ins Team integriert werden.
Wie könnte die langfristige Teamentwicklung aussehen?
Das ist natürlich mit der Fluktuation etwas schwierig, weil sich jedes Mal, wenn ein Neuer dazukommt, die Gruppendynamik verändert. Aber es gibt in großen Tankstellen immer auch eine Stammbelegschaft. Es wäre wichtig, dass diese eine Teamentwicklung macht. Teamentwicklung bedeutet, eine Gruppe möglichst schnell und nachhaltig kooperations- und arbeitsfähig zu machen. Und dieses Stammteam muss sich überlegen, wie es mit dieser Fluktuation umzugehen hat. Wie wollen wir neue Kolleginnen und Kollegen einweisen? Wie können wir Arbeitsplätze so zuschneiden, dass sie für Menschen, die nur kurzfristig da sind, schnell zu begreifen und zu bewältigen sind. Ein Tankstellenbesitzer wäre gut beraten, hierfür das Know-how und die Erfahrung seiner Mitarbeiter zu nutzen.
Wie sehen Sie eigentlich sogenannte Teambuilding-Events?
Eine Kollegin von Daimler sagte über Teamevents einmal, dieses Outdoor ist etwas für große Jungs, die als kleine Jungs nicht genug draußen spielen durften. Ich würde es nicht so hart formulieren, aber auch ich sehe deren Nutzen als begrenzt an, außer dass man bei einer gemeinsamen Aktivität Spaß hat. Das Problem hierbei ist immer, den Transfer hinzubekommen. Also, was heißt denn das nun für unsere tägliche Zusammenarbeit? Stattdessen könnte man auch einen attraktiven Betriebsausflug unternehmen, das trägt meiner Erfahrung nach in ähnlicher Weise zu einem vorübergehend gestärkten Wir-Gefühl bei.
Das verebbt aber schnell wieder, weil man ja bei so einem Event nicht seine Art der Zusammenarbeit definiert.
Deswegen bin ich auch dafür, dass man solche Teamaspekte im eigenen Betrieb macht, an dem Platz, an dem man arbeitet. Damit die Erfahrungen und Anregungen gleich räumlich mit dem Unternehmen konnotiert werden.
Das Gespräch führte Michael Simon.