Vorgesetzter, Manager, Führungskraft – eigentlich alles das Gleiche. So könnte man meinen. Schauen wir uns aber doch einmal genauer die Bedeutung der Begrifflichkeiten an. Der Vorgesetzte ist der, der uns vorgesetzt wurde. Unwillkürlich muss ich bei dem Begriff immer an Kinder denken, die ein ungeliebtes Gericht vorgesetzt bekommen und sich nicht dagegen wehren können. Beim Manager sieht es nicht viel besser aus.
Gemeinhin ist es üblich, einen Manager mit einer Führungskraft gleichzusetzen. Umso erstaunlicher ist es, dass to manage eher untergeordnet „leiten“ bedeutet und viel häufiger „bewältigen“ oder „verwalten“. Eine Führungskraft ist die Person, die in Führung geht, die ihre Mitarbeiter führt, leitet und lenkt.
So vielversprechend der Begriff Führung auf der einen Seite ist, so nebulös und undurchschaubar ist er auf der anderen. Es gibt unzählige Bücher mit Tipps, was Sie tun müssen, um die perfekte Führungskraft zu sein. So einfach es klingt, so schwer ist es in der Realität. Warum pauschale Aussagen nicht helfen, eine vorbildliche Führungskraft zu sein, möchte ich Ihnen zeigen.
Aufgaben einer Führungskraft
Um mit dem Begriff Führung aufzuräumen, habe ich einige Aussagen gesammelt:
- Wer glaubt, dass Geschäftsführer Geschäfte führen, glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten.
- Eine Führungskraft muss Erwartungen erfüllen: die der eigenen Führungskraft, die ihrer Mitarbeiter und nicht zuletzt auch die Erwartungen an sich selbst.
- Führen bedeutet motivieren.
- Wer führen möchte, muss auch delegieren können.
- Führungskräfte müssen ihre Mitarbeiter „im Griff“ haben!
Aber was genau hat eine Führungskraft nun zu tun? Sie ahnen es bereits, eine Antwort in einem Satz gibt es hierauf nicht. Ein Grund dafür liegt in der Vielfalt der Aufgaben. Ein anderer in der Vielfalt der Mitarbeiter. Die Führungskraft in der Tankstelle hat es besonders schwer. Oft haben sich die einzelnen Bereiche wie Bistro, Waschen und Kraftstoffverkauf
verselbstständigt, sie verfolgen stur ihre eigenen Vorgaben, Ziele und Kennzahlen. Dementsprechend ist ein effizientes Führungsverhalten für Führungskräfte und den Gesamtverantwortlichen in der Tankstelle von überragender Bedeutung: Zu ihren Aufgaben gehört es, eine Kooperation zwischen den Einzelbereichen zu erzielen und das Gesamt- und Unternehmensziel zu fokussieren und zu bewerten.
In Führungsetagen wird häufig die Ansicht vertreten, dass man entweder führen kann – oder eben nicht. Somit wäre Führung eine Frage der Persönlichkeit oder des Charakters. Ein Stück weit ist das sicherlich richtig. Viel wichtiger ist jedoch, dass Führen lernbar ist. Eine gute Führungskraft braucht einen großen Werkzeugkoffer mit Werkzeugen für unterschiedliche Aufgaben, Situationen und Mitarbeiter. Manche Menschen haben „von Natur aus“ schon mehr Werkzeug im Gepäck als andere. Aber wie immer im Leben werden wir nur richtig gut, wenn wir dazulernen und Gelerntes anwenden können.
Das Modell „Managerial Grid“
Robert Rogers Blake und Jane Srygley Mouton entwickelten bereits 1960 ein Modell für Führungskräftetrainings beim US-amerikanischen Mineralölkonzern Exxon Mobil, das mögliches Führungsverhalten bildlich machen sollte. Es sollte Führungskräften verdeutlichen, welches Führungsverhalten das „richtige“ ist. Sie tauften das Modell „Managerial Grid“.
Für Blake und Mouton ist das oberste Ziel der Führung, ein Betriebs- oder Arbeitsklima zu schaffen, das die Arbeitsleistung fördert. Genauer definieren sie, dass die Führungskraft ein Klima erreichen sollte, das folgende Bedingungen erfüllt:
- Förderung und Aufrechterhaltung wirtschaftlicher Leistung in höchster Qualität und Quantität.
- Anregung und Gebrauch schöpferischer Fähigkeiten.
- Begeisterung zur Leistung, zum Experiment und zur Innovation.
- Lernen aus Interaktionen und Situationen.
- Suchen und Finden von neuen Herausforderungen.
Obwohl das Modell mittlerweile über ein halbes Jahrhundert alt ist, verdeutlicht es doch auf einfachste und anschaulichste Weise die Komplexität von Führung und was dies im Einzelfall für die Führungskraft bedeutet. Kurz zusammengefasst geht das Modell von zwei Verhaltensausprägungen einer Führungskraft aus, der Aufgaben- und der Mitarbeiterorientierung (siehe Kasten unten). Innerhalb des Gitters (siehe Grafik unten) sind alle möglichen Kombinationen zwischen beiden Aspekten zulässig, so dass sich maximal 81 unterschiedliche Führungsstile ergeben.
Bestimmte Führungsstile in dem Verhaltensgitter sind besonders prägnant:
Der (9/1)-Führungsstil: Befehl-Gehorsam-Management: Aspekte wie Konflikte, schöpferische Tätigkeit oder hingebungsvolle Arbeit werden wenig beachtet. Die Erfüllung der Aufgaben und die Verfolgung ihrer Ziele stehen für die Führungskraft im Vordergrund, sie hat eine autoritäre Position.
Der (1/9)-Führungsstil: Glacé-Handschuh-Management: Menschen haben für die Führungskraft den höchsten Stellenwert, daher ist ihr Verhalten und Empfinden von großer Wichtigkeit. Dementsprechend werden alle Arbeitsbedingungen so gestaltet, dass sie zum Wohle der Mitarbeiter sind. Die Führungskraft ist sehr kollegial und lässt sich eher von dem Team führen als andersherum.
Der (1/1)-Führungsstil: Überlebens-Management: Der Unvereinbarkeit von Zielverfolgung und der Berücksichtigung menschlicher Bedürfnisse geht die Führungskraft hier komplett aus
dem Weg, denn beide Ziele sind für sie nicht von Priorität. Das Verhalten tritt häufig bei Routinetätigkeiten auf. Die Führungskraft resigniert und hat sich mit der Niederlage bezüglich der Zielerreichung und der menschlichen Beziehungen abgefunden.
Der (5/5)-Führungsstil: Organisations-Management: Im Gegensatz zum Überlebens-Management möchte die Führungskraft keine der beiden Seiten vernachlässigen und nimmt eine Kompromissposition ein. Durch die zumindest mittelmäßige Zielerreichung wird der Produktion ein gewisser Stellenwert zugeschrieben. Dabei erkennt sie, dass dies nur mit einem entsprechenden Maß an menschlicher Orientierung möglich sein kann.
Der (9/9)-Führungsstil: Team-Management: Die Führungskraft betrachtet die Mitarbeiter und deren Ideen als Kapital, eine erfolgreiche Produktion zu realisieren oder diese sogar zu optimieren. Das höchste Ziel ist, durch konzentrierte Arbeit die Bedingungen für schöpferische Kraft und hohe Produktivität herzustellen, welche miteinander in Wechselwirkung stehen. Der Fokus liegt darauf, in jeder Situation die beste Lösung zu finden (und keine, die beispielsweise aus Traditionsgründen erwartet wird).
Obwohl Blake und Mouton immer das Team-Management als anzustrebenden Führungsstil propagiert haben, möchte ich das Managerial Grid eher dazu nutzen, um die Handlungsspielräume von Führungskräften aufzuzeigen. Auch fast jedem anderen Führungsstil ist etwas Positives abzugewinnen, wichtig ist der Kontext.
Befehl-Gehorsam-Management
Sie haben einen Mitarbeiter, der nicht sehr motiviert ist. Außerdem haben Sie bei einer bestimmten Aufgabe sehr großen Zeitdruck. Je nach Persönlichkeit des Mitarbeiters kann es sinnhaft sein, dass Sie ihm klare Aufgaben geben, ihn eng führen und kontrollieren. Die Aufgabenerfüllung steht jetzt gerade im Vordergrund.
Glacé-Handschuh-Management
Sie haben einen Mitarbeiter, der schon sehr lange im Unternehmen ist, vielleicht länger als Sie selbst. Er kennt seine Aufgaben in- und auswendig und ist gut darin. Nutzen Sie seine Kompetenz und delegieren Sie Aufgaben. Investieren Sie lieber in die Beziehungspflege, bieten Sie ihm einen guten Rahmen zum produktiven Arbeiten.
Organisations-Management
Routinearbeiten sind nicht immer schön, aber sie müssen oft sein. Für die Erledigung sind meist weder viele Erklärungen noch ein Übermaß zwischenmenschlicher Beziehungen notwendig. Machen Sie Ihren Mitarbeitern klar, dass das auch zum Job gehört, aber auch wieder andere Aufgaben kommen.
Situative Führung
Aus dem Modell lässt sich leicht ableiten, dass es nicht den per se guten Führungsstil gibt. Die drei Variablen Situation, Aufgabe und Mitarbeiter erfordern eine situative Führung. Aufgaben können vielfältig sein, Mitarbeiter sind umso vielfältiger. Um zu wissen, wie die Führungskraft mit welchem Mitarbeiter umgehen soll, muss sie zunächst mehr über seine Motive erfahren. Ist für den einen Mitarbeiter Selbstentscheidung von höchster Priorität, geht es dem anderen vielleicht in erster Linie um Mitentscheidung. Um beiden gerecht zu werden und maximale Leistungen zu generieren, braucht der eine die Möglichkeit, selbst entscheiden zu können, der andere die Zusammenarbeit in einem Team.
Als Führungskraft ist darum eine gute Kommunikation unerlässlich. Gepaart mit Empathie und Vertrauen ist ein besseres Verständnis der Mitarbeiter möglich. Ergänzt um die Führungswerkzeuge in Ihrem Koffer werden Sie so bessere Entscheidungen treffen und sowohl Ihren Zielen als auch Ihren Mitarbeitern besser gerecht werden.
Tanja Herzig ist Diplom-Kauffrau und geprüfte Business-Trainerin (BDVT). Sie war lange Zeit als Angestellte und Führungskraft im FMCG-Bereich und Reifenfachhandel tätig und kennt die täglichen Herausforderungen des Handelsgeschäfts. Ihr Unternehmen Koru Training, Coaching & Consulting hat sich auf Trainings und Beratungen für den Automotivebereich spezialisiert. Zusammen mit ihrem erfahrenen Team trainiert und berät sie zu Themen wie Führung, Servicequalität, Verkauf, Werkstatt und Prozessoptimierung.
Mehr Info: www.koru.one