Oft bleibt nicht viel Zeit im Alltagsgeschäft eines Betreibers, um sich über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Mit regelmäßigen Informationsveranstaltungen in ganz Deutschland will der Tankstellen-Interessenverband (TIV) Wissenslücken stopfen und den Austausch untereinander anregen.
Ein zentrales Thema bei der jüngsten Veranstaltung in Berlin war die Ausweitung des Verbands in Europa. Nach einer Kooperation mit der Wirtschaftskammer Österreich 2009 und mit der Tankstellenpächtersparte im Handels- und Dienstleistungsverband Südtirol 2013 dehnt der TIV seine Aktivitäten nun nach Westen aus. Anfang November unterzeichnete die Verbandsspitze einen Kooperationsvertrag mit einem Schwesterverband in Luxemburg.
„Viele Mineralölgesellschaften sind inzwischen international aufgestellt. Deshalb wollen wir auch über den Tellerrand schauen, gucken, was in anderen Ländern passiert, und Erfahrungen austauschen“, erklärt TIV-Geschäftsführer Jochen Wilhelm die Expansionspläne. Gerade bei Österreich sei das spannend, weil die Situation beispielsweise beim Handelsvertreterrecht sehr ähnlich sei und man so voneinander lernen könne. Inzwischen hat der Verband seine Fühler auch nach Italien ausgestreckt, verriet Wilhelm.
Kein Wunschkonzert
Zweites großes Thema war der Verhaltenskodex, der vor fast zwei Jahren von allen Branchenverbänden unterzeichnet wurde. „Wir sind allerdings nicht zufrieden mit dem heutigen Stand der Umsetzung, weil der Kodex nicht flächendeckend in Deutschland von den Gesellschaften angewendet wird“, betonte Wilhelm. Das betrifft zum einen das faire Miteinander, das explizit in dem Papier festgehalten wird.
Zum anderen sieht der Geschäftsführer noch Verbesserungsbedarf beim Thema Einkommen: „Der Vertrag schreibt ein ‚angemessenes, existenzsicherndes Einkommen‘ vor. Existenzsicherung reicht uns aber nicht. Harz IV ist auch existenzsichernd“, kritsierte Wilhelm und ergänzt: „Der Kodex ist kein Wunschkonzert, wir haben uns inhaltlich viel mehr versprochen.“ Aber der sei nun mal der kleinste gemeinsame Nenner, auf dem eine Einigung möglich war.
Neben dem Verhaltenskodex informierte Wilhelm über das Schiedsgericht, das seit Mai dieses Jahres bei Meinungsverschiedenheiten angerufen werden kann. Bislang gab es ein Verfahren eines Mitglieds vom TIV, bei dem die Beteiligten sich für ein Regelschiedsverfahren entschieden. Der Schiedsrichter hat dabei keine Entscheidungsbefugnis, sondern erläutert lediglich, wie er die Rechtslage sieht und welche Lösungsansätze in Betracht kommen. Im verhandelten Fall kam es zu einem Vergleich zwischen den Parteien. „Es hat sich gezeigt, dass es ein gutes Format ist“, freut sich Wilhelm.
Mit Spannung erwartet auch der TIV endlich eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes in Bezug auf § 86a Handelsgesetzbuch. Hier hofft Wilhelm, dass Kreditkartengebühren und Kassenpachten künftig von den Gesellschaften übernommen werden.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 12/2016.)