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Westfalen: Vom Schlachtfeld zum Glück

13.03.2019 12:00 Uhr
Westfalen: Vom Schlachtfeld zum Glück
Auf etwa 6.600 Quadratmeter Fläche befinden sich das Tankfeld, der Food-Court „Zum Glück“ mit ­Compact-Markt und Gastronomie, eine Waschstraße sowie zehn SB-Staubsaugerplätze.
© Foto: Annika Beyer

Unter der Marke „Zum Glück“ hat Westfalen im Herbst 2018 eine Großtankstelle mit Food-Court in Betrieb genommen. Bis zur Fertigstellung des Fünf-Millionen-Euro-Projekts gab es einige Schlachten zu schlagen.

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Beim Baustart der Tankstelle in Gelsenkirchen wurden der Westfalen im wahrsten Sinne des Wortes Steine in den Weg gelegt. Denn als man 2016 die Verhandlungen für das Grundstück aufgenommen hatte, hatte keiner damit gerechnet, was man Ende 2017 beim Baustart im Boden der Industriebrache finden würde: die ­alten Fundamente eines Stahlwerks, teilweise ­gefüllt mit gefrorenem Wasser. „Das war eine Schlacht hier und hat den Bau ­un­geplant verzögert“, erinnert sich Robert Marchewka, Bauleiter im Bereich Tankstellen bei Westfalen. Und es sollte nicht der einzige Kampf bleiben.

Herausfordernd war schon der Planungsprozess: „Als wir vor drei Jahren mit dem Eigentümer um das Grundstück verhandelt haben, war uns noch nicht so ganz klar, was wir hier eigentlich vorhaben“, erzählt Andre Stracke, Leiter Bereich Tankstellen bei Westfalen. ­Normalerweise erarbeitet die ­unternehmenseigene Abteilung Bau & Technik erst einmal ein Konzept und sucht dann das passende Grundstück dafür. In diesem Fall war es andersherum: Westfalen hatte zuerst den Standort im Gelsenkirchener Stadtteil Bulmke-Hüllen östlich der Altstadt im Blick, bevor das Konzept für die Station fertig ent­wickelt war.

Interessant war das Gelände in ­mehrerlei Hinsicht: Es verfügt über eine aus­­reichende Größe und liegt zwar im Gewerbe- und Industriepark Schalker Verein, aber nur hundert Meter entfernt grenzt ein Wohngebiet daran an. Eine Zubringer­straße zur Autobahn befindet sich gerade im Bau und soll – allerdings mit Verzögerung – Mitte 2019 fertiggestellt sein. Dann flankiert die hauptverkehrsführende Straße die Tankstelle und soll zusätzlich zu den Anwohnern für noch mehr Kunden sorgen.

Essen statt Tanken

Was man den Kunden nun genau in Gelsenkirchen bieten wollte, kristallisierte sich erst im Laufe des Planungsprozesses parallel zur Bauantragstellung heraus. Im Rahmen der Strategieentwicklung besuchten die Verantwortlichen Großbritannien und Irland, wo sie sich verschiedene ­Konzepte ansahen. Zusätzlich erarbeitete Westfalen gemeinsam mit externen Dienstleistern Ideen in Workshops und prüfte das Potenzial des Standorts. Ergebnis der Überlegungen: Das Grundstück eignet sich ­aufgrund seiner Größe und seiner Lage für ein Multigastronomiekonzept.

So entwickelte sich die Idee, neben dem klassischen Tankstellenangebot aus Kraftstoff und Shop – bei Westfalen heißt das Compact-Markt – sowie der Waschstraße und den SB-Staubsaugerplätzen ein breites Food-Angebot zu schaffen. „Wir wollen, dass die Menschen zum Essen und Trinken zu uns kommen. Und zufällig kann man hier noch tanken“, erklärt Stracke das Konzept. Die Sichtweise sei ­sozusagen die Abkehr vom klassischen Tankstellengeschäft. Daher läuft das gesamte Angebot des Food-Courts auch nicht unter dem Westfalen-Logo, sondern bewusst unter der eigens dafür geschaffenen und geschützten Wort-Bild-Marke „Zum Glück“, in Anlehnung an die Tagebautradition in Gelsenkirchen.

Bestandteil des Food-Konzepts sind das Kaffeeangebot der eigenen Kaffeemarke Alvore Caffè, die italienische Eismarke Giovanni L., Premium-Döner und Salate unter dem Kebabmen-Logo sowie nach Münster der zweite Standort von Chop­stix Noodle Bar. Allein dafür stehen rund 300 Quadratmeter zur Verfügung. Im Innenbereich gibt es 77, im Außenbereich noch mal 40 Sitzplätze. Im knapp 90 Quadratmeter großen Compact-Markt, ­gestaltet von Carstens Shop-Einrichtungen, finden die Kunden das klassische Sortiment eines Tankstellenshops sowie einen Hermes-Paketshop.

Achtmonatige Bauphase

Bis zur Inbetriebnahme des Multigastronomiebetriebs am 20. September 2018 zogen acht Monate ins Land. Nachdem Ende 2017 die anfangs erwähnten Fundamente abgetragen und der Boden durch eine Spezialfirma verdichtet worden war, starteten die unterirdischen Arbeiten, also die Einlagerung der Tanks für den Kraftstoff ­sowie der Abscheider und Schlammfänger für die Waschanlage. Anschließend ging es an der Oberfläche weiter. Als der Rohbau der 36 Meter langen Waschstraße stand, wurden im nächsten Schritt die Bodenplatten für die Tankstelle verlegt. Etwa ein halbes Jahr nach dem Startschuss stand der Rohbau mit Außenhülle und Trennwänden.

Schwerpunkt der letzten zwei Monate der insgesamt achtmonatigen Bauphase waren dann die Installationen der Technik sowie die umfangreiche Einrichtung des Gastronomiebereichs, der vom Oldenburger Unternehmen Hinsche gestaltet wurde. Auf  Gesamtkonzepte für die Gastronomie, Hotellerie und Gemeinschaftsverpflegung spezialisiert hatte das Unternehmen sein Können bereits 2013 unter Beweis gestellt, als es das Betriebsrestaurant von Westfalen neu gestaltet hatte. Nach dieser Referenz entschied man sich auch in Gelsenkirchen für die Einrichtungsexperten. Sie legten ein Konzept vor, bei dem vor allem mit dem Material Holz, kombiniert mit den Farben Braun, Schwarz und Gelb, gearbeitet wurde.

Dass diese Farbmischung allerdings nicht nur auf Fans stieß, zeigt eine Anek­dote vom Bau: Die Decke ist nicht wie bei klassischen Tankstellen mit Platten abgehängt, sondern offen, sodass man die Rohre und Lüftungsschächte sehen kann. Diese waren entsprechend des Gesamtkonzepts zum Teil schwarz und zum Teil gelb gestrichen, eine Farbkombination, die insbesondere bei den männlichen Einheimischen auf wenig Freunde stieß. „Die Handwerker kamen rein, haben das gesehen und sich geweigert, hier zu arbeiten“, erzählt Bauleiter Marchewka lachend und ergänzt: „So haben wir gelernt: Man muss sich beim Bau eben auch mit der regionalen Kultur auseinandersetzen.“ Immerhin habe sich der Maler gefreut, der daraufhin alle gelben Rohre wieder in Schwarz anstreichen durfte.

Neben der Decke hat sich Hinsche für die Wand etwas Besonderes einfallen lassen: Die Steinoptik ist eine originale Abbildung vom Zeche Zollverein in Essen, die eine Spezialfirma mittels Silikonab­drücken hergestellt hat. Die Platten sind etwa einen Meter breit und raumhoch und wurden an der Wand angebracht, ­anschließend verspachtelt und mit drei Farben überpinselt, damit es echt aussieht.

Ebenfalls aufwendig war die Installa­tion der Leuchten, für die man in der Regel nur eine Woche veranschlagt. Hier hat es drei Mal so lange gedauert. Das lag unter anderem daran, dass man allein für die Ausrichtung der Deckenlampen auf eine einheitliche Höhe mehrere Leute brauchte.

Kein Fitnessstudio mehr

Die schiere Projektdimension brachte für alle Beteiligten auch außerhalb des Food-Courts Herausforderungen mit sich. Gerade in der Endphase waren so viele Menschen unterschiedlicher Firmen auf dem 6.600 Quadratmeter großen Gelände am Werk, dass Fremde gar nicht auffielen. So kam es häufig zu Diebstählen etwa von Kabeln, die nicht nachverfolgt werden konnten, weil während der Bauphase die Videoüberwachung ausgeschaltet sein muss.

„Und wenn wir zu dritt beim Food-Court zusammenstanden und einer auf die Suche nach dem vierten Handwerker gegangen ist, der vielleicht gerade an der Waschstraße zu tun hatte, ist man unbemerkt aneinander vorbeigelaufen. Das war wie ‚Verstecken spielen‘“, erzählt Marchew­ka. Ins Fitnessstudio habe man bei den ganzen gelaufenen Kilometern am Abend nicht mehr gehen müssen. Dabei kamen die zusätzlichen Trainingseinheiten für den Bauingenieur eher ungeplant: Denn eigentlich hätte er als für den Bezirk zuständiger Bauleiter das Projekt erst nach Fertigstellung übernehmen sollen, um die Instandhaltung zu betreuen. Doch aufgrund der Unübersichtlichkeit und der vielen Themen zum Projektende unterstützte er bereits früher seine Kollegin Angela Pohl. Die Bauleiterin war bis 30. September 2018 für den Standort zuständig und hatte den Bau fast komplett vorbereitet und begleitet.

Nach all diesen Unwägbarkeiten ist Tankstellenchef Stracke vier Monate nach Inbetriebnahme der Station zufrieden mit dem Ergebnis und der bisherigen Umsatzentwicklung. Daher könne er sich vorstellen, das „Zum Glück“-Konzept künftig auch an anderen Standorten umzusetzen, wenn sich ein entsprechendes Grundstück finden lässt. Welche Schlachten dann auf Westfalen warten, weiß er ja jetzt aus Gelsenkirchen.

(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien im Sonderheft Bauen 2019)

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