Sprit+: Herr Bock, Wasserstoff aus Abfall – wie funktioniert das?
Robert Bock: Mit einer Plasma-Technologie soll zirkularer Wasserstoff aus nicht recycelbarem Müll erzeugt werden. Dazu wird nicht recycelbarer Kunststoff auf eine maximale Kantenlänge von fünf Zentimetern zerkleinert und in einer speziellen Plasmaanlage zu Synthesegas verarbeitet. Während dieses Prozesses liegt die Temperatur bei über 3.000° Celsius. Nach der Reinigung des Synthesegases wird über Wassergas-Shift Wasserdampf eingeblasen, damit der Anteil an Wasserstoff erhöht wird. Im letzten Schritt des Verfahrens kommt es über eine Druckwechsel Adsorption zu einer Trennung von Wasserstoff und CO2. Das anfallende Kohlenstoffdioxid wird zum Beispiel von großen Gewächshäusern und der Getränkeindustrie genutzt.
Gehören alte Rotorblätter auch zu den verwendeten Abfallarten?
In der Anlage können auch ausrangierte Rotorblätter von in die Jahre gekommenen Windkraftanlagen entsorgt werden. Da jedoch der Heizwert von CFK/GFK (Kohlenstoff-/Glasfaserverstärkter Kunststoff, Anm. d. Red.) sehr gering ist und gleichzeitig der Inertenanteil sehr hoch, sollten Abfälle mit höherem Heizwert wie beispielsweise Autoreifen beigemischt werden. Unser bereits in den USA bewährtes Verfahren trägt außerdem dazu bei, dass die derzeit viel diskutierte Entsorgung von Rotorblättern in Zukunft preiswerter sein wird. Je nach Region kostet der Recyclingprozess von CFK oder GFK bis zu fünfmal mehr als der von herkömmlichen Kunststoffen.
Warum hat sich Plagazi ausgerechnet Brandenburg als Standort ausgesucht?
Das in Potsdam ansässige Unternehmen Richter Recycling GmbH wollte in Premnitz eigentlich eine konventionelle Müllverbrennungsanlage bauen. Als die Geschäftsführung von der Plasma-Technologieanlage erfahren hat, wurden die Pläne kurzerhand angepasst. Außerdem gilt Brandenburg als äußerst innovationsfreundlich. Auch die Menschen im Umfeld stehen Projekten nicht so kritisch gegenüber. Die Gemeinde Premnitz hat großes Interesse an innovativer Industrie und hat uns mit offenen Armen empfangen. Daher siedeln sich Unternehmen hier gerne an.
Was steckt hinter dem Projekt "Havelstoff"?
Bei "Havelstoff" handelt es sich um eine Wortschöpfung, die aus dem Fluss Havel und Wasserstoff besteht. Unter dem zukünftigen Namen Premnitz Hydrogen-Park wird die Projektgesellschaft im Industriepark die Anlage mit einer angedachten Jahreskapazität von 7.500 Tonnen Wasserstoff bauen und betreiben. Um diese Menge herstellen zu können, werden rund 44.000 Tonnen nicht recycelbarer Abfall benötigt. Für die gesamte Anlage, die auf der patentgeschützten Innovation des schwedischen Unternehmens Plagazi basiert, werden rund 80 Millionen Euro Investitionskosten veranschlagt.
Wie hoch ist die Umweltbelastung?
Im Gegensatz zur Müllverbrennung handelt es sich beim sogenannten Plagazi-Prozess um einen geschlossenen Kreislauf. So ist beim patentierten Plasmavergasungsverfahren jederzeit gewährleistet, dass Schadstoffe und CO2 nicht in die Atmosphäre gelangen. Aufgrund der sehr hohen Prozesswärme bleibt neben hochreinem Wasserstoff nur ungefährliche Schlacke übrig, die im Straßenbau Verwendung finden kann. Das in flüssiger Form zur Verfügung stehende CO2 ist ein wichtiger Bestandteil zur Produktion von E-Fuels. Die im Synthesegasreinigungsprozess aufgefangenen Schadstoffe werden als Sondermüll entsorgt.
Wann kommt der zirkulare Wasserstoff zu den Tankstellen?
Wenn zum Ende des Jahres die zugesagten Förderungen fließen, kann mit dem Bau der Anlage begonnen werden. Ich gehe davon aus, dass die Bauzeit bei drei Jahren liegt, sodass wir 2026 mit der Produktion von Wasserstoff beginnen können. Und der Markt benötigt dringend preiswerten Wasserstoff. Derzeit wird "grüner" Wasserstoff über die Tankstellen stark subventioniert für 14,85 Euro je Kilogramm angeboten. Unseren in Premnitz angebotenen Kraftstoff der Zukunft verkaufen wir zu einem Bruchteil davon. Daher konnten wir bereits erste Abnahmeverträge unter Dach und Fach bringen.
Ist Wasserstoff die Energie der Zukunft?
Diese Frage kann ich mit einem klaren "Ja" beantworten. In den letzten hundert Jahren haben wir nach Erdöl und Erdgas gegraben. Möchten wir im Rahmen der E-Mobilität zukünftig nach Lithium, Kobalt oder Mangan buddeln? Wir haben die Sonne als wichtigste Energiequelle. Sie liefert fünftausend Mal mehr Energie zur Erde, als die gesamte Menschheit verbrauchen könnte. Hinzu kommen die enormen Wassermengen durch die Weltmeere. Aus diesen natürlichen Ressourcen möchten wir unter anderem Wasserstoff als Energieträger machen. Und bevor wir komplett auf Wasserstoff als Energie-quelle setzen können, stehen E-Fuels als sinnvolle Brückentechnologie zur Verfügung. Schließlich bleiben uns die klassischen Verbrennermotoren in den kommenden drei Jahrzehnten noch erhalten.