Die Projektplanung ist schon weit fortgeschritten. Knapp zwei Kilometer von der A 44 entfernt, liegt die 24-Stunden-Tankstelle von Schmidt Energie. Das bestehende Schmidt-Angebot mit der Tankpool-24-Dieselzapfsäule soll um ein Gebäude mit Shop und Bistro, eine Halle für die Pkw- und Lkw-Wäsche sowie um Hochdruck- und Staubsaugerplätze erweitert werden. Darüber hinaus sind der Bau von Fotovoltaik-Anlagen auf insgesamt 3.500 Quadratmetern Dachfläche und die Errichtung eines Elektrolyseurs mit einem Megawatt Leistung zur Wasserstoff-Produktion geplant. Zwei bereits bestehende Windkraftanlagen mit jeweils 1,5 Megawatt Leistung werden dann als weitere Stromquellen genutzt.
Grüner Wasserstoff
Projektiert ist außerdem eine 5.000 Quadratmeter große Fotovoltaik-Anlage in unmittelbarer Nähe zur Autobahn. Der so erzeugte "grüne" Wasserstoff soll dann über die Tankstelle verkauft werden. "Durch dieses neue Angebot sprechen wir neue Kundengruppen an", ist sich Geschäftsführer Karl Schmidt sicher.
Des Weiteren soll die Abwärme des Elektrolyseurs nicht nur zu Heizzwecken der neu entstehenden Gebäude dienen. Gleichzeitig werde der Einsatz von chemischen Zusätzen in den Waschstraßen durch die Verwendung von warmem Wasser deutlich reduziert. Neben der Nutzung des umweltfreundlich erzeugten Stroms für den Wasserstoffreaktor kann die überschüssige Energie ins öffentliche Stromnetz gespeist werden.
"Im Kreis Soest ist bisher noch keine Infrastruktur für Wasserstoff Tankstellen vorhanden", sagt Frank Hockelmann, Sachgebietsleiter Energie und Klima beim Kreis Soest. "Die bisher nächstgelegenen 700 bar Wasserstoff Tankstellen befinden sich in Richtung Ruhrgebiet in Kamen, Dortmund und Essen. Eine Wasserstoff Tankstelle mit 350 bar für Nutzfahrzeuge ist in Herten zu finden." Für einen zuverlässigen und ökonomischen Betrieb eines mit Wasserstoff betriebenen Fuhrparks im Kreisgebiet sei jedoch die Errichtung von derartigen Tankstellen in der Nähe von Logistikstandorten erforderlich - idealerweise in der Nähe von Autobahnabfahrten. "Das Projekt Einrichtung einer Wasserstoff Tankstelle durch Schmidt Energie unterstützt somit die stufenweise Dekarbonisierung des Pkw- und Schwerlast-Verkehrs im Raum Kreis Soest und Südwestfalen", ist sich Hockelmann sicher.
Bereits im Mai vergangenen Jahres hat das Anröchter Energieunternehmen mit den Planungen für das Projekt begonnen, sodass die Umsetzung zeitnah durchgeführt werden kann. Mit der Genehmigung der vor Kurzem eingereichten Förderanträge wird im späten Frühjahr 2024 gerechnet. Da die Bauzeit auf sechs Monate geschätzt wird, könnte das innovative Energiekonzept bereits Anfang 2025 an den Start gehen. Schmidt schätzt die Gesamt-Investitionssumme auf etwa zwei Millionen Euro.
Das Konzept sieht auch den möglichen Betrieb eines leistungsstarken Blockheizkraftwerks (BHKW) mit Wasserstoff vor. Der so erzeugte Strom kann zusätzlich für den allgemeinen Betrieb der Tankstelle und die Versorgung der E-Ladesäulen genutzt werden. Auch die entstehende Prozesswärme des H2-BHKW fließe dann ohne Umweg in die Gebäudeheizung und die Erwärmung des Wassers für die Waschanlagen. Doch dafür sucht der Investor noch nach geeigneten Kooperationspartnern für die Finanzierung des Blockheizkraftwerks inklusive der Mehrkosten gegenüber konventionellen Lösungen.
Gemeinde profitiert
Die Gemeinde Anröchte begrüßt nach Angaben von Thomas Borgschulte den Umbau der Tankstelle Schmidt. "Die günstige Lage im Anröchter Industriegebiet, direkt am Autobahnkreuz Erwitte/Anröchte an der A 44 und der B 55, bietet einen sehr guten Standort für die Projektidee", sagt Borgschulte, der Energiemanager der Gemeinde Anröchte. "Die an der Tankstelle geplanten Alternativen zu fossilen Energieträgern unterstützen die Region auf ihrem Weg zur Klimaneutralität. Insbesondere wird Wasserstoff dabei als vielfältig einsetzbarer Energieträger eine Schlüsselrolle einnehmen. Klimafreundlich hergestellter Wasserstoff ermöglicht es, die CO2-Emissionen vor allem in Industrie und Verkehr dort deutlich zu verringern, wo Energieeffizienz und die direkte Nutzung von Strom aus erneuerbaren Energien nicht ausreichen. Hier wird eine gute Möglichkeit für den lokalen Schwerlastverkehr geschaffen, seinen Fuhrpark zukunftsweisend auszurichten." Wirklich gelungen erscheine ihm die Planung inklusive der Eigennutzung der Prozesswärme, der Gewinnung von Wasserstoff aus regenerativer Energie und der Möglichkeit, Strom aus H2-Überschussmengen zu erzeugen."
Potenzielle Kunden
Als größter Energiehändler in der Region verfügt das Unternehmen über einen Fuhrpark, der noch mit konventionellen Kraftstoffen betrieben wird. "Das soll sich natürlich in Zukunft ändern", meint Thomas Schmidt, der seit drei Jahren Geschäftsführer des Familienunternehmens ist. So wäre die Umstellung der gesamten firmeneigenen Fahrzeugflotte auf Verbrennungsmotoren mit Wasserstoffbetrieb oder Brennstoffzelle eine denkbare Option. Neben der Senkung der Emissionen für den eigenen Fuhrpark steht die Kostenreduktion durch den Verbrauch des selbst produzierten Wasserstoffs im Fokus der Überlegungen. Die Beantragung öffentlicher Mittel würde die Anschaffungskosten in vertretbare Dimensionen lenken.
Kommunale Betriebe wie Stadtwerke oder Betriebshöfe aus dem Kreis Soest, dem insgesamt 14 Gemeinden und sieben Städte mit über 300.000 Einwohner angehören, könnten ihre Fahrzeuge im Rahmen des neuen Wasserstoff-Angebots umweltfreundlich und klimaneutral nutzen. Dies gilt auch für Nahverkehrsunternehmen aus dem Kreisgebiet, die ihre Busse auf Wasserstoff-Betrieb umstellen möchten. Potenzial sieht der Energiehändler auch in den umliegenden Firmen und im Durchgangsverkehr. Allein im Anröchter Industriegebiet West gäbe es drei Speditionen mit mehr als 150 Lkw. Die tägliche Leistung des 1-Megawatt-Elektrolyseurs schätzt Karl Schmidt auf 450 Kilogramm Wasserstoff. Das reicht aus, um 15 Lkw mit dem grünen Treibstoff zu versorgen.
Wie teuer wird Wasserstoff?
Die Produktionskosten für Wasserstoff werden sich nach Angaben von Karl Schmidt vor allem am Preis für grünen Strom und Wasser orientieren. "Zu Beginn der Produktion rechnen wir mit einem jährlichen Verbrauch von rund zwei Millionen Litern Wasser. Unser regionales Wasserwerk könnte diese Menge liefern", ist sich der Energiehändler sicher. Darüber hinaus soll eine unterirdische Zisterne unter der Anlage für Nachschub sorgen. "Hier sind wir im Gespräch mit einem Unternehmen, das Regenwasser aufbereitet. Stimmen die Rahmenbedingungen, werden sich sich die Kosten für Wasserstoff am Dieselpreis ausrichten."