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EuGH: Schufa-Score darf nicht alleinige Grundlage für Kreditentscheidung sein

29.12.2023 08:38 Uhr
Kreiditantrag
Wer einen Kredit beantragt, der wird schnell mit der Schufa konfrontiert.
© Foto: Studio v-zwoelf/stock.adobe.com

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass Schufa-Scores nicht mehr alleinige Grundlage für Kreditentscheidungen sein dürfen. Das Urteil hat weitreichende Folgen für die Kreditwirtschaft und den Verbraucherschutz in Deutschland. Für Verbraucher hat das Urteil des EuGH positive Folgen. Lesen Sei hier, welche Möglichkeiten Verbraucher nun haben.

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 7. Dezember 2023 entschieden, dass Schufa-Scores nicht mehr alleinige Grundlage für Kreditentscheidungen sein dürfen. Das Urteil hat aus Sicht der Verbraucherkanzlei Dr. Stoll & Saue weitreichende Folgen für die Kreditwirtschaft und den Verbraucherschutz in Deutschland. Es kommt einer Entmachtung der Wirtschaftsauskunftei Schufa gleich. Scoring sei als eine von der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) grundsätzlich verbotene "automatisierte Entscheidung im Einzelfall" anzusehen, sofern die Kunden der Schufa, wie beispielsweise Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen, heißt es in der Pressemitteilung des EuGH (Az.: C-634/21).

Der Score-Wert

Wer einen Kredit benötigt, der wird schnell mit der Schufa konfrontiert. Banken, Telekommunikationsdienste oder Energieversorger überprüfen meist bei privaten Auskunfteien wie der Schufa die Kreditwürdigkeit einer Person. Die Schufa gibt dann den Unternehmen ihre Einschätzung weiter – den sogenannten Score-Wert. Mit Hilfe des Scores soll sich zeigen, wie gut der Verbraucher seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommt.

Neben dem Score stand am EuGH auch noch die Schufa-Praxis auf dem Prüfstand, die Restschuldbefreiung nach beendeter Privatinsolvenz länger zu speichern als beim amtlichen Insolvenzregister. In beiden Fällen erlitt die Schufa Niederlagen. Die Kanzlei Dr. Stoll & Sauer fasst die Verfahren zusammen:

  • Im Rechtsstreit (Az.: C-634/21) verlangte der Kläger von der Schufa, seinen Eintrag zu löschen und ihm Zugang zu den Daten zu gewähren. Ihm war ein Kredit verwehrt worden. Die Schufa stellte sich jedoch quer, gab ihm nur seinen Score-Wert und allgemeine Informationen zur Berechnung bekannt. Der hessische Datenschutzbeauftragte sah im Vorgehen der Schufa keine Rechtswidrigkeit. Seiner Meinung nach ist das Scoring nach den Anforderungen an § 31 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Daraufhin klagte der Verbraucher. Das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden legte den Fall dem EuGH vor, um grundsätzlich das Verhältnis zur europäischen Datenschutzgrundverordnung klären zu lassen.
  • Das VG interessiert sich besonders für die Frage, ob es sich bei dem Schufa-Scoring um eine automatisierte Verarbeitung im Sinne von Art. 22 Abs. 1 DSGVO handelt. Entscheidungen mit rechtlicher Wirkung dürfen nach dieser Norm, nicht nur durch die automatisierte Verarbeitung von Daten getroffen werden. Doch genauso verhält sich das Scoring nach Ansicht des EuGH-Generalanwalts Priit Pikamäe. Die automatisierte Erstellung eines Wahrscheinlichkeitswerts über die Kreditwürdigkeit stellt eine solche verbotene automatische Entscheidung dar. Der EuGH folgte in seiner Entscheidung dem Generalanwalt. Ist das Scoring maßgeblich für die Entscheidung über die Kreditvergabe, so verstößt gegen die europäische DSGVO.
  • Auch beim Thema Restschuldbefreiung erlitt die Schufa eine Niederlage. Die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung stehen nach Ansicht des EuGH im Widerspruch zur DSGVO, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu verfügen, überwiegen.
  • Weiter entscheid der EuGH: "Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen." (Az.: C-26/22 und C-64/22)
  • Da die Schufa die Entscheidung zur Restschuldbefreiung wohl erwartet hat, löschte die Auskunftei bereits immer Sommer 2023 nach eigenen Angaben 250.000 Einträge zur Restschuldbefreiung.

Fazit Dr. Stoll & Sauer

"Das Urteil zum Scoring des EuGH hat weitreichende Folgen für die Kreditwirtschaft. Kreditgeber müssen ihre Kreditentscheidungsprozesse nun grundlegend überarbeiten. Sie müssen sicherstellen, dass Schufa-Scores nicht mehr alleinige Grundlage für Kreditentscheidungen sind. Das bedeutet einen höheren Aufwand für Kreditgeber, aber auch mehr Chancen für Verbraucher. Das Urteil ist ein wichtiger Schritt für den Verbraucherschutz in Deutschland. Es stärkt die Rechte von Verbrauchern und macht die Kreditwirtschaft fairer. Die Kanzlei rät Verbrauchern, die generell Probleme mit Schufa-Angelegenheiten haben, daher zur anwaltlichen Beratung."



Wie sich das Urteil über den Score-Wert auswirkt

Die Entmachtung der Schufa durch das Scoring-Urteil des EuGH hat weitreichende Folgen für die Kreditwirtschaft und natürlich für die Verbraucher. Konkret müssten Kreditgeber nun folgende Maßnahmen ergreifen:

  • Sie müssten die individuellen Umstände des jeweiligen Kreditantrags berücksichtigen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Dazu gehören beispielsweise die Einkommenssituation des Antragstellers, seine Zahlungshistorie und die Art des beantragten Kredits.
  • Sie müssten den Antragstellern die Möglichkeit geben, Einwände gegen den Schufa-Score zu erheben.
  • Sie müssten den Antragstellern eine Begründung für die Entscheidung geben, warum der Kredit gewährt wird oder nicht.
  • Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird für Kreditgeber einen erheblichen Aufwand bedeuten. Sie müssen neue IT-Systeme entwickeln und ihre Mitarbeiter schulen.

Für Verbraucher hat das Urteil des EuGH positive Folgen. Es schafft mehr Rechtssicherheit und erhöht die Chancen von Verbrauchern, einen Kredit zu erhalten, auch wenn ihr Schufa-Score nicht optimal ist. Welche Möglichkeiten können Verbraucher nun haben?

  • Verbraucher, die keinen Kredit erhalten haben, können nun Einwände gegen den Schufa-Score erheben. Sie können beispielsweise argumentieren, dass der Score ungenau oder nicht aktuell ist.
  • Verbraucher, die einen Kredit erhalten haben, können nun verlangen, dass ihnen die Begründung für die Entscheidung gegeben wird. Das kann ihnen helfen, zu verstehen, warum der Kredit gewährt wurde oder nicht. Und es zu prüfen, ob gegen eine solche Entscheidung juristisch vorgegangen werden kann.

Kanzlei Dr. Stoll & Sauer

Über 30 (Fach-)Anwälte stehen in der Kanzlei Kanzlei Dr. Stoll & Sauer den Mandanten in den Standorten Lahr, Stuttgart und Ettenheim zur Verfügung. Die Kanzlei ist unter anderem auf Bank- und Kapitalmarktrecht sowie den Abgasskandal spezialisiert. Hinzu kommen die Themen Arbeits-, IT-, Versicherungs-, Arbeits-, Verkehrs- und Verwaltungsrecht. Die Gesellschafter Dr. Ralf Stoll und Ralph Sauer führten die Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen, handelten für 260.000 Verbraucher einen 830-Millionen-Vergleich aus. Aktuell führen die Inhaber in einer Spezialgesellschaft die Musterklage gegen die Mercedes-Benz Group.



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