CDU/CSU und SPD erwähnen in ihrem Sondierungspapier einen möglichen Mindestlohn von 15 Euro ab 2026. Noch ist nichts entschieden, aber SPD-Kanzler Olaf Scholz hat sich für die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns von derzeit 12,82 Euro pro Stunde auf 15 Euro ausgesprochen. Grüne, Linke und BSW hatten die Zielmarke in ihren Wahlprogrammen, die Gewerkschaften sind ebenfalls dafür. Ein Argument: Die jüngsten Erhöhungen dieser gesetzlichen Lohnuntergrenze seien zu gering ausgefallen im Vergleich zur zeitweise sehr hohen Teuerung.
In rund 9,5 Millionen Jobs lag der Stundenlohn im April 2024 unter 15 Euro – das sind die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamts. Betroffen ist somit bundesweit etwa jeder vierte Job. Jobs in der Gastronomie wurden zu fast drei Vierteln mit unter 15 Euro pro Stunde entlohnt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund geht von insgesamt sechs Millionen Menschen mit Mindestlohn aus.
Sprit+ hat bei Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des ZTG (Zentralverband des Tankstellengewerbes) nachgefragt:
Sprit+: Was bedeutet ein Mindestlohn in Höhe von 15 Euro für Tankstellenunternehmer?
Ziegner: Zunächst einmal das Gleiche wie für alle Arbeitgeber: Eine Erhöhung des niedrigmöglichsten Entgelts um 17 Prozent! Dabei bleibt es natürlich nicht. Höher qualifizierte und besser als zum bisherigen gesetzlichen Mindestlohn bezahlte Arbeitnehmer werden fordern, dass der bisherige Lohnabstand gewahrt bleibt – der so genannte Kaminzugeffekt. Im Schnitt der Tankstellen, natürlich mit Unterschieden nach Größenordnungen und danach, wo in Deutschland die Tankstelle sich befindet, müsste man mit einer Personalkostenerhöhung von über 30.000 Euro pro Jahr und Station rechnen.
Sprit+: Was sagt der ZTG zu 15 Euro Mindestlohn?
Ziegner: Bereits einmal hat eine Bundesregierung ohne Beteiligung der eigentlich zuständigen Mindestlohnkommission den gesetzlichen Mindestlohn sprunghaft angehoben. Eine Vorgabe von 15 Euro wäre eine Wiederholung dieses Sündenfalls, nur prozentual nochmals höher. Wenn man Inflation anheizen möchte, ist das sicher eine der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten…
Sprit+: Der Taxi- und Mietwagenverband schreibt: "Ein flächendeckender Mindestlohn von 15 Euro würde wie ein Todesturbo das Taxisterben noch beschleunigen." Sehen Sie die Auswirkung auf die Tankstellenbranche ähnlich dramatisch?
Ziegner: Zu einem „Taxisterben“ kann ich mich nicht äußern. Ein Tankstellensterben gab es in den letzten Jahren jedenfalls nicht, die Bestandszahlen waren und sind bisher erstaunlich stabil. Allerdings ist die Situation vor allem für die Tankstellenpächter wirtschaftlich immer enger geworden. Bei operativen Ergebnissen von vielleicht durchschnittlich 40.000 Euro pro Pachtstation und Jahr kann man sich leicht ausrechnen, was 30.000 Euro Personalkostenerhöhung bedeuten. Und noch weniger Personal als bisher ist schlicht nicht möglich – es sei denn, über eine Verkürzung der Öffnungszeiten, was bei vielen Stationen allerdings schon vorgenommen worden ist. Deswegen: Ja, es würde mehr Stationsschließungen geben und wahrscheinlich auch Verstärkung des Trends zur Umwandlung bemannter Stationen in Automatenstationen.
Sprit+: Was würde der Mindestlohn für Endkunden bedeuten (höhere Preise in Shop und Bistro, weniger Service, längere Wege wegen Betriebsschließungen, …)?
Ziegner: Ganz zum Schluss wird jede Kostenerhöhung vom Kunden getragen oder die Betriebe werden unwirtschaftlich und letztendlich geschlossen. Bisher haben es die Tankstellengesellschaften in Deutschland geschafft, vor allem über gegenüber der Vergangenheit stark gestiegene Kraftstoffmargen ihr Netz zu erhalten. Daran werden sie ihre Tankstellenpartner teilhaben lassen müssen, wenn die Stationen weiter betrieben werden sollen. Noch höhere Preise im Shop sind vielfach nicht mehr realistisch, abgesehen davon, dass 65 Prozent des Shopumsatzes mit preisgebundenen Waren gemacht werden.