Sprit+: Frau Honisch, warum sind Frauen öfter von Altersarmut betroffen als Männer – selbst bei Vollzeitbeschäftigung und nach 40 Arbeitsjahren?
Margarethe Honisch: Frauen verdienen oft weniger als Männer für die gleiche Arbeit. Es gibt nach wie vor eine geschlechtsspezifische Lohnlücke, die "Gender Pay Gap", bei der Frauen im Durchschnitt weniger verdienen als Männer. Diese Lohnunterschiede wirken sich im Laufe der Zeit erheblich auf die Rentenhöhe aus.
Zusätzlich haben Frauen oft schlechtere Aufstiegschancen und Karrieremöglichkeiten als Männer. Ein Grund dafür ist sicherlich die Care-Arbeit, die noch zu großen Teilen den Müttern zugeschrieben wird, aber auch die Unternehmenskulturen und geschlechtliche Stereotype, nach denen Männer für bestimmte Positionen besser geeignet sind.
Sprit+: Warum sind Frauen heutzutage in vielen Jobs unterbezahlt?
M. Honisch: Frauen sind in vielen Berufsfeldern unterbezahlt, und das liegt teilweise daran, dass sie häufig in sozialen Berufen arbeiten, die leider oft schlecht bezahlt sind. Soziale Berufe wie Pflege, Erziehung oder Sozialarbeit sind von entscheidender Bedeutung für unsere Gesellschaft, doch die Bezahlung spiegelt diese Bedeutung nicht immer wider.
Sprit+: Laut Antidiskriminierungsstelle des Bundes lag die "Gender Pay Gap" in Deutschland im Jahr 2020 bei circa 20 Prozent. Wie kommt es zu dieser massiven Lohnlücke, warum verdienen Männer in gleichen Positionen mehr als Frauen?
M. Honisch: Auf dem Arbeitsmarkt herrschen weiter viele geschlechtsbasierte Vorurteile. Frauen werden Eigenschaften zugeschrieben, die in vielen Firmen als weniger wertvoll angesehen werden, zum Beispiel Fürsorglichkeit, Empathie, Kommunikationsstärke. Die "positiven" Eigenschaften, die zu guter Bezahlung und einem Aufstieg im Unternehmen führen, sieht die Gesellschaft bei den Männern, zum Beispiel Ehrgeiz, leistungsorientiertes Handeln und Durchsetzungsvermögen. Entsprechend werden diese oft besser bezahlt, unterstützt und befördert.
Diese "geschlechtliche Segregation" am Arbeitsplatz führt auch dazu, dass bestimmte Bereiche, wie beispielsweise der Pflege- oder Dienstleistungssektor, in denen überwiegend Frauen arbeiten, niedrigere Löhne haben als Sektoren, in denen überwiegend Männer beschäftigt sind.
Sprit+: Frauen und Geld scheint ein verkrampftes Verhältnis zu sein. Warum? Woher kommt das?
M. Honisch: Das hat verschiedene historische und kulturelle Gründe. In einigen Fällen fehlt es Frauen an finanzieller Bildung und Selbstvertrauen in finanziellen Angelegenheiten. Das führt dazu, dass sie weniger selbstständig Entscheidungen über Geld treffen und weniger Risikobereitschaft bei Investitionen zeigen. Auch Geldgespräche werden oft als Tabu angesehen und können für Frauen schwierig sein. Der Mangel an offener Kommunikation über Geld und Finanzen führt zu einem begrenzten Wissen und wenig Austausch.
Sprit+: Viele Frauen arbeiten nur in Teilzeit. Warum? Sind die konservativen Rollen immer noch so präsent?
M. Honisch: Viele Frauen entscheiden sich für Teilzeitarbeit, um sich um ihre Familie zu kümmern. Teilzeitarbeit ermöglicht es, mehr Zeit für ihre Kinder zu haben und Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Traditionelle Geschlechterrollen spielen hier eine Rolle, oft sind es aber auch finan-zielle Gründe, die Frauen in die Teilzeit bewegen anstelle ihrer Männer: Stichwort höheres Gehalt und Ehegattensplitting.
Sprit+: Welche Folge hat Teilzeitarbeit für die Rente?
M. Honisch: Auf die Rente hat das negative Auswirkungen. Durch Teilzeitarbeit zahlen Frauen in der Regel geringere Rentenbeiträge als Vollzeitbeschäftigte. Die Höhe der Rentenzahlungen hängt von den eingezahlten Beiträgen ab, ein niedrigeres Gehalt führt also zu einer niedrigeren Rentenhöhe.
Zusätzlich führt Teilzeitarbeit zu einer geringeren Anzahl an Beitragsjahren. Durch Erwerbsunterbrechungen und reduzierte Arbeitszeit werden insgesamt weniger Beiträge eingezahlt. Das führt zu einer kürzeren Beitragsdauer und somit zu einer niedrigeren Rente.
Sprit+: Die Rentenerhöhung ist lediglich eine Anpassung an das derzeitige Preisniveau, die Bundesregierung tut zu wenig gegen Altersarmut. Was kann - sollte - also jede von uns selbst tun? Wie kann man die Situation der Frauen heute und in Zukunft verbessern?
M. Honisch: Es ist wichtig, frühzeitig mit der finanziellen Planung für das Alter zu beginnen. Frauen sollten sich über ihre finanzielle Situation informieren, ihre Einkommen und Ausgaben analysieren und darauf basierend einen Sparplan erstellen. Beim Sparen unterstützen zum Beispiel betriebliche Altersvorsorgepläne oder private Investitionen.
Zusätzlich ist es wichtig, sich über Rentenansprüche zu informieren und sicherzustellen, dass auch Anrechnungszeiten berücksichtigt werden, die für Kindererziehung, Pflegezeiten oder Zeiten der Arbeitslosigkeit genutzt wurden.
Auch wichtig: über Geld reden. Frauen profitieren von Netzwerken und Unterstützungsgruppen. Der Austausch von Informationen, Erfahrungen und Ressourcen erleichtert den Umgang mit finanziellen Herausforderungen.
Auch politische Maßnahmen und gesellschaftliche Veränderungen sind erforderlich, um strukturelle Barrieren abzubauen und das Rentensystem gerechter zu gestalten. Dies beinhaltet die Förderung von Lohngleichheit, den Ausbau der Kinderbetreuungsmöglichkeiten, die Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und die Sicherung der Rente.