Ein bisschen komisch ist es schon, einem Fremden den Autoschlüssel in die Hände zu geben. „Wird schon nichts passieren“, denke ich mir und lasse Emanuele gemeinsam mit dem BMW in der Tiefgarage zurück. Am Ausgang angelangt, drehe ich mich noch einmal um und sehe wie er beginnt, Fotos von meinem Auto mit seinem iPhone zu machen.
In den kommenden eineinhalb Stunden reinigt der Angestellte des Dienstleisters My Cleaner meinen 1er von innen und außen, während ich gemütlich in meiner Wohnung sitze. Dafür ist er mit einem umgebauten Servicefahrzeug zu mir nach Hause gekommen, das mit Reinigungsmitteln, Wischwasser zum Nachfüllen, einem Generator für den Hand- und Waschstaubsauger sowie einem Kompressor für die Luftdruckregulierung ausgestattet ist. Den Termin habe ich einige Tage vorher auf der Internetseite des Start-ups mit Angaben zum Auto, dem Schmutzgrad und dem gewünschten Service gebucht.
Nach etwa 90 Minuten klingelt mein Telefon. Emanuele ist fertig. Vom Ergebnis bin ich beeindruckt: Die Schlieren auf dem Lack sind weg, die Scheiben glänzen und der Innenraum ist von Bröseln und Dreck befreit. Nur an einem Reifen hat er ein Stück Felge übersehen, was mir aber erst später auffällt. Zahlen kann ich per Karte, die Rechnung über 79,98 Euro erhalte ich kurz danach per Mail. Aufgelistet sind darin die Leistungen Premium-Reinigung außen, Basic-Reinigung innen sowie eine Anfahrtspauschale über zehn Euro.
Deutschlandweites Angebot
Mit diesem Versuch gehöre ich zu einem der etwa 5.500 Fahrzeuge, die My Cleaner im Monat reinigt. Den Service des 2011 gegründeten Start-ups gibt es inzwischen in 14 Städten, neben München beispielsweise in Hamburg, Berlin und Köln. Etwa 50 Prozent der Fahrzeuge stammen von Car Sharing Anbietern, die andere Hälfte sind Firmenkunden oder Privatpersonen, die keine Zeit oder Lust haben, sich um die Reinigung zu kümmern. „Wir verkaufen Zeit“, erklärt mir Geschäftsführer und Mitgründer Slawa Kister.
Außerdem betont Kister, dass das System besonders lackschonend sei. Da ein Auto nicht einfach auf der Straße sauber gemacht werden darf, setzt My Cleaner auf eine „Trockenreinigung“. Dafür trägt der Cleaner das speziell entwickelte Reinigungsmittel auf Basis natürlicher Wachse auf den Lack auf und reibt es mit einem Mikrofasertuch wieder ab. Anschließend wird das Auto noch einmal mit einem sauberen Mikrofasertuch abgewischt. Die dünne Wachsschicht der Politur soll zudem den Fahrzeuglack schützen.
Ob das wirklich so gut funktioniert, bezweifelt Thomas Drott vom Bundesverband Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche Deutschland (BTG). „Wenn man mit einem Tuch über den Lack geht, auf dem oft feiner Staub und Sand liegt, ist das wie feines Schmirgelpapier“, erklärt er. Waschanlagen seien deshalb so konstruiert, dass dieser Effekt vermieden werde. „Ich befürchte, dass Kunden, deren Lack durch so einen Service beschädigt wurde, dann in die Waschanlage kommen und dort die Kratzer reklamieren“, gibt Drott zu bedenken. Umgekehrt versucht My Cleaner solche Reklamationen von Kunden vorzubeugen, indem die Angestellten wie Emanuele vor der Reinigung Bilder vom gesamten Fahrzeug machen.
Auch aus ökologischer Sicht sieht Kister sein Unternehmen im Vorteil. Für die Reinigung des Fahrzeugs seien nur 250 Milliliter der Wachsemulsion und kein Tropfen Wasser notwendig. Dagegen verbrauche eine Waschanlage 600 Liter Wasser. Diese Zahl sei allerdings viel zu hoch gegriffen, hält Drott dagegen.
Fazit
Nach meinem Selbstversuch komme ich zu dem Fazit: Das Auto ist so sauber wie nach einer normalen Fahrzeugwäsche und vor allem die Innenreinigung ist praktisch. Der stattliche Preis von fast 80 Euro ist für mich als Privatperson aber keine Alternative zu zehn bis 20 Euro, die ich in der Waschanlage zahle. Und auch der Zeitfaktor ist für mich kein entscheidender Vorteil. Ob durch diesen Service also tatsächlich die Zahl der Wäschen an Anlagen sinkt, wage ich zu bezweifeln.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 9/2016)