Verlorene Zeit – so stufen viele Kunden die Minuten ein, die sie nach dem Bezahlen des Programms vor der Waschanlage fingertrommelnd verbringen, in der Hoffnung, endlich an die Reihe zu kommen. Um die nervtötende Wartezeit in eine wohltuende Auszeit zu verwandeln, hat sich Washtec überlegt, den Vorgang umzukehren: An der Pilotstation der EFA-Tankstellenbetriebe in der Wolfartsweierer Straße in Karlsruhe bezahlt der Kunde, während sein Auto gewaschen wird, im Shop.
Es komme nicht von ungefähr, erklärt Stationspächter und Tankstellennovize Rudi App, dass Wash & Pay an seiner erst 2016 neu gebauten Station am Karlsruher Ostring getestet wird und deutet auf Ralph Benz, seines Zeichen Servicetechniker für alle EFA-Stationen. „Washtec hat für dieses Projekt einen Ansprechpartner auf Augenhöhe gesucht und ihn in Herrn Benz gefunden. Er ist voll in der Materie, kann Anlagen selbst reparieren und hat die technischen Standards hier geprägt“, lobt App. Doch der Rühmende muss sich ebenfalls nicht verstecken; vor seinem Eintritt ins Tankstellengeschäft hat er in der Raiffeisenorganisation im Management gearbeitet. Man ahnt, dass das Techniker-/ Manager-Duo prädestiniert ist, hier das Projekt Wash & Pay zu pilotieren.
Transparenz bei Preis und Zeit
Und das funktioniert so: Vor der Einfahrt der Portalwaschanlage, einer Softcare² Pro XL, steht ein Automat mit Touchscreendisplay, der zwei Auswahlmöglichkeiten gestattet. Die eine ist für die gängige Methode: Der Kunde hat seine Wäsche am POS gekauft und scannt den Barcode der Rechnung, um die Wäsche zu starten. Die andere Option ist neu. Der Fahrer muss nicht mehr erst in den Shop, sondern kann seine Wäsche hier am Terminal auswählen. Als Sockel dient ein Basisprogramm für 8,95 Euro, das um Felgenreiniger, Unterbodenwäsche (je zwei Euro), Abperlwachs + Hochdruck und Lackglanz + Hochdruck (je 2,50 Euro) ergänzt werden kann. „Anders als am POS haben die Fahrer am Automaten Freude daran, Optionen hinzuzubuchen“, hat App beobachtet.
Transparenz schafft nicht nur die genaue Auszeichnung der Leistungen, sondern auch die Angabe der benötigten Zeit. Braucht die Anlage für das Basisprogramm knapp neun Minuten, sind es beim All-inclusive-Durchgang mehr als 15 Minuten. Diese Zeit verbringt der Kunde nach dem Bezahlen meist am Auto. Beim neuen Prozess startet er aber erst den Waschbetrieb und anschließend geht er mit einem BonAusdruck an den POS zum Zahlen.
Wartezeit im Shop auskosten
Damit er von dort nicht sofort wieder zum Auto zurückhetzt, hat die EFA-Tankstelle über dem Tabakwarenregal einen Monitor aufgehängt, der den Waschkunden (aber auch alle, die mit einer Wäsche liebäugeln) per Livebild informiert, wie lange sein Programm noch dauert. Sieht er dort eine zweistellige Minutenzahl eingeblendet, könnte er sich die Wartezeit bei einem Kaffee oder einem Snack versüßen, so die Idee. Insbesondere an der hiesigen Station lockt ein verführerisches Angebot einer integrierten Bäckerei, das im 90 Quadratmeter großen Bistro in gediegener Atmosphäre verspeist werden kann.
Rund ein halbes Jahr nach der offiziellen Eröffnung ist Betreiber App mit den durchschnittlich 22 Wäschen pro Tag einverstanden, verspricht sich zum Jahresende aber eine Steigerung auf 30 als „worst case“, wie er es nennt. Noch wichtiger ist ihm, dass die Kunden den umgedrehten Bezahlprozess verinnerlichen. Aktuell nutzen erst zehn Prozent das Wash-&-Pay-Verfahren. „Unser Ziel lautet 35 Prozent Wäschen über den Apparat im ersten Jahr, im zweiten sollten es dann schon 50 Prozent sein“, kalkuliert App.
Die Kunden will er dafür nicht an der Anlage selbst gewinnen, denn dort seien sie in ihrem gewohnten Ablauf gefangen. Stattdessen teilt er ihnen am POS ihre Ersparnis mit: „Dann sagen wir ihnen: ‚Sie stehen nur einmal an – und zwar draußen!‘“. Dass das ein mühsamer Prozess werden kann, davon kann EFA-Techniker Benz ein Lied singen. Er erinnert sich daran, als die Barcodes vor einigen Jahren das Eintippen von Zahlen obsolet gemacht haben. „Das haben wir demselben Kunden ein Jahr lang erklärt – und dann versucht er im zweiten, immer noch irgendetwas einzutippen.“
Doch auch für diejenigen, die aus ihren Handlungsmustern nicht so leicht ausbrechen, hat Betreiber App eine Idee: „Sehen wir den erhofften Trend nicht, werden wir einen sogenannten Veränderungskaffee anbieten. Wer sein Programm am Automaten löst, bekommt gratis einen Kaffee.“ Sind die Kunden erst einmal umerzogen, erhöht sich auch der Durchfluss an der Waschanlage. Worüber sich App schon jetzt freut: „Mit Wash & Pay betreiben wir einen gesellschaftlichen Vertrauensvorschuss. Und wissen Sie was? Es hat nicht einen einzigen Wegfahrer gegeben.“
(Autor: Michael Simon; der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 7/2017.)