„Noch mehr Bürokratie!“ – wird sich so mancher Tankstellenbetreiber gedacht haben, als Anfang des Jahres das Mindestlohngesetz in Kraft getreten ist. Richtig ist, dass die damit verbundene Dokumentationspflicht tatsächlich mehr Arbeit bedeutet. Richtig ist aber auch, dass der Mindestlohn in vielen Fällen vermutlich nicht eingehalten werden würde, wenn die Arbeitsstunden nicht ordentlich erfasst würden. So argumentierte jüngst Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und ergänzte: „Ich muss sagen, dass ich die Dokumentationspflichten für angemessen und notwendig halte.“
Doch für welche Arbeitskräfte ist die Zeiterfassung überhaupt notwendig? Die Dokumentation der Arbeitszeit gilt in der Tankstellenbranche grundsätzlich nur für geringfügig Beschäftigte im Sinne des Paragrafen 8 Absatz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch. Betreiber müssen also lediglich dafür Sorge tragen, dass die Mini-Jobber ihre Arbeitszeiten dokumentieren.
Natürlich gibt es – wie so oft – Ausnahmen: Dazu können unter Umständen Stationen gehören, die von einem Logistikunternehmen betrieben werden, da Speditions- und Transportunternehmen unter das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz fallen. Auch das Gastronomiegewerbe wird in diesem Gesetz als gefährdeter Wirtschaftsbereich gelistet. Allerdings zählen Tankstellen, die neben dem Shop auch ein Bistro oder Restaurant führen, erst dann zum Gaststättengewerbe, wenn die Gastronomie den Schwerpunkt der Tätigkeit bildet. Nur in diesen Ausnahmefällen müsste die Arbeitszeit aller Beschäftigten erfasst werden.
Keine offiziellen Vorlagen
Wie die Dokumentation konkret aussehen soll, wird im Mindestlohngesetz zwar beschrieben, allerdings nur kurz und knapp. Hier heißt es in Paragraf 17, dass „Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit“ aufzuzeichnen sind. Und weiter: Der Betreiber hat spätestens sieben Tage nach Ablauf der Arbeitsleistung Zeit, seiner Aufzeichnungspflicht nachzukommen. Die Dokumente müssen mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. „Jeder Arbeitgeber, der zur Dokumentation verpflichtet ist, muss die Durchführung selbst in die Hand nehmen“, erklärt Susanne Hof, Rechtsanwältin in der Kanzlei Dr. Goebel Rechtsanwälte in Hamburg. Dabei sei er an keine besondere Form gebunden, solange alle vom Gesetzgeber geforderten Daten enthalten sind.
Im Internet kursieren verschiedene Muster, die von einer einfachen Tabelle mit den vier erforderlichen Spalten Datum, Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit bis zu aufwändigen Varianten reichen. So stellt beispielsweise das Bundesministerium für Arbeit und Soziales auf der Internetseite der-mindestlohn-gilt.de ein PDF zum Download zur Verfügung. Auch einige Branchenverbände wie die IG Esso haben für ihre Mitglieder eine entsprechende Liste entwickelt. Die Aufzeichnung kann wie in diesen Fällen schriftlich erfolgen. Ebenso möglich ist die elektronische Variante, für die einige Anbieter komplexere Lösungen entwickelt haben.
Obwohl der Gesetzgeber nur die genannten Informationen abfordert, können Betreiber ihre Liste durch weitere Daten ergänzen. Optionale Spalten sind „Pause“, „Abwesenheiten aufgrund von Krankheit, Urlaub, Feiertag“ oder „Bemerkungen“. Solche zusätzlichen Informationen erhöhen zwar den Aufwand, führen aber unter Umständen dazu, dass die Dokumentation transparenter und nachvollziehbarer wird. Zu einer höheren Glaubwürdigkeit kann es ebenfalls beitragen, wenn der Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Arbeitszeiten mit Unterschrift abzeichnen, auch wenn das ebenfalls nicht notwendig ist.
Wenn der Zoll kommt
Dieser Mehraufwand könnte sich jedoch dann lohnen, wenn der Zoll für die Betriebsprüfungen vor der Tür steht. Ob die Beamten in ihrer Dienstkleidung auftreten, wie viele Prüfer tätig werden und wie lange die Kontrolle dauert, ist vom Einzelfall abhängig. Klar dagegen ist: Sie haben das Recht, die Geschäftsräume zu betreten, den Betreiber und die Angestellten zu befragen sowie Einsicht in die Unterlagen zu nehmen. Auf Verlangen des Zolls muss der Betreiber unter anderem auch die Arbeitsverträge beziehungsweise die Dokumente, aus denen wesentliche Inhalte des Beschäftigungsverhältnisses hervorgehen, erforderliche Arbeitszeitnachweise sowie Lohnabrechnungen und den Nachweis für die erfolgte Lohnzahlung vorlegen können.
Ein Verstoß gegen die Dokumentationspflicht wird vom Gesetzgeber als Ordnungswidrigkeit geahndet. Laut Paragraf 21 Absatz 1 Nummer 7 und 8 Mindestlohngesetz handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig eine Aufzeichnung nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erstellt hat. Ebenfalls ordnungswidrig verhält sich der Arbeitgeber, wenn er die Dokumente gar nicht oder nicht mindestens zwei Jahre aufbewahrt. Darüber hinaus muss der Tankstellenbetreiber sicherstellen, dass er die Unterlagen jederzeit vollständig und in vorgeschriebener Weise vorlegen kann. Die genannten Verstöße können mit einer Geldbuße von bis zu 30.000 Euro geahndet werden (Paragraf 21 Absatz 3 Mindestlohngesetz).
„Je ordentlicher und transparenter die Dokumente geführt sind, desto glaubhafter ist es, dass der Betreiber sich an alle Vorgaben hält“, sagt Hof. Und so ist auch der Rat der Rechtsanwältin, wie Betreiber sich am besten auf die Zollprüfung vorbereiten können, simpel: Mindestlohn zahlen, Dokumentationspflicht erfüllen, Unterlagen bereithalten. Das bedeutet zwar im Alltag mehr Arbeit. Die zahlt sich aber bei der Zollkontrolle in jedem Fall aus.
(Veröffentlicht in tankstellen markt 6.2015, Annika Beyer)