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Ein Kommentar von Prof. Dr. Kai Lucks: Vom Energie-Dilemma zum Energie-Desaster

24.03.2022 10:56 Uhr
Klimawandel Verschmutzung CO2
Deutschland hat sich sehenden Auges von einem Energie-Dilemma in ein Energie-Desaster manövriert.
© Foto: animaflora/Fotolia

Prof. Dr. Kai Lucks, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Mergers & Acquisitions, gibt eine Einschätzung zur zugespitzten Situation mit Russland bezüglich der Energielieferung ab.

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„Deutschland hat sich sehenden Auges von einem Energie-Dilemma in ein Energie-Desaster manövriert. Zur Umsetzung unseres Energiewandels mit dem Zieljahr 2050 fehlen uns schlichtweg fünf Millionen Fachkräfte bei Planung, Genehmigung und Bau. Den jetzigen Erpressungsversuch durch Putin mit der Forderung, seine Gasrechnungen mit Rubel zu bezahlen, dürfen wir uns keinesfalls beugen. Das ist russischer Vertragsbruch. Wir finanzieren damit auf direktem Wege Putins Krieg gegen die Ukraine.

Die Reibereien um die russischen Gaslieferungen werden so oder so in Kürze zur Kündigung der Verträge führen – sei es durch Russland oder durch uns. Wir haben uns verpflichtet, die Energiewende umzusetzen und dazu stehen wir auch. Dass wir uns mit der internen Genehmigungslage verheddern und die kritischen Randbedingungen zur Umsetzung auf so krasse Weise fehleingeschätzt haben, ist nicht Putins Schuld, sondern geht allein auf unser Konto. Um den Ausstieg aus russischem Gas und die Umsetzung der Energiewende realisieren zu können, müssen alle Möglichkeiten zur Überbrückung genutzt werden, insbesondere die Verlängerung der Laufzeiten von Kohlekraftwerken und auch der Weiterbetrieb von drei Kernkraftwerken als Brückentechnologie, bis wir über die entsprechende regenerative Versorgung verfügen. 

Soweit es um Gas als Überbrückungsenergie zum unvermeidbaren Betrieb von Back-up-Kraftwerken geht, werden bei hoher Nachfrage und wenn weder Wind noch Sonne die notwendigen Energien liefern, alle vertraglichen Möglichkeiten zur Gasversorgung durch Dritte geprüft und kontrahiert werden. Dazu gehört vor allem die Möglichkeit der Belieferung von Liquid Natural Gas (LNG) etwa aus den USA. Da uns die Anlagen zur Übernahme von LNG fehlen, müssen wir die anderen in Europa bestehenden Hafenanlagen zur Übernahme von LNG mitbenutzen. Das Gas kann über die bestehenden internationalen Leitungen nach Deutschland transportiert werden.

Verbunden mit allen Möglichkeiten der Energieeinsparung, zu denen sich jeder einzelne Bürger unseres Landes nach seinen Möglichkeiten verpflichten sollte, werden wir in der Lage sein, alle drei Ziele, die wir verfolgen müssen, auch umzusetzen:

- die Energiewende
- die Lösung von der energetischen Abhängigkeit gegenüber Russland
- eine dennoch abgesicherte Energieversorgung.

Das Zieljahr 2050 zur Umsetzung der Energiewende werden wir nur erreichen, wenn uns die fehlenden fünf Millionen Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Es ist bitter, es ist traurig, es ist aber vielleicht die einzige Lösung, die sich nach heutiger Einschätzung anbietet: Die Einstellung ukrainischer Arbeitskräfte, solange sie in Deutschland leben, und hoffentlich auch, wenn sie in ihrer Heimat zurückkehren können. Denn von wo aus sie arbeiten ist letztlich sekundär. Wir sind alle Europäer, die für die freiheitlich-demokratische Grundordnung stehen. Wir sind gemeinsam für die ökologische Wende Europas verantwortlich. Und wir sind Freunde, die in diesen Werten zusammenstehen. Die Ukraine braucht Deutschland. Deutschland braucht die Ukraine. Und jeder hat sein Recht auf Heimat, die wir interimistisch oder auf Dauer auch anbieten können.“ (red)

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