Zum zweiten Mal haben sich Entscheidungsträger aus Forschung, Politik und Wirtschaft im französischen Montbéliard getroffen, um sich über Möglichkeiten und Wege auszutauschen, Wasserstoff als Energieträger der Zukunft zu etablieren.
Der anwesende Wirtschaftswissenschaftler Navir Radjou sieht im Wasserstoff einen "strategischen Hebel für eine sparsame Wirtschaft". Bevor dieser strategische Hebel jedoch in Aktion treten und damit auch den Verkehrssektor nachhaltig prägen kann, müssen noch viele Hürden genommen werden. Wie das konkret aussehen könnte, wurde auf dem diesjährigen Hydrogen Business For Climate Forum diskutiert.
Ökologischen Wandel beschleunigen
Auftrieb für die Technologie gibt es derzeit auch aus Brüssel. Dort will man den Fehler aus der Vergangenheit nicht wiederholen und hat mit dem vor wenigen Monaten ins Leben gerufenen Repower EU-Plan ein Instrument geschaffen, den ökologischen Wandel zu beschleunigen und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit des EU-weiten Energiesektors zu steigern. Der Plan sieht unter anderem eine lokale Elektrolyseproduktion sowie Importe aus Ländern mit Erneuerbare Energien im Überfluss. Bis 2027 plant die Europäische Union, ihre Industrie mit jährlich zehn Millionen Tonnen erneuerbarem Wasserstoff zu versorgen.
Besonders im Schiffs-, Lkw- und Zugverkehr spielt Wasserstoff in Verbindung mit einer Brennstoffzelle seine Stärken aus. "Wir glauben, dass die Verwendung von schwerer und intensiver Mobilität im Zusammenhang mit Wasserstoff kurz vor dem Abheben steht", erklärte McPhy-Geschäftsführer Jean-Baptiste Lucas den anwesenden Forum-Teilnehmern – und hat die Argumente auf seiner Seite.
Prädestiniert für den Flotteneinsatz
Allein im Bereich der Nutzfahrzeuge mit weniger als sechs Tonnen Gewicht sind bis 2030 bereits neue 50 Wasserstoff-Modelle angekündigt, wobei nicht auszuschließen ist, dass sich diese Zahl noch erhöhen wird. Gerade wenn es darum geht, einen kontinuierlichen Betrieb der Fahrzeugflotte zu gewährleisten, ist der Wasserstoffmotor, bzw. die Brennstoffzelle dem klassischen Elektroauto überlegen, da im Gegensatz zum Aufladen der Batterie kaum Zeit zum Nachtanken des Wasserstoffs benötigt wird. In Montbéliard warb so manches Unternehmen damit, innerhalb von drei Minuten Wasserstoff für mehrere hundert Kilometer tanken zu können.
Auch im Fernverkehr scheint man mit der Wasserstoff-Alternative zunehmend experimentierfreudig, was auch daran liegt, dass der Durchbruch des Elektro-Lkw weiter auf sich warten lässt. Schwächen offenbart der Schwerlast-Stromer neben dem nur schwer realisierbaren kontinuierlichen Betrieb auch beim absurd hohen Gewicht der Traktionsbatterie: Bei einer kolportierten Reichweite von 1.000 Kilometern wiegt diese fünf bis sieben Tonnen – zu viel in den Augen so manchen Spediteurs.
Angesichts der EU-Vorgabe, den CO2-Ausstoß schwerer Nutzfahrzeuge bis 2030 zu reduzieren, braucht es aber gerade in diesem Bereich tragfähige Lösungen – und eine davon könnte eben im Wasserstoff liegen. Bis die Technologie im Tagesgeschäft angekommen und die zahlreichen Hürden genommen sind, ist jedoch noch ein weiter Weg zu gehen.
Alina Richter von E-Mobil BW, die dem Hydrogen Business For Climate Forum online zugeschaltet war, sieht vor allem in der Wasserstoff-Infrastruktur noch Probleme. "Busse und Autos können wegen der unterschiedlichen Druckverhältnisse nicht an der gleichen Wasserstoff-Station tanken", so die Expertin für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie. Ein weiteres Problem ist der Preis: Zwischen 2,80 und 6,20 Euro werden derzeit noch für ein Kilo grünen Wasserstoff fällig.
Champagner der Energiewende?
Grüner Wasserstoff wird von Kritikern daher oft auch als "Champagner der Energiewende" verschrien. Grund für die hohen Produktionskosten ist das äußerst energieintensive und dementsprechend teure Elektrolyseverfahren, für dessen Herstellung beim grünen Wasserstoff ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien verwendet wird. Angesichts der aktuellen Klimaschutzbestrebungen und der damit verbundenen Dekarbonisierungs-Bestrebungen die einzig sinnvolle Art der Wasserstoffgewinnung.
Dennoch gilt es nun, die Produktionskosten auf ein verkraftbares Maß zu reduzieren, Speichermöglichkeiten und Zertifizierungssystem zu entwickeln und die für den Transport notwendige Infrastruktur auszubauen. Konstrukteure, Teilehersteller und Zulieferer für die Fahrzeugindustrie sind hier genauso gefragt wie die Wasserstoffproduzenten selbst, sowie die Politik, den entsprechenden Rahmen zu gestalten. Auf dem Hydrogen Business For Climate Forum wähnt man sich hierfür auf einem guten Weg. Sind diese Hürden erst einmal genommen, scheint ein umweltverträglicher und reichlich vorhandener Energieträger gefunden, der auch im Verkehrssektor im großen Stil eingesetzt werden könnte.