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Interview: „Große Chance, Güterverkehr sauberer zu machen“

13.06.2019 10:11 Uhr
Interview: „Große Chance, Güterverkehr sauberer zu machen“
Die Shell-Station in Hamburg war die erste fest installierte öffentliche Markentankstelle mit LNG in Deutschland, an der es auch alle anderen Shell-Kraftstoffe und Shop-Angebote für Auto- und speziell Lkw-Fahrer gibt.
© Foto: Shell

Im Herbst 2018 hat Shell die erste fest installierte öffentliche Markentankstelle mit LNG in Deutschland in Betrieb genommen, weitere Standorte sollen in diesem Jahr folgen. Welche Pläne die MÖG noch hat, erklärt Jochen Momberger, Business Development Manager LNG for Transport bei Shell in Deutschland, im Interview.

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Herr Momberger, welche Rolle spielt LNG innerhalb des Shell-Konzerns?
Shell ist ein weltweit führender und seit Jahrzehnten etablierter Akteur im LNG-Markt. Wir sind in jeder Phase der LNG-Wertschöpfungskette involviert: vom Auffinden und der Gewinnung von Gas über dessen Verflüssigung und Transport bis hin zur Regasifizierung und Distribution zum Kunden. Mit LNG für den Transportsektor können und wollen wir einen Beitrag leisten, dieser alternativen emissionsärmeren Antriebstechnologie zum Durchbruch zu verhelfen und die Umwelt trotz weiter steigendem Güterverkehr auf den Straßen zu entlasten. In die Zukunft geschaut wollen wir mit dem Einsatz von Bio-LNG den Straßengüterverkehr noch nachhaltiger machen. Deswegen führen wir das BioLNG-Euronet-Konsortium an, bestehend aus Shell, Disa, Scania, Iveco und Nordsol.

Welches Ziel verfolgt das Konsortium?
Gemeinsam wollen wir mit einzelnen Aktivitäten 2.000 weitere LNG-Lkw auf die Straßen bringen, 39 LNG-Tankstellen bauen und eine Bio-LNG-Produktionsanlage in den Niederlanden errichten, wo wir bereits jetzt sieben LNG-Standorte haben. Auch in Deutschland sind wir entschlossen, den Ausbau des LNG-Tankstellennetzes zügig weiter voranzutreiben.

Dazu braucht es auch die Unterstützung aus der Politik. Was würden Sie sich von Berlin wünschen?
LNG für den Transportbereich ist eine erprobte und marktreife Technologie und kann sofort dazu beitragen, die Emissionen des Sektors zu senken. Die Politik hat dieses Potenzial erkannt. Die im Jahr 2018 von der Bundesregierung aufgelegten Förderungen der LNG-Lkw-Anschaffung sowie die Mautbefreiung haben den Markthochlauf beflügelt. Um diese Etablierung nun nicht abzuwürgen, ist es notwendig, diese Unterstützung über das Jahr 2020 hinaus zu gewährleisten. Deutschland würde sonst eine große Chance verpassen, den schweren Güterfernverkehr zeitnah sauberer zu machen. Je schneller sich der Bund zur Verlängerung durchringen kann, desto besser, denn die Unternehmer treffen Kaufentscheidungen für Fahrzeuge mit circa einem Jahr Vorlauf. Weiter in die Zukunft gesehen wäre auch ein Fortbestand der günstigen Besteuerung gasbasierter Kraftstoffe hilfreich. Nachbarländer wie Belgien oder Italien sind im Sinne des Klimaschutzes und ihrer Transportwirtschaft diesbezüglich tatkräftiger als Deutschland.

Trotz der Unsicherheit, was die Förderung nach 2020 betrifft, hat Shell im Herbst 2018 die erste fest installierte öffentliche Markentankstelle mit LNG in Deutschland eröffnet. Warum an diesem Standort?
Die Station am Georgswerder Bogen liegt in unmittelbarer Nähe zu den Autobahnkreuzen in Hamburgs Süden und ist damit ein wichtiger Tankspot für den Güterverkehr im, vom und zum Hamburger Hafen.

Wer tankt denn an dieser Station LNG?
Die LNG-Anlage ist auf 5.000 Tonnen im Jahr ausgelegt und kann so gut 150 Trucks pro Tag betanken. Nach einem halben Jahr des Betriebs sind wir positiv überrascht über die Entwicklung. Denn bereits nach so kurzer Zeit kommen pro Tag bis zu 70 LNG-Lkw zum Tanken und wir sehen weiterhin zügigen Anstieg, da sich immer mehr Speditionen in Norddeutschland für LNG entscheiden.

Welche Summe hat Shell in den Bau des Standortes investiert?
Die Investitionen für eine LNG-Tankstelle, wie wir sie bauen, liegen bei mehr als einer Million Euro. Shell setzt sehr hohe Standards, was Sicherheit und Umweltaspekte anbelangt. So unterscheiden sich unsere Anlagen von anderen zum Beispiel darin, dass wir den LNG-Tank mit Stickstoff kühlen, um langsame Erwärmung und damit potenziellen Methan-Austritt zu unterbinden. Da wir ein mehr oder weniger standardisiertes Anlagendesign verfolgen, werden die Kosten pro Station relativ gleich sein und lediglich aufgrund spezifischer örtlicher Besonderheiten variieren.

Wird der Bau einer Station mit Fördergeldern unterstützt?
Das Projekt BioLNG-Euronet wird mit EU-Mitteln aus der Connecting Europe Facility (CEF) für den Verkehrssektor gefördert. Als führendes Mitglied des BioLNG-EuroNet-Konsortiums erhalten wir ebenso wie unsere Konsortialpartner 20 Prozent der EU-Mittel für die Kosten unserer jeweiligen Verpflichtungen.

Wie läuft der Bau einer LNG-Tankstelle ab?
LNG ist in Deutschland noch ein recht neues Thema und der Bau von Tankanlagen damit für Behörden Neuland. Zudem gibt es keinen bundesweit einheitlichen Ablauf der Genehmigungsverfahren und der einzubeziehenden Behörden und so weiter. Entsprechend war der Vorlauf für die erste Station dieser Art in der Republik relativ lang: Von Einreichung der Anträge bis Erstbetankung hat es rund neun Monate gedauert. Wir sehen aber schon jetzt, dass Erfahrungen effektiv ausgetauscht werden und auch die Zusammenarbeit zwischen Behörden viel reibungsloser geworden ist, so dass wir bei den kommenden Stationen deutlich schneller werden.

Es sind also weitere Standorte geplant?
Richtig. Für dieses Jahr stehen die Standorte Lehre an der A2 in Niedersachsen, Recklinghausen (ebenfalls A2, NRW), Hermsdorfer Kreuz (A4/A9, Thüringen) sowie Köln-Godorf (A555/A4, NRW) auf dem Programm. In Lehre haben wir die Arbeiten bereits begonnen und wollen im Sommer eröffnen. Für die anderen Standorte sind die Bauanträge gestellt beziehungsweise in den letzten Zügen der Vorbereitung. Auch die Planung für 2020 läuft auf Hochtouren.

Welche Faktoren spielen bei der Standortwahl eine Rolle?
Natürlich ist wichtig, dass Kunden im Einzugsbereich sind und die Standorte an Strecken des Güterfernverkehrs liegen. Zusätzlich muss eine Station genügend Platz bieten. Grundsätzlich streben wir in dieser Phase und im Rahmen des BioLNG-Euronet-Projekts insgesamt 39 Stationen – davon zehn in Deutschland – von Spanien bis nach Ostpolen in Abständen von circa 400 Kilometern an. Die Anlagenkapazitäten werden ähnlich sein.

Woher stammt das LNG, das Shell in Deutschland verkauft?
Die Hamburger-Station wird aus dem Gate-Terminal in Rotterdam versorgt, das sein LNG wiederum aus dem Weltmarkt bezieht. Die größten LNG-Exporteure sind Katar, Australien und Malaysia, wobei für Europa schon aufgrund der Nähe auch Exporteure wie Norwegen und Algerien eine wichtige Rolle spielen. Im Rahmen des BioLNG-Euronet-Projekts baut unser Konsortialpartner Nordsol außerdem eine 3.000-Tonnen-Bio-LNG-Anlage in den Niederlanden, aus der künftig dieser klimaneutrale Kraftstoff unserer Versorgung zugesteuert werden soll. Das wird den Verkehr mit LNG noch sauberer und nachhaltiger machen.

(Das Gespräch führte Annika Beyer.)

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