Herr Brok, Ende 2015 verlassen Sie Aral. Warum?
Weil ich wieder stärker operativ und näher am Kunden und am Markt arbeiten möchte. Denn Kunde und Markt bestimmen unser Geschäft. BP ist ein tolles, sehr erfolgreiches Unternehmen mit hervorragenden Werten. Wenn es uns gelingen würde, diese vorbildhaft zu leben, hätten wir ein Riesenpotenzial. Leider sind wir manchmal zu sehr mit uns selbst beschäftigt.
Wie hat man Ihre Entscheidung aufgenommen?
Als ich es zuerst unseren Markenhändlern mitgeteilt habe, war das sehr emotional für unsere Kunden und auch für mich. Und viele waren überrascht, dass ich so offen war. Ich bin ein Freund direkter Worte. Damit können viele gut, einige aber auch weniger gut umgehen. Meiner Meinung nach kommt man so aber schneller weiter.
Und was sind Ihre Pläne für die Zeit nach Aral?
Ich bin ein Kind des Mineralölmarktes und mag den „Duft“ von Öl und Benzin. Schon mit zehn Jahren habe ich mein erstes Geld an der Tankstelle mit Autovorwaschen verdient und während des Studiums Praktika in der Branche gemacht. Auch meine Diplomarbeit habe ich über Wettbewerbsprobleme des sich wandelnden Mineralölmarktes geschrieben und verdiene heute noch mein Geld damit. Ich werde der Branche treu bleiben und künftig wieder operativer nah am Kunden und am Markt arbeiten.
Sie blicken auf 15 Jahre bei Aral zurück. Wie hat sich in dieser Zeit aus Ihrer Sicht die Branche verändert?
Erst einmal ist der Konsum von Kraftstoff deutlich zurückgegangen. Dieser Trend wird sich fortsetzen. Dadurch ist der Wettbewerb deutlich intensiver geworden. Das sehen Sie heute an den täglichen Preisveränderungen und dem rückläufigen Tankstellennetz. 1974 gab es etwa eine Preiserhöhung im Monat. Vor 15 Jahren hatten wir dann einen Tankstellenpreiskrieg, als die DEA Payback eingeführt hat. Da waren die Margen sehr niedrig und der Markt sehr aggressiv. Das führte zu zwei bis drei Preisanpassungen in der Woche. Heute sind es zwei, drei Anpassungen am Tag nach oben und drei bis fünf nach unten.
Und welche Veränderungen beschäftigten Sie unabhängig vom Kraftstoff?
Das Convenience-Geschäft und damit verbunden der Bistrobereich, aber auch Themen wie Kundenbindungssysteme und Tankkarten sind wichtiger geworden. Ein weiterer bedeutender Punkt ist, dass die Qualität von mittelständischen Tankstellennetzen deutlich verbessert wurde. Das heißt, der Abstand zu den großen Markengesellschaften ist deutlich geringer geworden. Vor 15 Jahren haben die Großen die Standards und die Trends vorgegeben. Heute ist der Mittelstand sicherlich auf einem ähnlichen Niveau und setzt ebenfalls Trends.
An vielen Tankstellen der A-Gesellschaften hat man umgekehrt den Eindruck, dass die Qualität gesunken ist …
Absolut. Aral war früher eine deutsche Vertriebsgesellschaft, bei der der Kunde im Fokus stand. Heute ist Aral die Tochter des internationalen Unternehmens BP. Wenn wir Investitionsmittel haben wollen, beispielsweise für einen Neu- oder Umbau einer Tankstelle, dann stehen wir im Wettbewerb mit anderen Projekten innerhalb des Konzerns. Das führt dazu, dass wir immer wieder um Investitionsmittel für unseren Tankstellenbereich kämpfen müssen.
Würden Sie sagen, dass Sie damit erfolgreich waren?
Ja und nein. Nachdem ich vor acht Jahren dafür verantwortlich wurde, haben wir Mittel bekommen, auch um Stationen zu bauen und unser Netz mit mittelständischen Händlern deutlich auszuweiten. Andererseits gab es auch Projekte und Aktivitäten, die wir aufgrund von Budgetrestriktionen verschieben oder aufgeben mussten.
Höre ich da eine gewisse Unzufriedenheit raus?
Nein. Wenn man keine oder nur begrenzte Mittel hat und trotzdem gut im Markt sein will, muss man eben andere Modelle finden. Wir haben deshalb unser Geschäft mit mittelständischen Händlern deutlich ausgeweitet. Vor acht Jahren waren es noch gut 50 Stationen, heute sind es über 500. Der Punkt ist: Wenn wir einen Vertrag mit einem Mittelständler machen, dann gehört uns nur die Marke. Unser Investment ist praktisch nur das Blaue an der Tankstelle, das sind Investitionen in Höhe von etwa 50.000 bis 100.000 Euro, abhängig von der Größe der Station. Wenn man eine komplette Tankstelle bauen will, dann kostet das etwa zwei Millionen Euro. So konnten wir mit den begrenzten Mitteln erheblich mehr Tankstellen akquirieren und unter unser Dach bringen.
Wenn Sie selbst an einer Tankstelle sind: Worauf achten Sie?
Ich gehe auf die Toilette und schaue, ob sie sauber ist. Und der Gesamteindruck ist wichtig, zum Beispiel ob die Regale so gefüllt sind, dass keine Lücke vorhanden ist, oder ob die Vitrine mit den zu der Tageszeit passenden Produkten bestückt ist. Weiterhin ist mir wichtig, dass der Service stimmt und dass ich freundlich begrüßt werde.
Gucken Sie sich denn auch bei der Konkurrenz um?
Natürlich. Dadurch können wir ja etwas lernen. Wir sind schließlich nicht immer das Nonplusultra. Zumal wir mit der Konkurrenz nicht nur im Wettbewerb um die Endverbraucher stehen, sondern auch um die richtigen Tankstellenbetreiber. Für mich sind unsere Partner unsere Helden draußen vor Ort. Deshalb bin ich stolz darauf, dass wir in den letzten acht Jahren das Einkommen von Partnern an den gesellschaftseigenen Stationen im Durchschnitt von etwa 40.000 Euro auf heute knapp 60.000 Euro steigern konnten.
Was zählen Sie noch zu Ihren Erfolgen?
Ein Erfolg ist, dass wir die Ergebnisse im Tankstellenbereich in den letzten Jahren auf einem positiven und stabilen Niveau gesichert haben. Außerdem ist es uns gelungen, die Tankstelle wieder ganzheitlich zu betrachten. Es gab eine Phase in der Aral-Geschichte, in der wir uns nur auf den Shop konzentriert haben. Jetzt haben wir den Fokus auf der Tankstelle als Gesamterlebnis.
Gab es auch etwas, das Sie ausprobiert haben, und das Ergebnis war nicht zufriedenstellend?
Ja. Vor etwa sechs Jahren hatten wir bei Aral ein Angebot für ein Fuhrparkmanagement für gewerbliche Kunden. Das lief über eine Aral-Tochtergesellschaft, die wir an einen mittelständischen Partner verkauft haben, weil wir dachten, dass es dort erheblich besser und günstiger laufen würde. Das Unternehmen hat dieses Geschäft aber nicht erfolgreich geführt und sich dann letztendlich davon getrennt. Mir tat es vor allem für die Mitarbeiter leid, weil das Aral-Mitarbeiter waren, die dann in die Tochterfirma gingen und dann noch mal weitergereicht wurden – und natürlich auch für die Kunden, die nicht mehr die gewohnte Aral-Servicequalität bekamen.
Unabhängig von Ihrer Arbeit als Aral-Chef: Hatten Sie mal privat ein Erlebnis an einer Tankstelle, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Neulich habe ich meine Tochter nach Budapest gebracht und bin in Passau rausgefahren, um an einer Aral-Tankstelle eines Partners zu tanken und zu essen. Meine Tochter musste danach auf die Toilette und sollte 50 Cent zahlen. Das kann meiner Meinung nach nicht angehen. Es gibt aber umgekehrt auch viele positive Geschichten.
Zum Beispiel?
Meine Kinder hatten uns mal aus Versehen an einer Tankstelle in Düsseldorf aus dem Auto ausgesperrt. Wir hatten kein Geld und konnten uns nicht ausweisen. Bis mein Schwiegervater den Ersatzschlüssel gebracht hatte – er musste dafür 200 Kilometer fahren –, hatten wir „auf Pump“ einen richtig schönen Nachmittag an einer Aral-Tankstelle. Das war ein tolles Erlebnis.
Lassen Sie uns noch mal in die Zukunft blicken: Welche Ratschläge geben Sie Ihrem Nachfolger Patrick Wendeler an die Hand?
Der Kunde steht im Mittelpunkt. Und wir sollten unsere Partner immer fair behandeln. Denn die Menschen machen das Geschäft und nicht irgendwelche Prozesse oder Maschinen. Ein weiterer Punkt ist, dass wir erfolgsorientiert sind. Was nutzt es, wenn wir Tankstellen betreiben, aber wir dabei nichts verdienen? Und wir sollten mit Aral immer innovative Produkte und Dienstleistungen anbieten. Und unsere tägliche Arbeit sollte Spaß machen!
Was machen Sie an Ihrem letzten Arbeitstag?
Ich werde mich auf einer Belegschaftsversammlung von meinen Kollegen verabschieden und Haribo-Tüten verteilen, damit noch ein paar Tage etwas von mir bleibt, obwohl ich schon weg bin! (ab)