Sprit+ sprach mit Orlen-Geschäftsführer Wieslaw Milkiewicz über Wachstumspläne für die Marke Star, Personalkosten in der Geschäftsplanung und die Bedeutung der Eigenmarken in Shop und Bistro.
Herr Milkiewicz, Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, mit Star die beliebteste Tankstellenmarke Deutschlands zu werden. Wie wollen Sie das erreichen?
Wir werden in Deutschland nie das größte Netz haben. Aber wir wollen die beliebteste Marke sein, indem wir Sympathie und Nähe schaffen. Wir setzen dabei auf eine Kombination aus freundlichem und kundennahem Personal und arbeiten sehr stark mit einem breit aufgestellten Eigenmarkensortiment, denn wir wollen unseren Kunden auch im Shop ein attraktives Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Außerdem machen wir einfache Mitmach-Aktionen zur Kundenbindung und verstärken aktuell unsere Tätigkeiten im Sportsponsoring und Breitensport, die uns Sympathie bringen sollen.
Wie messen Sie denn, ob diese Aktivitäten zum Erfolg führen?
Unsere Sympathiewerte und die Markenbekanntheit steigen kontinuierlich in den Bundesländern, in denen unsere Tankstellen vertreten sind. Das bestätigen verschiedene Marktforschungsstudien. Wir machen aber auch qualitative Analysen in Form von Fokusgruppenbefragungen. Aus diesen Gesprächen erhalten wir viel Material, das uns bei der Ausrichtung unserer Marke hilft. So wissen wir, wer unser Kunde ist, was er erwartet und für eine glückliche Weiterfahrt braucht. Das bieten wir ihm – nicht zu viel, nicht zu wenig, sondern genau das.
Aktuell betreibt Orlen 574 Tankstellen in Deutschland, das sind netto 17 Stationen mehr als vor zwei Jahren. Wie kam dieses Wachstum zustande?
Die Situation auf dem deutschen Markt sieht aktuell für alle positiv aus. Dadurch ist es schwierig, Tankstellen zu kaufen. Wir hatten aber Glück und konnten beispielsweise in Berlin 13 Tankstellen von Sun übernehmen. Darüber hinaus sind wir im Bereich der Einzelakquise sehr aktiv und wollen das weiterhin bleiben. Wir vergrößern das Netz also durch den Zukauf von kleinen Paketen und von einzelnen Standorten und bauen hin und wieder neue Tankstellen, zum Beispiel letztes Jahr eine in Potsdam.
Wollen Sie diesen Wachstumskurs fortsetzen?
Ja. Wir rechnen 2017 in Summe mit einem Zuwachs von etwa zehn Tankstellen.
Konzentrieren Sie sich dabei auf den Norden Deutschlands?
Nein, ganz im Gegenteil. Aus strategischen Gründen und um unsere Markenbekanntheit zu steigern, würden wir sehr gerne in der ganzen Republik präsent sein. Wir sind zum Beispiel noch gar nicht in Bayern und Baden-Württemberg vertreten. Wenn sich Möglichkeiten ergeben, würden wir im Süden sehr gerne – selbst mit einzelnen Tankstellen – Fuß fassen. Ansonsten sind wir immer interessiert an attraktiven Standorten, egal in welchem Teil von Deutschland.
Welche Strategie verfolgt Orlen im Bereich alternative Antriebe?
Wir haben über 300 Autogas- und 25 Erdgastankstellen. Im Bereich Elektromobilität setzen wir auf eine Kooperation mit Tesla Motors, mit denen wir zwei Ladestationen in Uckerfelde und Grimmen im nordöstlichen Teil von Deutschland gebaut haben. Wir stehen dem ganzen Thema also sehr offen gegenüber, genauso wie dem Antrieb mit Wasserstoff. Das beobachten wir alles sehr genau und werden dann schnell handeln können, wenn die Zeit reif ist.
Inwieweit hat die Zentrale von Orlen in Polen Einfluss auf Ihre Strategie?
Wir sind im regen Austausch und arbeiten bei strategischen Projekten eng zusammen. Dabei unterstützt uns Orlen bei unseren Wachstumszielen. Insgesamt ist unser Eigner sehr zufrieden mit unserer Entwicklung.
Für ein Wachstum brauchen Sie natürlich Partner. Wie finden Sie die?
Auf unterschiedliche Arten, beispielsweise durch Anzeigen in Fachzeitschriften oder im Internet. Manchmal bringen auch unsere Partner neue Partner mit. Außerdem stellen wir durch unsere Präsenz auf Tankstellenmessen unsere Marke vor und wollen damit das Interesse bei potenziellen Partnern wecken.
Was macht denn für Sie einen guten Partner aus?
Für mich muss ein Tankstellenpartner eine selbstständige und souveräne Persönlichkeit mit sozialer Kompetenz sein. Er muss verstehen, was verantwortungsvolles Handeln ist, und er sollte über eine kaufmännische Ausbildung verfügen. Sehr wichtig sind für mich Kundenorientierung und unternehmerisches Denken. Und er soll sich natürlich mit unserer Marke identifizieren und Interesse an der Weiterentwicklung seiner Station und natürlich auch des gesamten Unternehmens haben.
Ich habe Rückmeldung aus dem Markt bekommen, dass bei einigen Gesellschaften wie auch Orlen die Personalkosten in den Geschäftsplänen teilweise so niedrig angesetzt sind, dass oft nur eine Arbeitskraft in der Tankstelle arbeitet. Ist diese Kritik aus Ihrer Sicht berechtigt?
Die Personalplanung liegt allein im Ermessen unserer Partner. Sie müssen ihre Personalkosten im eigenen Interesse und realistisch planen. Daher kann es vielleicht vorkommen, dass hin und wieder nur eine und nicht zwei Personen in der Tankstelle arbeiten, aber das ist die Entscheidung unseres Partners unter Beachtung aller Gesetze und Verordnungen. Wie hoch die Personalkosten in den Geschäftsplänen angesetzt werden, ist das Ergebnis eines Dialogs zwischen dem Partner und uns. Es muss so kalkuliert werden, dass beide Seiten funktionieren können und beide Seiten zufrieden sind.
In letzter Zeit wurden bei der Einführung neuer Systeme, etwa beim Austausch bestehender Geräte und Reparaturen, keine oder nur ungenaue Termine vereinbart beziehungsweise Termine nicht eingehalten. Woran liegt das?
Das kann damit zusammenhängen, dass wir 2015 ein neues Kommunikationssystem namens Starlet eingeführt haben, über das der Partner zum Beispiel Stör- und Schadensfälle melden kann. Es wurde an einem Tag fast im gesamten Tankstellennetz ausgerollt. Bei der anschließenden Wartung und beim Austausch ist es zu Engpässen bei dem damals zuständigen Dienstleister gekommen. Darauf haben wir kurzfristig reagiert: Wir haben den Support für Starlet selbst übernommen und konnten die Anfangsschwierigkeiten damit schnell beheben. Dieses „In-Sourcing“ ist ein schönes Beispiel dafür, dass wir das Feedback unserer Partner ernst nehmen und es uns wichtig ist, Probleme schnell zu lösen. Ich bin der Überzeugung, dass es sich bei Starlet um ein wunderbares Kommunikationsinstrument handelt: Innerhalb eines Jahres konnten wir den Papierverbrauch in der Kommunikation mit unseren Partnern damit um rund drei Tonnen reduzieren.
Kommen wir auf das Thema Shop. Hier setzt Orlen stark auf Eigenmarkenprodukte beispielsweise bei Energydrinks, Chips und jetzt neu Kaugummis. Warum?
Mit dem kontinuierlichen Ausbau unseres Eigenmarkensortiments machen wir das Kundenversprechen von Star – „mehr als günstig tanken“ – auch im Shop erlebbar. Dabei konzentrieren wir uns auf die für die Unterwegsversorgung unserer Kunden relevanten Produkte. Das Angebot entwickelt sich wirklich sehr gut und stärkt unsere Marke Star. Gleichzeitig ist die Marge für die Tankstellenpartner sehr attraktiv. Und wir suchen laufend nach weiteren Produkten für unser Eigenmarkensortiment. Das läuft über Ausschreibungen und ist ein langer Prozess, weil wir natürlich wählerisch sind und auf die Qualität, die Preise und die Seriosität der Hersteller achten.
Wie wollen Sie sich mit Ihrem Bistrokonzept vom Wettbewerb unterscheiden?
Wir arbeiten kontinuierlich an der Weiterentwicklung des Bistrokonzeptes. Unsere Category Manager entwickeln zum Beispiel neue warme Snacks, weil wir der Meinung sind, dass ein Frühstücksangebot alleine schon lange nicht mehr ausreicht. Dazu gehört die Star-Bockwurst, die wir regional mit unterschiedlichen Geschmacksrichtungen anbieten. Außerdem schulen wir unsere Tankstellenpartner und haben ein Star Café Rezepthandbuch entwickelt, in dem zum Beispiel genau beschrieben wird, wie man unsere Snacks zubereitet, um eine gleichmäßig hohe Qualität zu sichern. Zudem bieten wir Online-Schulungen an, die aufgrund ihrer Kosten- und Zeiteffizienz sehr gerne genutzt werden. Dass wir damit auf dem richtigen Weg sind, zeigt uns die aktuelle Umsatzentwicklung, die besser als der Marktdurchschnitt ist.
(Das Gespräch führte Annika Beyer und erschien in Sprit+ 10./11.2016.)
Vita
Wieslaw Milkiewicz studierte in Posen und Bonn Psychologie und Philosophie. Anschließend arbeitete er für deutsche und internationale Firmen im Chemiebereich und unterstützte diese etwa bei der Verlagerung der Firmenaktivitäten ins Ausland. Seit 2008 ist der 49-Jährige bei Orlen Deutschland tätig, zunächst als Leiter Marketing & Public Relations und Pressesprecher, seit Ende 2010 als Geschäftsführer. Nachdem CEO Michal Brylinski Ende August das Unternehmen verlassen hatte, um sich einer neuen beruflichen Herausforderung in seiner Heimat zu stellen, übernahm Milkiewicz zum 1. September kommissarisch die Position des CEO bis die Geschäftsführung komplettiert ist.