In der neu entbrannten Debatte über mehr Klimaschutz im Verkehr lässt die Bundesregierung die Frage eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen vorerst offen. "Wir wollen ein schlüssiges Gesamtkonzept und jetzt nicht eine Diskussion einzelner Maßnahmen", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Es werde am Ende eine Gesamteinigung geben und jetzt keine politische Festlegung. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hatte Überlegungen innerhalb einer Regierungskommission bereits kategorisch abgelehnt.
Seibert erläuterte, die Koalition habe vereinbart, bis Ende Februar das weitere Vorgehen mit Blick auf ein Klimaschutzgesetz abzustimmen. Das SPD-geführte Umweltministerium wollte keine Bewertung vornehmen. Man wolle die Kommission in Ruhe arbeiten lassen, sagte ein Sprecher.
Die Kommission mit Vertretern unter anderem der IG Metall, des ADAC, von Volkswagen, Bahn und Umweltverbänden arbeitet an Vorschlägen, wie der Verkehrsbereich zu mehr Klimaschutz beitragen kann. Hintergrund sind Klimaschutz-Ziele der Bundesregierung bis 2030. Am Freitag waren Überlegungen einer der Kommissions-Arbeitsgruppen bekannt geworden – darunter ein Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen.
Scheuer wies diese Überlegungen – auch zu höheren Dieselsteuern – am Wochenende zurück. Sie seien "gegen jeden Menschenverstand" gerichtet. "Forderungen, die Zorn, Verärgerung, Belastungen auslösen oder unseren Wohlstand gefährden, werden nicht Realität und lehne ich ab". Der Verband der Automobilindustrie (VDA) wandte sich ebenfalls gegen ein Tempolimit auf Autobahnen. Dies wäre reine Symbolpolitik ohne signifikanten Effekt für die Verkehrssicherheit oder den Klimaschutz.
"Es gibt geeignetere Maßnahmen"
Der Verband verwies auf Berechnungen, wonach ein solches Tempolimit national mit Einsparungen beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxid (CO2) von weniger als einem Prozent verbunden wäre. "Es gibt geeignetere Maßnahmen für den Klimaschutz als ein generelles Tempolimit auf Autobahnen", so der VDA. Ein wichtiger Hebel sei die Digitalisierung des Straßenverkehrs. «Durch die Vernetzung von Fahrzeugen untereinander und mit der Infrastruktur kann der Verkehrsfluss verstetigt und Staus vermieden werden." Auch die Marktdurchdringung von alternativen Antrieben werde einen entscheidenden Beitrag zur weiteren Einsparung von CO2 leisten.
Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer sagte, Scheuer könne die Debatte nicht einfach wegwischen und den "Autokonzern-Fundi" geben. Es gebe viele gute Gründe für ein Limit – weniger Tote, Unfälle und Staus. "Ein großer Teil der Staus erfolgt durch Abbremsen, weil Fahrzeuge auf den Autobahnen so unterschiedliche Geschwindigkeiten haben." Eingespart würden Sprit und CO2.
Die FDP lehnte ein generelles Tempolimit dagegen ab. Auf zahlreichen Abschnitten gebe es schon Begrenzungen – vor allem dort, wo es aus Sicherheitsgründen sinnvoll ist, sagte der Verkehrsexperte Oliver Luksic. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta warnte, Mobilität teurer bis unmöglich zu machen, ohne dass dem Klimaschutz geholfen werde.
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann sagte, Tempo 130 werde zu den Maßnahmen gehören, über die debattiert werden müsse. Zugleich mahnte er, Pendler dürften nicht mit steigenden Kosten überzogen werden. (dpa)