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Langstrecken-Stromer: Im Toyota Mirai von Hamburg nach Stuttgart

20.06.2017 08:43 Uhr
Langstrecken-Stromer: Im Toyota Mirai von Hamburg nach Stuttgart
Reichweitenprobleme kennen Fahrer von Brennstoffzellenautos nicht.
© Foto: Michael Specht/SP-X

Wovon Fahrer von Batterie-Elektroautos träumen, klappt heute schon mit der Brennstoffzelle: drei Minuten tanken, 400 Kilometer fahren. Wir begaben uns auf Wasserstoff-Tour durch Deutschland – und entdeckten dabei so manch interessante Neuheit.

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Von Michael Specht/SP-X

Reichweitenprobleme? So etwas kennen Fahrer von Brennstoffzellenautos nicht. Ist der Tank mit Wasserstoff gefüllt, steht einer Tour von bis zu 400 Kilometern nichts mehr im Wege. In wenigen Jahren sollen es gar 650 Kilometer sein. Leider ist die Brennstoffzellentechnik noch sehr teuer. Ansonsten wäre sie schon heute der absolute Kracher: keine Emissionen, elektrischer Antrieb, superleises Fahren und in drei Minuten voll tanken.

Wer sich das gönnen möchte, muss etwa an Toyota gut 80.000 Euro überweisen und einen Mirai bestellen. Auf ähnlichem Niveau wird sich nächstes Jahr der Mercedes GLC Fuel Cell bewegen. Etwas günstiger dürfte es bei Hyundai werden. Die Koreaner schicken ebenfalls 2018 den Nachfolger des iX35 Fuel Cell auf die Straße. Es soll ein größeres Crossover-Modell werden, wie zu hören ist. Alle Preise sind von den jeweiligen Herstellern natürlich noch stark subventioniert, sonst wäre keines dieser Fahrzeuge auf der Straße.

Es tut sich also was an der Wasserstofffront. Zu verlockend sind die Vorteile der Brennstoffzelle. In ihr entsteht in einem chemischen Prozess aus Wasserstoff und dem Sauerstoff aus der Luft Strom. Dieser treibt dann einen Elektromotor an. Als Endprodukt tröpfelt nur Wasser aus dem Auspuff. Mit giftigen Abgasen, Katalysatoren und aufwendiger Harnstoffeinspritzung muss sich ein Brennstoffzellen-Auto nicht herumplagen.

"Grüner" Wasserstoff aus regenerativen Quellen

Wasserstoff hat den großen Vorteil, nicht importiert werden zu müssen, man kann es lokal produziert und verbrauchen. Zudem lässt es sich sehr gut lagern und falls nötig über lange Strecken verlustfrei transportieren (mit Strom geht das nicht). Wasserstoff ist praktisch unbegrenzt vorhanden, allerdings stets in gebundener Form. Durch Elektrolyse lässt es sich aus Wasser abspalten. Oder es kann aus Erdgas gewonnen werden (Reform-Prozess). Oder es entsteht als Nebenprodukt der Großchemie. Weltweit werden jährlich rund 50 Millionen Tonnen Wasserstoff produziert. Die Menge würde reichen, 250 Millionen Autos wie den Mirai 20.000 Kilometer fahren zu lassen. Und reichlich Energie steckt ebenfalls im Wasserstoff, im Vergleich zum Benzin viermal so viel.

Die elektrolytische Erzeugung von Wasserstoff ist allerdings nur sinnvoll, wenn der benötigte Strom dazu aus regenerativen Quellen (Windräder, Solartechnik) stammt. Nur dann darf der Wasserstoff "grün" genannt werden. Diesen sagte uns zumindest Vattenfall beim Start der Mirai-Tour in Hamburg zu. Dort versorgt in der Hafen-City eine Wasserstofftankstelle diverse Linienbusse sowie einige private Brennstoffzellenautos. Vattenfall versucht, möglichst jenen Strom für die H2-Herstellung zu nehmen, der anfällt, wenn er nicht gebraucht wird. Beispielsweise wenn es nachts stark weht und die Windräder viel Strom generieren. Andernfalls müsste der Strom ins Ausland verschenkt oder die Flügel der Windräder arretiert werden.

An einer Anlage von Westfalen in Münster, 281 Kilometer von Hamburg entfernt, halten wir erstmals zum Tanken. Nötig wäre das Auffüllen noch nicht gewesen, denn in Hürth bei Köln steht die nächste Zapfsäule. Allerdings ausschließlich für Busse. Der Unterschied: Hier wird mit 350 anstatt 700 bar Druck betankt und der Wasserstoff fürs Befüllen nicht auf minus 41 Grad heruntergekühlt. Zur Not lässt sich aber auch ein Pkw (Zapfanschluss ist identisch) betanken. Der Tank wird dann aber physikalisch bedingt nur halb voll.

Eine angenehme Reiselimousine

Nächste Station: Limburg an der A3 zwischen Köln und Frankfurt. Auf dem Weg dahin zeigt sich der Mirai von seiner komfortablen Seite. Weiche Federung, so gut wie keine Windgeräusche und vom Antrieb ist überhaupt nichts zu hören. Eine angenehme Reiselimousine. Dazu kommt das gute Gefühl, keinen Dreck in die Umwelt zu pusten. Wir verbrauchen auf unserer Tour rund ein Kilogramm Wasserstoff pro 100 Kilometer. Den Normwert nach NEFZ gibt Toyota mit 0,76 kg/100 km an. Das ist aber nur zu schaffen, wenn man über Landstraßen kriecht. Derzeit kostet das Kilo 9,50 Euro, ein künstlich festgesetzter Preis der Clean Energy Partnership CEP. Das Busunternehmen in Hürth tankt für 3,80 Euro das Kilo. Dessen Wasserstoff stammt aus einer Chemiefabrik, die Natronlauge und Chlor herstellt. Wie viel der Wasserstoff später einmal kosten wird, wenn mehr Brennstoffzellenautos unterwegs sind, weiß im Moment niemand. Doch günstiger als heute wird er sicher.

Apropos sicher. An vielen Stammtischen herrscht immer noch die Meinung, Wasserstoff sei hochexplosiv und man hätte eine Knallgas-Bombe unterm Hintern. Tatsächlich ist Benzin weitaus gefährlicher, denn es kann nach einem Unfall auslaufen und sich unterm Auto entzünden. Wasserstoff ist nicht explosiv, nicht selbstentzündlich und auch nicht brandfördernd, sondern würde, falls wirklich mal eine Leitung reißen sollte, lediglich ausströmen und nach oben entweichen. Der Tank selbst ist stabil wie ein Tresor. Für die Zulassung gibt es sogar einen Beschuss-Test. Dagegen ist ein Benzintank so dünnhäutig wie eine Tubber-Dose.

Dass Wasserstoff nicht nur ein Energieträger für die Brennstoffzelle im Auto ist, zeigen Beispiele, die wir auf unserer Deutschland-Tour passiert haben. Das Hotel Radisson Blu in Frankfurt nutzt die saubere Energie komplett für Strom und für Heizung und spart damit 600 Tonnen CO2 im Jahr. Die Firma Friatec in Mannheim braucht Unmengen an Strom und Heißdampf (bis 370 Grad Celsius) für die Herstellung von Steinzeug. Die Firma rüstete für die Energieversorgung jüngst auf eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle um. Die war zwar wesentlich teurer in der Anschaffung, rechnet sich aber langfristig und spart jährlich 3.000 Tonnen CO2. Und in Stuttgart, unserem Ziel der über 700 Kilometer langen Mirai-Tour, präsentierte die DLR (Deutsche Luft- und Raumfahrt Gesellschaft) das erste Flugzeug mit Brennstoffzellenantrieb. Der Viersitzer schafft bereits knapp 800 Kilometer bei einem Tempo von 80 Knoten (144 km/h). In 15 Jahren will man technisch so weit sein, 40 Passagiere mit 230 Knoten bis zu 2.000 Kilometer weit zu befördern, dann allerdings mit flüssigem Wasserstoff.

100 Mirai fahren in Europa

Zurück zum Auto: Vom Mirai hat Toyota bislang weltweit etwa 3.600 Einheiten verkauft, knapp die Hälfte blieb in Japan, die andere ging nach Kalifornien. 100 Mirai fahren in Europa. Etwas weniger sind es beim Hyundai ix35. Das Versorgungsnetz in Deutschland besteht derzeit aus 30 Anlagen. Die jüngste wurde vor wenigen Tagen in Wiesbaden eingeweiht. Bis Ende 2018 will H2 Mobility 100 Säulen (Stückpreis rund eine Million Euro) aufgestellt haben, 2023 sollen es dann 400 Zapfsäulen sein. Gelingt dies, wäre Deutschland Wasserstoff-Weltmeister.

Schon heute, das zeigt unser Test, kann man bequem im Brennstoffzellenauto durch Deutschland reisen und muss dabei nicht mal groß seine Gewohnheiten umstellen. Drei Minuten Tanken, 400 Kilometer fahren. Dagegen hat auch der beste Tesla keine Chance. Er bräuchte für die gleiche Energiezufuhr selbst an einer Schnellladesäule über zwei Stunden. Die Brennstoffzellentechnik ist also eine vielversprechende Alternative. Sie muss nur deutlich günstiger werden.

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