Herr Zieger, wie geht es den BFT-Mitgliedern?
Für das abgelaufene Jahr kann man nicht klagen.
Und für das laufende Jahr?
Es hat gut begonnen. Es hat ein bisschen gerumpelt, weil sich das Marktverhalten einiger Anbieter etwas verändert hat. Der eine oder andere hat sich die Augen gerieben, was sich da plötzlich im Markt tat. Aber das ist wieder in der Spur, denke ich.
Ich habe Sie deswegen nach der Stimmung Ihrer Mitglieder gefragt, weil der TIV und das KFZ-Gewerbe Bayern letztes Jahr ein Bild von der Tankstellenbranche gezeichnet haben, die einem Pulverfass gleicht, das jeden Moment zu explodieren droht.
Die Verbände, die da öffentlich aktiv geworden waren, haben nicht über den unabhängigen Markt berichtet. Der unabhängige Markt läuft zurzeit relativ stabil. Man wird nicht reich an der Zapfsäule, aber Sie können Ihre Familie versorgen und ein Einkommen für jetzt und fürs Alter erwirtschaften, Sie können Mitarbeiter beschäftigen und denen ein vernünftiges Auskommen bieten. Die Dramatik der beiden Verbände können wir also nur bedingt nachvollziehen. Abgesehen davon wäre es sicher schön, wenn man eine Mindestprovision hätte, aber das muss der Markt sich auch leisten können. Ich bezweifle das.
Was treibt Ihren Verband stattdessen um?
Unsere Leute beschäftigen sich momentan mit der Umsetzung der Zahlungsverkehrsrichtline, einer Verordnung, die über die EU gekommen ist. Sie beschäftigen sich mit den Fragen zum Beispiel: Ist meine Tankkarte anmeldepflichtig? Was muss ich tun, wenn ich sie anmelde? Entspricht das Sortiment, das ich mit der Tankkarte kaufen kann, den gesetzlichen Vorgaben? Muss ich unter Umständen Shopartikel rausnehmen? Da gibt es noch mehr Probleme, die umfangreiche Beratung notwendig machen.
Was steht noch auf der Agenda?
Wir hatten in letzter Zeit oft sehr intensiv mit dem Thema der Datenschutzgrundverordnung zu tun. Dabei geht es darum, dass Firmen ein halbwegs datenschutzkonformes Gebahren an den Tag legen. Das bringt zwar keinen Cent mehr in die Kasse, noch nicht mal einen halben Cent mehr Ertrag, ist aber unwahrscheinlich zeitaufwendig und bindet Leute, damit man da den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Und der 25. Mai ist nicht mehr weit.
2.500 Tankstellen sind derzeit im BFT organisiert, rund 140 mehr als im Vorjahr. Woher kommt der Zulauf?
Der Zulauf kommt zum einen daher, dass zwei größere Mitglieder zu uns gekommen sind, die woanders organisiert waren und ihre Tankstellen jetzt bei uns angemeldet haben. Und zum anderen gibt es bei unseren größeren Mitgliedern immer noch einen leichten Zuwachs. Das heißt, die nehmen andere, vorhandene Tankstellen in ihr Netz auf, vergrößern so ihr eigenes Netz.
Auch die Uniti legte in vier Jahren um rund 300 Tankstellen zu. Organisieren sich mehr Unternehmer in zwei Verbänden oder wird der Mittelstand allgemein stärker im Tankstellenmarkt?
Der Mittelstand hat eine selbstbewusste Position, die vernünftige Geschäfte zulässt. Der Mittelstand ist nicht schwächer geworden, aber in einem Markt, wo die Lieferanten gleichzeitig Wettbewerber sind, muss man immer ein bisschen aufmerksamer gucken als in anderen Märkten. Aber das ist eigentlich immer schon so gewesen. Was ich betonen möchte: Wir stehen als mittelständische Verbände nicht in Konkurrenz zueinander. Wir haben jeweils ein eigenständiges Profil. Das ist unsere Stärke.
Beobachten Sie den Trend, dass mehr Ihrer Mitglieder Ihre Eigenmarken aufgeben, um fortan unter starken Marken der großen MÖG zu flaggen?
Es gibt Einzelfirmen, die sagen: „Ja ich kann eine ganze Menge. Aber das Kraftstoffgeschäft mit den ganzen Auf- und Abbewegungen will ich nicht mehr machen. Dann kann ich mich mehr auf meine Stärken konzentrieren.“ Die schlüpfen dann bei einem Größeren unter und machen das Kraftstoffgeschäft mit ihm zusammen. Manche größere Einzelfirmen sind so erfolgreich, dass sie von außerhalb ein Superangebot bekommen, was sie nicht ablehnen können. Allgemein möchte ich festhalten, dass der Tankstellenmarkt ein sehr beweglicher und schneller Markt ist, in dem man gut sein muss, um auf Dauer erfolgreich zu sein.
Wie sehen Sie Ihre Mitglieder generell gerüstet für die Herausforderungen einer disruptiven Gegenwart und Zukunft?
Der BFT schaut den Markt für unsere Mitglieder ganz genau an, und ich denke, dass wir den Mitgliedern das richtige Gerüst an die Hand geben und uns für sie an der richtigen Stelle einsetzen. Unser aktuelles Thema, das wir zusammen mit MWV, Uniti und IWO nach vorne treiben, heißt: Ja, es gibt eine Zukunft für flüssige Kraftstoffe! Der Vorteil der flüssigen Kraftstoffe im Zeitalter der Energiewende ist noch gar nicht ausgereizt. Die Branche verfügt über knapp 15.000 Punkte in Deutschland, an denen Kraftstoffe verteilt werden können. Wenn man das umsetzt auf das Thema Elektromobilität, dann braucht man, alleine um für die Hälfte des Fahrzeugbestandes in Deutschland eine entsprechende Infrastruktur zu schaffen, 51 Milliarden Euro. Wenn man in den Kraftstoffmarkt ein bisschen hineinhört, dann ist das Ziel, mit E-Fuels CO2-frei zu fahren, bis 2050 realistisch zu erreichen.
Im öffentlichen Diskurs spielen die E-Fuels eine untergeordnete Rolle. Die Medien diskutieren meist die Vision „all electric“. Haben die Branchenverbände da noch zu leise getrommelt?
Alle Verbände, und für uns macht das der MEW, haben über ihre Kanäle das Thema in die Koalitionsverhandlungen miteingebracht und es steht zum Beispiel auch in den Koalitionsverträgen. Die andere Seite geht jedoch deutlich lauter an den Markt ran, sie gackern doppelt so laut, wie die Eier groß sind, die sie in die Nester legen. Wenn die finden, dass demnächst Steckdosen für E-Autos an allen Straßenlaternen installiert werden könnten, dann wird das quer durch die Republik in allen Medien verbreitet. Da haben sie einfach ein begnadetes Kommunikationskonzept und treffen auf ein aufnahmewilliges Publikum. Aber: E-Mobilität ist kein Thema, das rund ist. In den Kraftstoffmix der Zukunft wird das Thema hineingehören, aber es ist kein Thema, das die Fragen in einem mobilen Land wie Deutschland, in dem 46 Millionen Autos herumfahren, löst. Die können sie nicht alle mit Strom bedienen. Dann bliebe alles stehen, und nicht nur die Autos …
Ist es auch die Aufgabe von Ihrem Verband lauter zu trommeln?
Ja, ganz sicher. Die Verbände MWV und MEW, in dem wir mitarbeiten, haben eine Studie auf den Weg gebracht, um zu zeigen, dass es praktikable Alternativen zu „all electric“ gibt: Eine Infrastruktur für die Flüssigkraftstoffe existiert bereits und kann die Mobilität aufrechterhalten und weiterbringen, so wie wir sie im Moment haben. Das ist die Aufgabe der Verbände. Wir müssen hier erfolgreich sein, weil das auch einen Teil der Zukunft unserer Unternehmen darstellt.
VW hat im vergangenen Jahr die Absicht bekanntgegeben, stärker auf CNG setzen zu wollen. Trauen Sie CNG zu, dass es sich im Markt richtig durchsetzt – auch wenn die Förderung 2026 ausläuft?
Ich sehe CNG nicht im Wettbewerb zu unseren Unternehmen, sondern als zusätzliche Möglichkeit, den Markt zu diversifizieren. Wenn Sie allerdings sehen, was für eine Infrastruktur Sie für CNG brauchen, wie viele Kosten das verursacht inklusive dem Leitungsnetz, ist das schon ein kräftiger Angang, wenn Sie das so umsetzen wollen. Sicherlich gehört CNG aber auch in diesen Kreis des Kraftstoffmixes hinein.Genauso in der Zukunft LNG.
Was wird aus LPG?
LPG hat kräftige Vorteile. Es ist leichtgängiger als CNG. Es bietet Vorteile beim Verbrennen. Es ist ein Produkt, das immer bei den Raffinerieprozessen entsteht, und es hat, wenn Sie sich die Messungen ansehen, bei vielen Schadstofffraktionen Vorteile, die man bei der Diversifizierung des Kraftstoffangebots nicht beiseitelassen sollte.
Welche Rückmeldungen erhalten Sie von Ihren Mitgliedern bezüglich der Anschaffung von PKW-Adblue-Zapfanlagen, den die Dieselmotoren der neuen Generation zur Abgasnachbehandlung brauchen?
Ich selbst fahre einen Audi-Diesel, der Adblue braucht. Wenn Sie versuchen diese Kiste mit einem Zehn-Liter-Kanister zu befüllen, dann wächst die Verzweiflung. Auf die Dauer hat das Produkt sicherlich mehr Zukunft, wenn Sie es convenient über eine Zapfsäule anbieten. Die Technik ist ausgereift, die funktioniert. Für Unklarheit im Markt sorgt derzeit die Ungewissheit bei den Dieseln. Alle warten gespannt auf die Antwort: Gibt es da bald Nachrüstungen? Ich vermisse von den Fahrzeugherstellern zurzeit auch ein klares Bekenntnis zum Diesel und damit indirekt zu Adblue. Ein klares Bekenntnis – auch wenn es nicht populär ist – würde auch zur Investitionssicherheit bei PKW-Zapfanlagen führen. Ich vermisse, dass die Hersteller die Vorteile des Diesels herauskehren. Vor allem was den Punkt der CO2-Emmission angeht, hat der Diesel Vorteile, an den kein anderer Kraftstoff heranlangt. Das Feinstaubproblem hat man im Griff. Und das Stickoxidthema kann man mit der Beigabe von Adblue bei der Abgasnachbehandlung ebenfalls lösen. Dann kann es langfristig auch eine gescheite Infrastruktur für Adblue geben.
Nach Jahren des Stillstands hat man das Gefühl, dass die MÖG eifrig versuchen, ihre Tankstellen auf Vordermann zu bringen, und viel Geld in die Hand nehmen. Geraten gerade Ihre kleineren Mitgliedsfirmen ins Hintertreffen, die das nötige Kleingeld nicht in der Kaffeekasse haben?
Die EFT hat unlängst ein Programm auf den Weg gebracht, mit dem man auch noch ein paar Reserven heben kann. Das wird auch genutzt. Wir haben zwei tolle Berater da draußen. Auch der Mittelstand ist auf dem Weg, sich noch freundlicher und moderner mit Aufenthaltslösungen – soweit so etwas in der konkreten Situation Sinn macht – zu präsentieren. Der Mittelstand hat immer nur einen Schuss frei und der muss sitzen. Nur wenn ich sicher bin, investiere ich. Aber die Notwendigkeit, sich diesem Thema zu widmen, die ist klar erkannt, und es gibt schon Ergebnisse, die verschiedentlich zu sehen sind. Modernisierungen werden daneben oft auch im Zuge von Generationswechseln vorangebracht. Wenn die Mittelständler hervorragende Lösungen präsentieren, werden sie auch für größere Anbieter interessant, die dann sagen: „Den hätten wir mit seiner Lösung gerne in unserem Netz.“
Die großen MÖG treiben gerade fast ausnahmslos die Digitalisierung voran, gerade im Bereich Mobile Payment. Wie sehen Sie Ihre Mitglieder in diesem Bereich aufgestellt?
Wir haben im Mittelstand ja auch Firmen, die ganz gut mit Lösungen dastehen. Q1 betreibt mit Zahlz.com und DKV eine Lösung, die nicht nur für das eigene Netz interessant ist, sondern unter Umständen auch größere Kreise zieht. Klar ist: Der Verbraucher der Zukunft wird nicht zehn oder 15 verschiedene Systeme in seinem virtuellen Portemonnaie vorhalten – er will eine, die überall funktioniert, ob im Einzelhandelsgeschäft oder online oder an der Tankstelle. Wir werden in dieser Umbruchphase mit ganz vielen Lösungen experimentieren müssen, aber es hat sich noch nicht die eine Lösung herauskristallisiert.
Als Erfolg für sich verbuchte der BFT im vergangenen Jahr, dass Paragraf 60 des Energiesteuergesetzes nicht gestrichen wurde. Das hätte zur Folge gehabt, dass die Kreditlinien beim Einkauf von Kraftstoffen halbiert worden wären. Wie haben Sie die Streichung verhindert?
Das war eine Gemeinschaftsaktion von BFT, MEW, den anderen Verbänden und letztendlich auch unserer Mitglieder, die schnell sehr zahlreich interveniert haben. Sie sind im Vorfeld, ehe der Gesetzesentwurf im Bundestag angekommen ist, oft an ihre Bundestagsabgeordneten herangetreten und haben ihnen die Problemstellung aufgezeigt. Viele Abgeordnete haben gesehen, hier ist etwas auf dem Weg, das dem Mittelstand das Leben deutlich schwerer macht, was nicht beabsichtigt war: Das hat am Ende den Erfolg gebracht. Die Streichung wurde wieder gestrichen. Das Ergebnis hat gut getan.
Abschließend noch ein Wort zum Esso-EG-Deal: Was wird sich für den Markt durch den Eigentümerwechsel ändern?
Nix! (lacht) Nein ich denke nicht, dass sich viel ändern wird. Die Kraftstoffe liefert Esso, den Ertrag aus dem Shop zieht die Gruppe, in welcher Form auch immer – wie ein freier Unternehmer oder ein Franchisenehmer. Die EG muss einen gescheiten Job machen wie ein Mittelständler auch. Sie wollen ja auch Geld verdienen. Das Unternehmen kommt aus England, wo viele tolle Ideen herkommen, vielleicht bringen sie die eine oder andere gute mit. Wir haben einen Player, der sich Verstärkung ins Haus geholt hat, und wenn sich dort gute Ideen entwickeln, finden sie im Markt bestimmt Nachahmer.
(Das Gespräch führte Michael Simon. Das Interview erschien in Sprit+ Spezial Tankstellennetze)