Kaum ein Monat vergeht in der Tankstellenbranche, in dem keine Jahreshauptversammlung, kein Kongress oder keine Arbeitstagung stattfindet. Ein völlig neues Veranstaltungskonzept hat nun Peter Herm, Geschäftsführer der Herm-Gruppe gemeinsam mit einigen Sponsoren ins Leben gerufen: das Winter Convenience Forum. Trotz voller Terminkalender machten sich mehr als 80 Teilnehmer ins österreichische Leogang auf, um dort an vier Tagen spannenden Vorträgen zu lauschen, Tipps für ein erfolgreiches Shop- und Bistrogeschäft zu bekommen, an Best-Practice-Beispielen zu lernen und über die Bedeutung von Elektromobilität für die Mineralölbranche zu diskutieren. Und zwischendurch: Da gab es genug Zeit zum Skifahren, Wandern und Wellnessen.
Prozesse auf Kunden ausrichten
Einen entscheidenden Faktor für das erfolgreiche Shop-und Bistrogeschäft brachte schon zum Auftakt Convenience-Experte Christian Warning, Geschäftsführer von The Retail Marketeers, auf den Tisch: „Wir müssen uns immer fragen, was der Kunde am jeweiligen Standort will und dann unsere Prozesse dementsprechend darauf ausrichten.“ Die Abläufe in der Tankstelle müssen folglich einfach sein. Dazu könnten, wie etwa bei McDonald’s bereits umgesetzt, Selbstbedienungsterminals beitragen, an denen der Kunde bestellt und zahlt, um dann am Tresen die Ware abzuholen.
Auch die Digitalisierung dürfe nicht ignoriert werden, beispielsweise beim Thema Bezahlen per App oder Kundenansprache über das Smartphone und entsprechende Social-Media-Kanäle. „Bei neuen Ideen ist eine Start-up-Mentalität gefragt. Das ist der Vorteil des Mittelstandes: Wir können schnell reagieren und einfach mal Dinge ausprobieren“, betonte Warning. Und dabei dürfe der Mittelstand auch keine Angst haben, sich auszutauschen und Ideen zu teilen, um gemeinsam die Tankstelle nach vorne zu bringen.
Gerne teilte Torsten Eichinger, Geschäftsführer des Shoplieferanten MCS die Ergebnisse einer Umfrage zum Thema „Zielgruppe Frauen in der Tankstelle“. Demnach unterscheiden sich Frauen und Männer gar nicht so sehr, zumindest in Hinblick auf die Vorlieben im Tankstellenshop. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass gemeinsame Potenziale bei Frauen und Männern genutzt werden können, betonte Eichinger.
Interessant war das Ergebnis, dass sich Frauen zu 87 und Männer zu 86 Prozent generell wohl in der Tankstelle fühlen. Trotzdem beurteilten ein Viertel beider Geschlechter die Atmosphäre als schlecht, 13 Prozent der Frauen fühlten sich sogar unsicher. 13 Prozent der Männer finden es zu schmutzig in Tankstellen, bei den Frauen waren es nur neun Prozent. Insgesamt bewerteten die Umfrageteilnehmer im Shop Punkte wie Atmosphäre, Qualität, Sauberkeit, Freundlichkeit und Service durchschnittlich mit der Schulnote drei. Mehr einkaufen würden die Befragten, wenn die Preise günstiger wären beziehungsweise das Preis-Leistungs-Verhältnis besser wäre.
Ähnlich bescheiden fielen die Ergebnisse für das Bistro aus, das die Umfrageteilnehmer ebenfalls in den genannten Kriterien nur mit der Schulnote drei bewerteten. Immerhin: Trotzdem würden 62 Prozent der Männer und 49 Prozent der Frauen im Bistro etwas essen. 73 Prozent der männlichen Kunden würden in der Tankstelle verweilen, um etwas zu trinken, bei den Frauen sind es 66 Prozent. Als Schlussfazit gab Eichinger den Anwesenden den Rat, sich mit Sicherheit und Sauberkeit bei den Kunden, insbesondere den weiblichen, zu profilieren.
Aufenthaltsqualität steigern
Nachdem die Umfrage zeigte, dass Frauen und Männer gleichermaßen den Shop in den Kategorien Atmosphäre, Ladengestaltung und Übersichtlichkeit durchschnittlich nur mit der Schulnote drei bewerten, zeigte Sylvia Reyers, wie man das schlechte Urteil verbessern kann. Anhand von zahlreichen, auch branchenfremden Beispielen veranschaulichte die Geschäftsführerin von Carstens Shop-Einrichtungen, wie Tankstellenbetreiber in ihrer Station eine Wohlfühlatmosphäre schaffen können.
„Jeder hat seinen Lieblingsitaliener, aber die wenigsten sagen, dass sie eine Lieblingstankstelle haben. Das würde ich gerne ändern“, sagte die Hamburgerin. Egal, ob der Shop nun mediterran, klassisch-zeitlos, rustikal oder trendy gestaltet ist, mit dem richtigen Ladenbau kann die Aufenthaltsqualität gesteigert werden. Das weckt positive Gefühle beim Kunden und führt zu mehr Kaufimpulsen, ist Reyers überzeugt. „Geben Sie Ihrem Bistro ein Gesicht und achten Sie auf die Details“, riet die Ladenbauexpertin.
Tipps aus der Praxis
Zwei Tankstellenbetreiber, die sich diese Tipps bereits zu Herzen genommen haben, kamen ebenfalls zu Wort. Wolfgang Fahrer, Geschäftsführer der EFA-Tankstellen, setzt auf eine Kombination aus Shop, Bäckerei und Tankstelle. Dazu hat er sich an der Bäckereikette Hatz beteiligt und diese in einem eigenen Bereich in einigen seiner Tankstellen integriert und dementsprechend auch Platz für einen gemütlichen Verweilbereich geschaffen. Nun können die Kunden wie in einer normalen Bäckerei frische Backwaren, Snacks und süße Teilchen kaufen – und das zu den gleichen Preisen wie in der Bäckerei. Zusätzlich bietet Fahrer regelmäßig ein Frühstücksbüffett an, das so erfolgreich ist, dass er das Angebot ausbauen will.
„Der Kunde hat früh verstanden, dass er in unserer Tankstelle Produkte in Bäckereiqualität bekommt“, berichtet Fahrer. Wenn man mutig investiere und lokale Marken dazunehme, könne man gute Umsatzwerte erzielen. Das Konzept will der EFA-Geschäftsführer deshalb weiterspielen und arbeitet aktuell an der Beteiligung an einer Kaffeerösterei, um in seinen Tankstellen künftig sogar seinen eigenen Kaffee anbieten zu können.
Auch Gastgeber Herm gewährte den Teilnehmern Einblicke in sein erfolgreiches Tankstellenkonzept „Frischewelt“. Er hat vor dem Umbau seiner Tankstelle Frauen und Best Ager nach ihren Wünschen in Bezug auf Tankstellen befragt und auf den Antworten basierend das Konzept erarbeitet. „Ziel war es, über die Atmosphäre Emotionen zu schaffen, die zum Kauf anregen. Unsere Kunden sollen zu uns kommen wollen, selbst wenn sie nicht tanken müssen“, sagte Herm. Teil des Konzepts sind nun hochwertige Decken und Böden, warme Materialien wie Holz, Blumendekoration und ein angenehmer Geruch in den Räumlichkeiten.
Daneben ist natürlich auch ein vielfältiges Angebot an frischen Verzehrwaren wie Paninis, Bruschetta oder Smoothies ebenso wichtig wie ein gutes Kaffeeangebot, betonte Herm. Hierzu hat er drei verschiedene Kaffeemaschinen angeschafft: Einen Kaffeevollautomaten für Liebhaber von Cappuccino und Co, eine Siebträgermaschine für anspruchsvolle Kunden und eine Filterkaffeemaschine für Kaffeetrinker, die auf Schnickschnack verzichten.
An einem anderen Standort hat der Tankstellenchef außerdem eine Weinwelt in die Station integriert. Als Voraussetzungen für so ein Angebot nannte Herm Platz, geschultes Personal und natürlich eine Affinität zum Wein. Inzwischen bietet er dort Verkostungen an und hat einen Weintag eingeführt.
Last, but not least muss natürlich auch das Personal stimmen. Diesen Punkt konkretisierte Frank Feldmann, Geschäftsführer der Einkaufsgesellschaft freier Tankstellen. Er betonte: „Wenn eines nicht passt, nämlich der Faktor Mensch, dann funktioniert es nicht.“ Dabei sind ein einheitlicher Dresscode, ein gepflegtes Äußeres, Freundlichkeit, Kommunikationsbereitschaft und natürlich eine kompetente Beratung das A und O.
Vom Shop auf den Forecourt
Neben erfolgreichen Shopkonzepten beschäftigte ein Thema die Teilnehmer ganz besonders: Welche Bedeutung werden Elektromobilität und E-Fuels künftig haben und wie soll man als Mittelstand damit umgehen? Bereits in seiner Dinner Speech am ersten Veranstaltungsabend ging Christian Küchen, Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes, auf dieses Thema ein. „E-Fuels sind aus unserer Sicht eine Chance für die Branche, denn man kann die ganze vorhandene Infrastruktur nutzen. Damit entfällt das Henne-Ei-Problem“, sagte er.
Die nächsten Jahre werden entscheiden, wie sich der Automobilmarkt entwickelt und was für Folgen das für die Branche habe. Es sei ein große Herausforderung, erneuerbare Kraftstoffe zu entwickeln, in den Markt zu bringen und dafür zu werben, dass die Rahmenbedingungen stimmen. „Ich kämpfe dafür, einfach weil ich auch glaube, dass man nur so die weltweiten Klimaschutzziele annähernd erreichen kann. Ohne diese Kraftstoffe werden wir es nicht schaffen“, befürchtete Küchen.
In einer Diskussionsrunde mit Vertretern von Total, Shell, Kuttenkeuler und dem Bundesverband freier Tankstellen zeigten sich die Teilnehmer in Bezug auf die potenzielle Bedrohung ihres Tankstellengeschäfts durch die Elektromobilität entspannt. „Wir reden immer noch über eine relativ kleine Nische, die zwar politisch gewollt sehr schnell wachsen soll, aber ich glaube, es entspricht – noch – nicht ganz dem Willen des Käufers“, sagte Carsten Müller, Geschäftsführer von Kuttenkeuler. Daher seien Investitionen in dieses Modell momentan noch relativ gering, „weil es einfach noch kein Businesscase ist.“
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 4/2018)