Das Hauptrisiko der Selbstständigkeit liegt in der ständigen finanziellen Absicherung – so auch der grundlegenden sozialen Risiken. Doch kaum ein anderer Bereich ist für Selbstständige dabei so intransparent und gleichermaßen so wichtig wie die eigene Altersvorsorge.
Deutschland ist die große Ausnahme
Die Einbeziehung der Selbstständigen in die obligatorische Alterssicherung wird in Deutschland seit Jahrzehnten diskutiert. Das ist wenig verwunderlich. Denn mit der fehlenden obligatorischen Absicherung der Selbstständigen ist Deutschland innerhalb der Europäischen Union (EU) eine große Ausnahme: In allen anderen Ländern der EU gibt es – im Einzelfall sehr unterschiedlich organisiert – eine verpflichtende Altersvorsorge für selbstständig Tätige. Schon von daher stellt sich die Frage, ob dieser "deutsche Sonderweg" sozialpolitisch sinnvoll ist.
In den vergangenen Jahren ist die Diskussion um die Alterssicherung der Selbstständigen vor allem aus zwei anderen Gründen immer eindringlicher geworden. Zum einen gibt es inzwischen fundierte empirische Belege dafür, dass vormals selbstständig Tätige im Alter in einem deutlich höheren Maße von Armut betroffen sind als vormals abhängig Beschäftigte – und es spricht viel dafür, dass die fehlende obligatorische Alterssicherung ein wesentlicher Grund hierfür ist.
Als ich in den 1990er-Jahren in der Tankstellenbranche angefangen habe, war das Thema Altersabsicherung kein relevantes Thema. Der Betrieb einer Tankstelle war in den meisten Fällen finanziell lukrativ und eine angemessene Altersabsicherung aus den Erträgen möglich.
Kontrollsystem WC2000
Das hat sich insbesondere bei den Pachttankstellen seit den 2000er-Jahren grundlegend geändert. Esso fing damals als erste Gesellschaft mit dem sogenannten System WC2000 an, das Einkommen der Pächter/-innen nicht nur zu beschneiden, sondern fast gänzlich zu kontrollieren. Die anderen Gesellschaften zogen alsbald nach.
Seitdem definieren die Mineralölgesellschaften, was Pächter/-innen auf der jeweiligen Station verdienen dürfen. Verdient er mehr, wird die Pacht erhöht und der Mehrgewinn abgeschöpft. Das führt oftmals dazu, dass der Pächter weder ausreichend Rücklagen, geschweige denn ausreichend Geld für die Altersabsicherung zur Verfügung hat.
Normalerweise sollte ein Selbstständiger seine Einnahmen im sogenannten Terrassensystem verwenden. Zunächst sollte der Geschäftsbetrieb mit den Einnahmen aufrechterhalten werden, nachfolgend sind in der nächsten Stufe notwendige Rücklagen zu bilden, und was dann übrig bleibt, sollte in die Altersabsicherung fließen. Wenn aber die Erträge der zweiten und dritten Stufe stets weggepachtet werden, dann ist keine ausreichende Altersabsicherung möglich.
Es ist allerhöchste Zeit - oder sogar schon zu spät
Leider schieben viele Betreiber das Thema Altersabsicherung aus diesem Grund viel zu lange vor sich her. Sind Sie Mitte 20, dann ist das noch ok. Sind Sie aber bereits über 40, dann ist es allerhöchste Zeit.
Sind Sie bereits über 50, dann werden Sie eine ausreichende Altersabsicherung vermutlich gar nicht mehr schaffen können. Dafür reichen die Erträge aus einer Tankstelle vermutlich nicht aus.
Der Ausgleichsanspruch, der früher ein Standbein der Altersabsicherung war, wurde den Tankstellenpächtern von vielen Gesellschaften mittlerweile auch genommen. Formal wird dies als Einstandszahlung bezeichnet, dient aber nur zur Aberkennung des Ausgleichsanspruches. Eigentlich sollte schon grundsätzlich niemand einen Pachtvertrag unterschreiben, in dem das Wort "Einstandszahlung" vorkommt.
Händlerstationen werden unrentabel
Bei den Händlern sieht die Sachlage natürlich etwas anders aus. Der eine oder andere verlässt sich aber darauf, dass die Erträge aus der Station auch noch im Rentenalter zur Verfügung stehen. Sei es durch Rechtsnachfolge innerhalb der Familie oder durch Verpachtung an die Gesellschaft oder einen Dritten. Unsere Branche erlebt aber in den nächsten zehn bis 15 Jahren einen massiven Umbruch. Der Trend zur Elektromobilität wird in den 2030er-Jahren viele Händlerstationen unrentabel machen. Das sollte bei der Altersabsicherung bedacht werden.
Mein Appell an Sie: Prüfen Sie, ob Sie für das Alter ausreichend vorgesorgt haben und ob die Erträge aus der Station auch in Zukunft ausreichen werden, ausreichend vorzusorgen. Kommen Sie zum Schluss, dass dies nicht der Fall ist, dann müssen Sie schnellstmöglich aktiv werden.