Optimismus klingt anders – so zumindest lässt sich die aktuelle Stimmung der Geschäftsführer des Bundesverbands Tankstellen und Gewerbliche Autowäsche Deutschland (BTG) und des Zentralverbands des Tankstellengewerbes (ZTG) beschreiben, wenn man mit ihnen über das laufende Jahr spricht. BTG-Chef Thomas Drott etwa bezeichnet 2019 als ein „relativ maues Jahr“, in dem das Waschgeschäft im Vergleich zum Vorjahr deutlich weniger gut abgeschnitten hat. Dazu muss man allerdings hinzufügen, dass der heiße Sommer und der viele Blütenstaub den Waschanlagenbetreibern im ersten Halbjahr 2018 sehr gute Ergebnisse beschert haben, die sich in diesem Jahr nicht wiederholten. Im Tankstellengeschäft fiel der Umsatzrückgang laut Drott dagegen weniger schlimm aus.
Etwas weniger pessimistisch ist die Einschätzung von ZTG-Geschäftsführer Jürgen Ziegner: „Das Branchenjahr ist so schlecht nicht. Die Absätze und Umsätze sind weiterhin überraschend stabil.“ Dass das Waschjahr nicht wieder so gut ausfallen würde wie 2018, sei eigentlich abzusehen gewesen. Trotzdem hätten einige Betreiber bei den Verhandlungen zu den Geschäftsplänen mit ihrer Gesellschaft die Zahlen von 2018 übernommen und diese nun eben leider nicht einhalten können.
Insgesamt gab es im Vergleich zu anderen Jahren mehr Einzelfälle beim BTG, deren wirtschaftliche Situation sich verschlechtert hat. „Die meisten Fälle haben sich über die letzten Jahre angestaut. Weil viele Tankstellen 2017 und 2018 modernisiert oder neu gebaut wurden, kommen jetzt die kleinen und älteren Stationen zunehmend in die Bredouille“, bekommt Drott aus seinem Mitgliedskreis mit.
Herausforderungen wachsen
Problematisch scheint es laut den beiden Geschäftsführern insbesondere bei zwei Gesellschaften zu laufen: Die Übernahme des Esso-Tankstellennetzes durch die EG Group verlief deutlich holpriger als geplant, wobei sich hier inzwischen die Wogen geglättet zu haben scheinen.
Ebenfalls nicht zufriedenstellend sei die Situation an den Aral-Tankstellen, in denen der Roll-out von Rewe to go nach wie vor auf Hochtouren läuft. „Am Anfang hat Aral die notwendigen Betriebskostenbeihilfen zeitnah gezahlt, wohl um das Netz nicht zu verschrecken“, erinnert sich Ziegner. Inzwischen hätten einige Betreiber jedoch ernsthafte wirtschaftliche Probleme, weil das Konzept nicht an jedem Standort gleichermaßen erfolgreich ist. „Aral hat allerdings nicht genug Geld, um die Betriebskostenzuschüsse in der notwendigen Höhe zu bezahlen“, weiß Ziegner. Es werde zwar immer wieder etwas gezahlt, doch die Bochumer haben schon angekündigt, dass man sich 2019 durchhangeln müsse. Aber „sie hangeln nicht gut genug“.
Deshalb habe man angefangen, an manchen Stationen in den Geschäftsplänen die Stunden für den Personalbedarf beispielsweise für die Pflege der Station zu streichen. Immerhin: Neue Verträge, die jetzt abgeschlossen werden, haben erheblich geringere Steigerungsraten für die Pachtberechnung der nächsten vier Jahre als die ursprünglichen. „Ist man auf Betriebskostenzuschüsse angewiesen, erzeugt das neben einer Angststimmung bei den Partnern eine Almosenstimmung, wenn man als Unternehmer auf Zuschüsse angewiesen ist. Und man hängt auch noch bei der Bank in den Seilen“, beschreibt Ziegner die Stimmungslage im Aral-Netz und rechnet nicht mit einer Verbesserung der Lage in 2020.
Und beim Mittelstand? Da läuft es laut Ziegner sehr unterschiedlich. In vielen Gesellschaften gehe es „sehr nett und menschlich“ zu, in anderen Unternehmen ist das Verhältnis zu den Pächtern alles andere als partnerschaftlich. Grundsätzlich mache dieser Teil der Branche allerdings einen „sehr zufriedenen Eindruck“, weil die Margen immer noch gut zu sein scheinen. Das bestätigt auch Drott.
Kostensteigerung
Womit wohl ein Großteil der Betreiber künftig noch ein größeres Problem haben wird, ist das Thema Personal, konkret Personalmangel verbunden mit steigenden Personalkosten. Insbesondere die Nachtschichten lassen sich immer schwerer besetzen. „Die Branche sucht Arbeitskräfte mit möglichst geringen Gehaltsvorstellungen, die dann aber natürlich oft nur über eine geringere Einstiegsqualifikation verfügen“, sagt Drott. „Die Unternehmer kommen zum Teil gar nicht mehr nach mit der Stundenlohnerhöhung“, ergänzt der Kollege vom ZTG. Zudem stehen die Tankstellen in Konkurrenz zum Einzelhandel, der deutlich höhere Löhne zahlt und damit explizit bei der Mitarbeitersuche wirbt.
Der Personalmangel führt laut Drott zunehmend dazu, dass viele Betreiber „am Stock gehen“, weil sie oder Familienangehörige immer mehr Schichten selbst übernehmen müssen. Ein Heilmittel gegen das Problem haben die beiden Verbandsvertreter nicht. „Die 44-Euro-Gutscheine pro Monat für eine Sachleistung sind sowieso fast schon Standard geworden“, berichtet der ZTG-Geschäftsführer. Auch flexible Arbeitszeitmodelle nehmen an Tankstellen zu bis hin zu Whatsapp-Gruppen, in denen die Mitarbeiter ihre Schichten selbst planen. „Aber ohne Geld ist alles nix“, fasst Ziegner das Thema zusammen.
Neben einer Steigerung bei den Personalkosten kommen auf die Betreiber in anderen Bereichen höhere Ausgaben zu. „Bei vielen Unternehmern laufen 2020 die Stromverträge aus. Hier ist eine Verdoppelung der Kosten im Vergleich zu den Altverträgen durchaus möglich“, prognostiziert Ziegner. Die Entsorgungskosten werden im kommenden Jahr vielerorts ebenfalls steigen, weil zu viel Müll auf dem Markt ist und die Verbrennungsanlagen daher überlastet sind. Ziegner weiß beispielsweise von einem bayerischen Entsorger, bei dem der Rechnungsbetrag um fast ein Fünftel steigen wird. In beiden Fällen hilft nur eins: „Holen Sie sich Angebote von allen Anbietern ein und vergleichen Sie!“, rät der ZTG-Geschäftsführer.
Mit Gelassenheit blickt Drott auf die Pläne der Bundesregierung, der batterieelektrischen Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen. „Bei der Diskussion nur noch auf Elektromobilität zu setzen, halte ich für einen Irrweg“, betont er. Man werde sehen müssen, inwieweit der alternative Antrieb an den Tankstellen Umsätze wegnehmen wird. „Aber im Moment sehe ich das noch nicht als Thema“, ergänzt der BTG-Mann.
Niveau wohl gleichbleibend
Zusammenfassend lässt sich aus den Gesprächen mit den Verbandschefs raushören, dass die Lage für die Branche in den kommenden Jahren nicht einfacher wird. „Durch die Kostensteigerungen und die nicht unbedingt wachsenden Erträge wird die wirtschaftliche Gesamtsituation mit ein bisschen Glück auf dem gleichen Niveau wie dieses Jahr bleiben. Wenn man Pech hat, wird sie etwas schlechter“, prognostiziert Drott. Die Folge: Zuschüsse und Sponsoringverträge wie Platzierungshilfen werden wohl weniger großzügig abgeschlossen. „Wirtschaft und Industrie sind sparsamer geworden, wie das halt bei einem beginnenden Abschwung so ist“, sagt der BTG-Geschäftsführer.
Ein Allheilmittel dagegen kennen auch die Verbandschefs nicht. „Es gibt kein Gießkannenprinzip, das bei allen funktioniert. Jeder Unternehmer muss sich für seine Standorte ein vernünftiges Konzept überlegen, eine realistische Vorausplanung machen und seine Kosten im Blick haben“, rät Drott. Dazu gehöre, den Wettbewerb genau zu beobachten und sich konzeptionell darauf einzustellen. Das könne bedeuten, das Angebot in bestimmten Bereichen auszuweiten oder zu streichen. Weitere Möglichkeit könnten sein, die Tankstelle nachts für ein paar Stunden zu schließen oder auf kostenfreie Services zu verzichten, natürlich immer in Absprache mit der Gesellschaft. Außer es stecke ein Servicegedanke dahinter, weswegen Kunden an die Station kommen.
Kollege Ziegner wird nicht müde zu betonen: „Alle Gesellschaften suchen Pächter. Da sollten sie sich ihres eigenen Wertes bewusst sein.“ Notfalls müsse man früh genug Schluss machen. Pächter sollten nicht warten, bis das Sicherheitenniveau erreicht sei. Ist jemand in der deutlichen Unterdeckung, werde ihm auch der Ausgleichsanspruch nicht aus den Schulden helfen, wenn er aufhört. „Wer merkt, dass es abwärtsgeht, sollte schnell genug die Notbremse ziehen und sich mit verbandlicher oder anwaltlicher Beratung von einem solchen Vertragspartner trennen“, empfiehlt der ZTG-Geschäftsführer. Eine Pachttankstelle sei kein Lebenswerk, sondern lediglich eine zeitweise Möglichkeit, Geld zu verdienen. „Und wer das anders sieht, ist schon emotional im Nachteil gegenüber seiner Mineralölgesellschaft“, ist Ziegner überzeugt.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 12.2019.)