Eines kann man nun wirklich nicht über die Tankstellenbranche sagen, nämlich dass sie keine neuen Ideen entwickelt. Mit großem Interesse verfolgten die knapp 300 Teilnehmer der diesjährigen BFT-Arbeitstagung im hessischen Willingen deshalb vor allem die Vorträge über Lösungen, die entweder den Arbeitsalltag der Unternehmer und ihrer Mitarbeiter erleichtern oder dabei helfen, zusätzliche Geschäfte und damit mehr Umsatz zu generieren.
Eine solche Lösung ist beispielsweise die App Hecfuel für Android und iOS von Systemhersteller Hectronic aus Bonndorf. Sie ermöglicht das Bezahlen der Tankrechnung direkt an der Zapfsäule mit dem Smartphone und ersetzt somit die physische Tankkarte. Bereits seit einem Jahr im Einsatz ist die App an den 100 Automatentankstellen der Baywa und seit einigen Monaten beim Aviaten Tessol. Hectronic kann die White-Label-Lösung jedoch auch an das Look-and-Feel anderer Mineralölgesellschaften anpassen, betonte Vertriebsleiter D-A-CH Sven Stottmeier.
Ebenfalls eine App hat Washtec mit Easycarwash auf den Markt gebracht, die Vertriebschef Raymond Salvetat präsentierte. Damit können Kunden ihre Fahrzeugwäsche über das Smartphone buchen und bezahlen. Zur Auswahl stehen Unlimitedwash, eine Flatrate für eine unbegrenzte Anzahl von Wäschen, die Washwallet, bei der das Guthaben festgelegt ist, sowie Singlewash für Einzelwäschen. Der Augsburger Hersteller verspricht insbesondere durch das Flatrate-Angebot eine höhere Waschfrequenz, eine besser verteilte Auslastung der Anlage, eine höhere Kundenbindung und höhere Umsätze. Passend zu den Vorträgen von Hectronic und Washtec referierte Weat-Geschäftsführer Jochen Wolf zum Thema „Payment Solutions – neue Entwicklungen auf dem Kartenmarkt“.
Auf das Portfolio der Industrie verlassen will sich das Mineralölunternehmen Q1 nicht und treibt die Entwicklung digitaler Produkte im eigenen Haus voran. IT-Chef Sebastian Herkenhoff zeigte dabei zum einen die digitale Bezahllösung Zahlz, zum anderen den Fuel Price Analyzer. Die Software veranschaulicht die Preisbewegungen an den Tankstellen und ermöglicht damit eine Analyse des Wettbewerbs im selbst definierten Umfeld. Herkenhoffs Team hat das Produkt jüngst überarbeitet, die Bedieneroberfläche aufgehübscht und die Geschwindigkeit erhöht. Künftig soll nicht nur die Darstellung der Preise in Echtzeit möglich sein, sondern auf Basis von verschiedenen Faktoren wie dem Wetterbericht auch eine Vorhersage der Entwicklung.
Vorschriftendschungel
Einige Referenten widmeten ihre Vorträge nicht konkreten Lösungen, sondern der Hilfestellung für die Unternehmer und Betreiber bei der Umsetzung neuer Richtlinien. So zeigte etwa Edmund Brück vom Forum Tankstelle, welche Dokumentationspflichten an der Tankstelle notwendig sind. Gunnar Westphal von der BFT-Akademie führte gemeinsam mit Huth-Geschäftsführer Ralf Zimmermann aus, welche Anforderungen der Gesetzgeber ab 2020 an das Kassensystem stellt und welche Auswirkungen das auf die Kassennachschau hat.
Was zum Thema Datenschutz bei der Videotechnik zu beachten ist, erklärte BFT-Geschäftsführer Stephan Zieger. Wer in der Regel beim Betrieb einer Tankstelle haftet, etwa wenn die Zapfpistole herunterfällt oder der Außenspiegel in der Waschanlage kaputtgeht, veranschaulichte Rechtsanwalt Ulrich Berscheid anhand von vielen Urteilen.
Guido Bündgen von Lekkerland referierte über das Thema Track & Trace, dessen Umsetzung die EU-Tabakproduktrichtlinie bis 20. Mai 2019 vorschreibt. Ab diesem Datum muss der Weg jeder Zigaretten- und Feinschnittpackung, Stange, jedes Kartons und jeder Palette nachvollziehbar sein und in einer zentralen EU-Datenbank erfasst werden, um Schmuggel und Fälschungen einzudämmen. Jeder Teilnehmer der Lieferkette, also auch die Tankstelle als Händler, muss sich bei der Bundesdruckerei, der zuständigen ID-Ausgabestelle, registrieren, damit er identifizierbar ist. Kunden von Lekkerland können die Registrierung, sobald dies möglich ist (voraussichtlich ab April 2019), dem Shoplieferanten übertragen.
Nicht zu viel Auswahl
Apropos Shop: Auch hierzu gab es Hilfestellungen und Tipps von den Experten. Die optimale Gestaltung der Kassenzone beleuchtete Andreas Strömer, Geschäftsführer vom Ladenbauer Heinrich Stracke. Er zeigte an zahlreichen Beispielen aus der Praxis, wie es richtig geht. Sein Tipp lautete: Getränke- und Backwaren-Topseller sollten auf dem Hauptkundenweg immer auf Armlänge platziert sein. Aber: Impuls hat nur einen kurzen Moment. Zu viel Auswahl kann auch verkaufshinderlich sein. Außerdem vertrat Strömer die Meinung, dass Grab & go immer dann besonders gut funktioniert, wenn die richtigen Waren mit den höchsten Verbundkaufraten zusammen platziert werden.
MCS-Geschäftsführer Torsten Eichinger war überzeugt, dass gerade Mittelständler mit Regionalität bei Kunden punkten und sich vom Wettbewerb mit den A-Gesellschaften abheben können. Dazu gehören das Angebot von regionalen Snacks und Getränken, eine Shopgestaltung oder zumindest Dekorationselemente, die regionale architektonische Besonderheiten aufgreifen, sowie die passende Kundenansprache beispielsweise mit „Moin“ oder „Grüß Gott“.
Regionalität bei der Produktauswahl hielt auch Patric Forget von Aryzta Food Solutions für einen der Erfolgsfaktoren im Bistro. Daneben müsse die Tankstelle Wert legen auf attraktive und individuelle Snacks, einen guten Service und ein Angebot in der Theke, das zu den verschiedenen Tageszeiten wechselt. So könne es die Tankstelle schaffen, sich gegen die Konkurrenz durch Bäckereien und den Lebensmitteleinzelhandel besser durchzusetzen und die Kundenfrequenz zu erhöhen.
Produktseitig kann der Tankstellenbetreiber seine Convenience-Kompetenz nicht nur beim Thema Essen unter Beweis stellen. Indem er auch im Shop auf Markenprodukte zu einem vernünftigen Preis setzt, kann hier noch mehr Umsatz generiert werden, war Sonax-Verkaufschef Patrick Ginster überzeugt. Sein Unternehmen möchte den Kunden mit einer breiten Produktauswahl und -gestaltung durch Farbe und Duft sowie convenienten Konzepten zur Seite stehen (siehe dazu http://tankstelle.sonax.de). Beim Thema Waschen empfahl Ginster klare Botschaften und Aktionen mit Kundenfokus.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 12.2018.)
Von zwei auf drei – Zahl der Workshops wegen guter Resonanz erhöht
Die Workshops vor und nach der eigentlichen Arbeitstagung feierten erstmals 2016 Premiere. Nachdem die Vortragseinheiten in etwas kleinerer Runde so viel Anklang fanden, entschieden sich die Veranstalter, auch in diesem Jahr wieder Workshops auf die Beine zu stellen – diesmal sogar drei statt zwei.
Streifzug durch die Alternativen
Moderiert vom ehemaligen BFT-Geschäftsführer Axel Graf Bülow trafen sich die Teilnehmer am Vormittag des ersten Tages zum Thema „Kraftstoffe“. Dabei präsentierte MEW-Geschäftsführer Steffen Dagger die Ergebnisse zweier Studien zum Thema synthetische Kraftstoffe, an denen sich der Verband beteiligt hatte. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Vorteile der E-Fuels wie die Nutzung der bestehenden Infrastruktur, die Einsetzbarkeit in allen Verkehrsträgern und natürlich die positive Umweltbilanz es wert sind, diesen Kraftstoff als Alternative zu konventionellen Energieträgern zu fördern. Dementsprechend will sich der Verband politisch einsetzen, um das Thema voranzutreiben. Adrian Brinster von der Unternehmensberatung P3 Group, und Christian Leu, Bereichsleiter Marketing & Produkte bei der Tokheim Service Group, brachen dagegen zumindest teilweise eine Lanze für die Elektromobilität, wobei auch sie dem Publikum zustimmten, dass der reine batterieelektrische Antrieb nicht das Allerheilmittel sein kann. Größeren Zuspruch fand dagegen unter anderem aufgrund der höheren Reichweite der Wasserstoff. Christian Amberger, Geschäftsführer des Mittelständlers Allguth, berichtete von seinen positiven Erfahrungen mit einer eigenen Wasserstofftankstelle an einer Station im Münchner Osten. „Wir sind nach einem Jahr im Betrieb überzeugt vom Wasserstoff als Energieträger der Zukunft“, resümierte der Unternehmer. Insgesamt waren sich alle Referenten in einem Punkt weitestgehend einig: Es wird nicht die eine „Silver Bullet“ geben, sondern die Mobilität der Zukunft wird aus einem Energiemix bestehen.
Kampf um den Kunden
Vom Forecourt in die Tankstelle ging es beim Workshop II zum Thema Shop. In seinem Vortrag „Shop und Bistro – Wie Sie aus den vermeintlichen Wettbewerbern Partner im Kampf um den Kunden machen“ zeigte MCS-Geschäftsführer Torsten Eichinger, wie sich die beiden Geschäftsbereiche gegenseitig befruchten können. Eine Möglichkeit sind dabei sogenannte Meal Deals, bei denen etwa ein Snack mit einem warmen oder kalten Getränk und einem Schokoriegel kombiniert wird. Erfolgsfaktoren für das Funktionieren solcher Angebote sind laut Eichinger die richtige Produktauswahl, ein attraktiver Preis, bei dem der Kunde den Spareffekt spürt, die richtige Platzierung, die einen Kaufimpuls auslöst, sowie eine entsprechende Kommunikation mit Werbung im Shop und im besten Fall bereits an der Zapfsäule. Betreiber sollten außerdem ihre Mitarbeiter dazu motivieren, die Meal Deals aktiv beim Kassieren anzubieten. Weitere verkaufsfördernde Maßnahmen wie die Positivbox von MCS, in der beispielsweise zwei Riegel zum Preis von einem Euro angeboten werden, können nicht nur im Shop, sondern auch im Bistro auf der Theke platziert werden und somit den Verkauf von Süßwaren steigern. Erst mit Skepsis, dann mit großem Interesse verfolgten die Tankstellenunternehmer den Vortrag von Lisa Henze, die für ihr Unternehmen Recup warb. Dabei handelt es sich um ein deutschlandweites Pfandsystem für Coffee-to-go-Mehrwegbecher. Der Kunde bestellt seine Kaffeespezialität in einem Recup- statt in einem Einwegbecher und zahlt dafür einen Euro Pfand. Den leeren Becher kann er deutschlandweit bei allen Recup-Partnern zurückgeben und erhält das Pfand zurück. Den Abschluss bildete Andreas Lang von Lekkerland, der ausführte, wie die Kombination aus einer bekannten Marke und motivierten Mitarbeitern zum Erfolg für das Kaffeegeschäft beitragen können.
Lösungen zum Akquisitonsgeschäft
Als neue Leiterin des Hauptstadtbüros des BFT durfte sich Sarah Schmitt in den vergangenen Monaten mit der Zahlungsdiensterichtlinie (Abkürzung PSD 2 von Englisch Payment Services Directive) „rumschlagen“. Welche Auswirkungen die neue EU-Richtlinie, die in Deutschland im novellierten Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) ihre Umsetzung findet, auf die Branche hat, war Thema ihres Workshops. Vertreter von BS Payone, Telecash beziehungsweise First Data, Lavego und Weat nutzten diesen Rahmen, um ihre Lösungen für die Umsetzung der Richtlinie zu präsentieren (mehr dazu: sprit-plus.de/akquisitionsgeschaeft). (ab)