Das waren noch Zeiten: 1970 gab es in Deutschland rund 46.000 Tankstellen, inzwischen liegt die Zahl bei knapp über 14.500 Stationen – und sinkt weiter. Immerhin hat sich dieser Trend verlangsamt: Während das Gesamtnetz zum 1. Januar 2017 rund 21 Stationen weniger zählte als Anfang 2016, waren es im Vergleich zwischen 2015 und 2016 noch 31 Tankstellen weniger. Gleichzeitig lässt sich aus der jüngsten Vergangenheit eine Verlagerungstendenz hin zum Mittelstand erkennen.
Das ist eines der zentralen Ergebnisse aus der Branchenstudie „Tankstellenmarkt Deutschland 2016“, die der BFT jährlich von der Rating-Agentur Scope erstellen lässt. Ziel der seit 2004 jährlich herausgegebenen Untersuchung ist eine differenzierte Darstellung des Tankstellenmarktes, die gleichzeitig Chancen- und Risikenpotenziale aus Sicht der konzernunabhängigen Stationen aufzeigt.
Als wichtigen Erfolgsfaktor für die Tankstelle bezeichnet die Studie neben dem Waschgeschäft das Shopgeschäft, was sich auch in zahlreichen neuen Konzepten der A-Gesellschaften und des Mittelstands widerspiegelt. Investitionen in die Produktpräsentation und in die Tank- und Waschtechnik machen sich daher bezahlt.
Ebenfalls erfreulich ist die Entwicklung der Brutto-Tankstellenmarge. Auch wenn diese in Deutschland im europäischen Vergleich weiterhin im unteren Bereich liegt, stieg sie im Vergleich zum Vorjahr beim Diesel um 2,9 Prozent und bei Eurosuper sogar um 10,7 Prozent an.
Eine große Herausforderung für die Zukunft der Tankstellenbranche ist laut Studie die Elektromobilität. Bisher hält sich der Erfolg der Prämie für E-Fahrzeuge, die die Bundesregierung zur Verfügung stellt, zwar noch in Grenzen. Und auch die Anzahl der elektrisch betriebenen Fahrzeuge auf deutschen Straßen liegt weit unter dem Ziel der Politik von einer Million Fahrzeuge bis 2020. Auch wenn aktuell keiner weiß, wo die Reise hingeht, darf sich die Branche diesem Thema nicht verschließen und sollte die Entwicklung genau im Auge behalten. Auf der Internetseite des BFT unter www.bft.de finden Sie die gesamte Studie zum Download.
Holger Förster, stellvertretender Vorsitzender, über den Wettbewerb mit den großen Gesellschaften:
„Man ist nicht besser und man ist nicht schlechter. Ich sage es einfach mal so: Man ist Mittelständler. Man gibt das Geld nur einmal aus. Man kann es auch nur einmal ausgeben. Und man muss deshalb versuchen, es zielgerichtet zu investieren. Oft ist bei Mittelständlern die ganze Familie involviert. So können diese Tankstellen kostengünstiger betrieben werden, als es eine große Gesellschaft kann. Der Arbeitseinsatz bei uns ist dafür aber auch größer: Der Betreiber steht in der Früh mit den Gedanken an die Tankstelle auf und geht abends mit den Fragen ins Bett: Was passiert morgen? Habe ich richtig investiert – oder nicht? Wir haben Glück, dass immer noch ein relativ starker Benzin- und Dieselkonsum vorherrscht, so dass die Leute tanken müssen. Das ist der Vorteil, weil damit in unserer Branche automatisch noch die Frequenz gegeben ist.“
Axel Graf Bülow, Hauptgeschäftsführer, zur Markttransparenzstelle für Kraftstoffe:
„Ich habe gegen die Einführung der Markttransparenzstelle gekämpft wie ein Berserker. Denn was damit gemacht wurde, ist der erste Schritt in Richtung Preisbindung. Das war für mich völlig klar. Doch wie das manchmal so ist: Der Markt stellt sich darauf ein. Inzwischen ist der Mittelständler, der mehrere Tankstellen hat, nicht mehr gezwungen, am Wochenende durch die Gegend zu fahren und zu schauen, ob er mit seinen Preisen noch richtig liegt. Er macht das einfach mit seiner App. Insofern ist das gut für den Familienfrieden.
Der Nachteil der ganzen Geschichte ist, dass die Nischenfunktion der freien Tankstellen mit ihren Unterpreisen vorbei ist. Der Vorteil einer Unterpreisstrategie ist kleiner geworden, weil die anderen Tankstellen zum Teil automatisch computergesteuert darauf reagieren. Wir Mittelständler haben aber oft nicht die Ressourcen, solche ausgefeilten Computerprogramme zu entwickeln, wie die großen Gesellschaften haben. Deswegen hat es nach Einführung der Markttransparenzstelle Margenverluste gegeben. Inzwischen hat sich das alles wieder eingependelt. Im Grunde war das eine Margenvernichtungsgeschichte, die zu nichts geführt hat – nur zu mehr Bewegung bei den Preisen.“
Jochen Vieler, Schatzmeister, über die Bedeutung der Tankstelle als Nahversorger:
„Wir haben mit der Tankstelle einen Versorgungsauftrag. Dabei denke ich nicht so sehr an die Großstädte, sondern an die ländlichen Gebiete. Stellen Sie sich mal vor, in einem 3.000-Einwohner-Dorf fällt auf einmal die letzte Tankstelle aus. Was machen denn dann diese 3.000 Menschen? Und warum fällt die Tankstelle aus? Weil der Absatz zu niedrig geworden ist und weil die Tankstelle dadurch nicht mehr die Frequenz hat. Und jetzt kommt der nächste Aspekt dazu: Die Mineralölbranche soll die Mobilität der Landbevölkerung aufrechterhalten. Ein großer Konzern argumentiert dann: Von der Rentabilität her können wir nicht mehr nach Kleinkleckersdorf fahren. Das rechnet sich für uns nicht.
Da kommen dann wieder wir Mittelständler ins Spiel. Was können wir in dem Augenblick noch tun? Wir haben kleine Overheads, wir haben eine sehr stark überwachte Kostenstruktur, so dass wir vielleicht in diesem Bereich noch Potenziale für uns finden können. Wobei es natürlich immer schwerer wird. Je mehr der Markt zusammenbricht, je eher sind die Grenzanbieter auf dem Land betroffen. Und das ist ein entscheidender Punkt, den die Politik im Augenblick noch nicht so beachtet: Wir setzen damit die Mobilität der Landbevölkerung aufs Spiel.“
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ 5/2017.)