Autofahrer, die am 11. Juli zur Mittagszeit die Aral-Tankstelle in der Tegernseer Landstraße in München ansteuerten, sahen am Preismast Erdgas für 1,13 Euro, Super E5 kostete 1,35 Euro. Obwohl Tankstellenkunden äußerst empfindlich bei Kraftstoffpreisen sind, ziehen die wenigsten trotz des Preisvorteils von 22 Cent pro Einheit und bekannten Umweltvorteilen in Betracht, künftig auf ein Erdgasauto umzusteigen: Zu wenig Fahrzeugmodelle stehen zur Auswahl, gerade einmal 900 Tankstellen bieten CNG an und bis 2026 wird der eben verlängerte Steuervorteil endgültig abschmelzen.
Die Attraktivität von CNG-Fahrzeugen ließe sich steigern, wenn am Preismast der wahre Preisvorteil zu sehen wäre, ist die Deutsche Energie-Agentur (Dena) überzeugt, die der Bundesregierung beim Erreichen der energie- und klimapolitischen Ziele helfen soll. Während die Preise für Erdgas und Wasserstoff in Kilogramm angegeben werden, zeichnet man flüssige Kraftstoffe mit einem Raummaß, nämlich in Litern, aus. Allerdings – und das ist dem Kunden nicht ersichtlich – entspricht der Energiegehalt von einem Kilogramm CNG rund 1,5 Litern Superbenzin. „Um emissionsarme alternative Kraftstoffe erfolgreich am Markt einzuführen, ist es wichtig, dass der Verbraucher den Preisvorteil dieser Kraftstoffe möglichst direkt erkennt; dafür ist die Preisauszeichnung von zentraler Bedeutung“, hat die Dena erkannt.
Vergleichswerte erwünscht
Das sieht die Europäische Union genauso. Im Jahr 2014 hat sie eine Richtlinie erlassen, die den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe ermöglichen soll. Insbesondere für Erdgas und Wasserstoff sollten „auf eine Maßeinheit bezogene Vergleichspreise zu Informationszwecken angezeigt“ werden. Wie die erwünschte Vergleichbarkeit geschaffen werden kann, legte die EU-Kommission in die Hände der Dena, die die Ausschreibung gewonnen hatte.
In der Anfang April vorgestellten Studie hat die Dena vier Methodiken für eine bessere Transparenz erarbeitet, deren zwei sie der Kommission empfiehlt. Die erste Möglichkeit ist ein Versuch, die Kosten pro 100 Kilometer darzustellen. Das würde dem Verbraucher „das vollständigste Bild der Kraftstoffkosten vermitteln und ihm einen direkten Vergleich zwischen den Antriebstechniken ermöglichen“, weil sowohl der Energiegehalt als auch die Antriebsstrangeffizienz berücksichtigt werden. Problematisch an dieser Darstellungsform ist jedoch, dass Durchschnittswerte zugrunde gelegt werden. Individuelles Fahrverhalten und tatsächliche Motoreneffizienz können stark von der Modellrechnung abweichen. Das herkömmliche Preisauszeichnungsmodell am Preismast könnte es demnach nicht ersetzen, sondern lediglich als zusätzliche Information dienen, zum Beispiel als Aushang oder auf digitalen Anzeigen an und in der Tankstelle.
Benzinliter-Äquivalent
Als zweite Methodik schlägt die Dena ein sogenanntes Benzinliter-Äquivalent vor. Damit könnten Verbraucher die Kosten für alternative Kraftstoffe auf den Energiegehalt eines Liters Benzins bezogen vergleichen und so mögliche Preisvorteile rascher erkennen. Würde die vorhin genannte Aral-Tankstelle die Preise nach diesem Modell auszeichnen, hätte der Preisunterschied nicht bloß 22 Cent, sondern 57 Cent (Benzinliter-Äquivalent 0,78 Euro) betragen. Der große Kritikpunkt an diesem Verfahren ist, dass es den unterschiedlichen Effizienzgraden der Antriebstechnologien nicht Rechnung trägt.
Weil die erste Methodik verbraucherfreundlicher, die zweite genauer ist, regt die Dena an, einen Hybrid aus beiden zu lancieren: den Ansatz „Euro pro 100 Kilometer“ als ergänzende Form, das Benzinliteräquivalent am Preismast. Zudem rät die Dena der EU, Webseiten oder Apps zu gestalten, die Verbraucher nicht nur über Kraftstoffverbräuche, sondern auch über weitere kaufentscheidungsrelevante Kriterien informieren.
Frühestens im dritten Quartal 2017 wird die Kommission einen Entwurf entwickeln und diesen mit den Mitgliedsstaaten diskutieren. Stefan Siegemund, stellvertretender Bereichsleiter erneuerbare Energien und energieeffiziente Mobilität bei der Dena, erklärt: „Es ist nicht vor Ende des Jahres mit einer Entscheidung zu rechnen.“ Bis der Entwurf danach in nationales Recht umgesetzt wird, hänge sehr stark vom Interesse und der Priorität der Mitgliedstaaten ab. Jedoch sollte man hier mindestens von einem Jahr ausgehen, glaubt Siegemund.
(Autor: Michael Simon; der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 8.2017.)