„Gebt mir ein K, M, N. Gebt mir ein K, K, M, N. Gebt mir ein K, K, K, K, M, N“, ruft der Deutschrapper Azet ins Mikro. Und die ihm gegenüberstehende Menge echot ihm aus vollem Hals die Konsonanten entgegen, während die meisten gleichzeitig mit dem Smartphone auf den 26-Jährigen und seinen Begleiter Zuna, ebenfalls Deutschrapper und Mitglied der KMN-Gang, halten. Dann dröhnt wieder Musik aus den Lautsprechern und die hauptsächlich männlichen Jugendlichen stimmen gemeinsam mit den beiden Künstlern in den Text ein: „Le le le, Alles hat einen Grund, le le le Wann komm’ ich zur Vernunft? le le le“.
Würde sich diese Szene in einer Konzerthalle irgendwo in Deutschland abspielen, wäre sie nicht weiter berichtenswert. Doch der Ort des Happenings ist eine Tankstelle von Sprint in Neukölln und drei Stunden vor besagter Szene wussten die meisten Anwesenden noch nicht einmal, dass hier die beiden Deutschrapper den Release ihres neuen Albums „Super Plus“ feiern werden, das sofort nach der Veröffentlichung auf Platz eins der Charts sprang.
Zu den Eingeweihten gehörte natürlich Benjamin Kraatz, Marketingchef bei Sprint. „Auch ein ‚überraschendes‘ Guerilla-Konzert lebt davon, dass es perfekt geplant ist“, verrät er. Und diese Planung zog sich über Monate: Bereits Ende Oktober 2018 kam die Künstleragentur Twosides, die Azet und Zuna vertritt, auf die Gesellschaft zu und schlug eine Kooperation vor. Warum man ausgerechnet bei Sprint anfragte, hatte laut Kraatz mehrere Gründe: Eine Mitarbeiterin von Twosides wohnt neben einer Sprint-Tankstelle, außerdem gefiel der Agentur die neue Marketingkampagne der MÖG, die mit Wortspielen und Doppeldeutigkeiten ein freches und cooles Image vermitteln will. Nicht zuletzt ähnelt der Sprint-Schriftzug der Typo vom neuen Album, dessen Titel eine Tankstelle als Ort für das Release-Konzert nahelegt.
Kraatz zeigte sich von Beginn an aufgeschlossen für eine Kooperation. Doch schnell wurden auch die Herausforderungen deutlich: „Bei den Gesprächen präsentierte Twosides zum Teil Ideen, wo wir als Mineralölgesellschaft erstmal dachten: ‚Ach du meine Güte, wie sollen wir das hinkriegen‘“, erinnert er sich. Dazu gehörten Vorschläge wie die Preismasten mit dem Superplus-Schriftzug des Albums zu überkleben oder die Tankstelle zu folieren.
Das Bauchgefühl entschied
Ausschlaggebend für das endgültige Ja von Sprint war ein Shooting für das Album an der Sprint-Tankstelle in Jessen. Die Fans konnten auf Instagram die Entstehung verfolgen, die Resonanz war riesig. Und obwohl der Sprint-Schriftzug auf den Fotos nicht sichtbar ist, erkannten einige die Marke und sogar den Standort der Station. „Wir wussten nicht wirklich, worauf wir uns mit der Kooperation einlassen. Aber mein Bauchgefühl hat mir da gesagt, dass hier gerade etwas Magisches entsteht“, berichtet Kraatz. Die Geschäftsführung vertraute ihrem Marketingchef und so ging es an die konkrete Planung mit Twosides für das Event in Neukölln, dem sich Ende 2018 Red Bull als dritter Partner im Bunde anschloss.
Die Durchführung des Release-Konzerts war bis zum letzten Detail organisiert, auch wenn es wie eine spontane Aktion wirken sollte. „Die beiden Künstler haben die Fans einige Tage vor dem Event dazu aufgerufen, die Instagram-Seite sprint_tank zu ‚überfluten‘ – in ihren Worten ‚zu zerstören‘. Wenn genug Follower und Beiträge kommen, würden sie an einer Tankstelle ein Release-Konzert veranstalten“, erzählt Kraatz. Nach den ersten Beiträgen auf der Sprint-Seite und hunderten neuen Fans hatte die Berliner Mineralölgesellschaft vorgeblich überrascht zurückgepostet: „Was ist denn hier los?“
Einige Tage vor dem Konzert verrieten die Künstler, dass es in Berlin stattfinden werde. Erst etwa eine halbe Stunde vor ihrer Ankunft an der Tankstelle gab das Nummer-eins-Duo dann auf Instagram den genauen Event-Standort bekannt und motivierte vorbeizukommen: „Es gibt alles auf Nacken und ein paar Songs vom neuen Album.“ Die Follower kamen in Scharen, von bis zu 600 Anwesenden spricht die Künstleragentur.
Und die erlebten den Tag ihres Lebens: Vor dem Live-Konzert durften immer zwei Dutzend Fans die Absperrung vor dem Eingang passieren und sich mit den beiden Künstlern fotografieren. Ein weiteres Highlight war, dass es alles „auf Nacken“, also umsonst gab. Dafür hatte Sprint im Vorfeld Alkohol, Zigaretten und Kfz-Zubehör aus dem Sortiment genommen. „Ihr dürft klauen. Alles gehört euch. Nehmt den Laden auseinander“, forderten die Künstler ihre Fans auf. Das ließen sich die Jugendlichen nicht zweimal sagen und stopften ihre Taschen, Kapuzen und Jacken bis obenhin mit Chips, Riegeln, Gummibärchen und Red Bull voll. Die Frage eines 13-Jährigen nach einer Tüte an Sprint-Geschäftsführer Volker Kretschmer kommentierte dieser schmunzelnd mit „Nur so viel, wie du tragen kannst“.
Zwei Stunden später war der ganze Spuk vorbei und die Tankstelle fast komplett leer geräumt. „Trotz des Invests etwa für die Shopware und den Kraftstoffausfall hat sich die Aktion auf jeden Fall gelohnt. Der Mediawert, den wir dagegen bekommen, ist unbezahlbar“, resümiert Kraatz zufrieden.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 4.2019)
Das Video von der Veranstaltung