Herr Zacharias, die Esso blickt positiv auf 2015 zurück. Sehen Ihre Mitglieder das ebenso?
Ja. Das lag vor allem an den günstigen Krafstoffpreisen. Subjektiv war es für die Kunden erfreulicher zu tanken, und deshalb haben viele auch gleich noch etwas im Shop gekauft. Selbst an den Stationen, an denen es Belastungen durch den Mindestlohn gab, ist ein Großteil durch Preisanpassungen im Shop aufgefangen worden. Wo dies nicht ausgereicht hat, gerade bei den Pächtern in Niedriglohngebieten, hat die Esso entsprechend mit Pachtanpassungen geholfen.
Wie sehen die ersten Prognosen für 2016 aus?
Das Umfeld ist ähnlich wie 2015: Die Spritpreise sind noch relativ weit unten und die Grundstimmung in Deutschland ist eher positiv. Wenn man von den Absatzzahlen ausgeht, wird das Geschäft wohl ähnlich verlaufen wie im vergangenen Jahr.
Hat sich dieser positive Trend in den Pächtergewinnen niedergeschlagen?
Leider nicht. Das ist ein Grundproblem, das wir und übrigens auch einheitlich die Steuerberater derzeit in der Branche sehen. Die niedrigen Pächtergewinne sind deshalb ein Thema, das wir als Verband in Zukunft noch stärker angehen wollen und müssen. Aus diesem Grund haben viele Pächter so nicht die Möglichkeit, adäquat fürs Alter vorzusorgen. Wir von der IG Esso haben deshalb große Sorgen, dass viele in die Altersarmut fallen, wenn sie aus dem Berufsleben ausscheiden.
Wie reagiert Esso auf diese Kritik?
Esso sieht das Problem zwar. Aber sie argumentieren, dass der Markt derzeit nicht mehr hergeben würde und dass die anderen Gesellschaften ähnlich agieren. Man sei mehr oder weniger markttechnisch gebunden und könne deshalb den Pächtern kein höheres Einkommen ermöglichen. Da beißt sich aber die Katze in den Schwanz, weil dieses Argument alle Gesellschaften vorbringen. Dabei ermöglicht beispielsweise Aral auch deutlich höhere Pächtergewinne.
Mit einem niedrigen Pächtergewinn lockt man zudem nicht die qualifiziertesten Partner an …
Richtig. Natürlich finde ich auch für 40.000 Euro Jahresgewinn vor Steuern immer jemanden. Aber das ist in der Regel kein Pächter, der diesen Job wirklich machen möchte und in der Branche eine Zukunft sieht, sondern weil er sonst nichts anderes findet. Und das ist unserer Ansicht nach kein nachhaltiges Wirtschaften eines Mineralölunternehmens. Denn im Endeffekt ist der Pächter ein Vertriebler, der in der Regel vor allem mit Geld zu motivieren ist. Mit den niedrigen Pächtergewinnen und keine Aussicht auf mehr erzieht die MÖG ihre Pächter dagegen zu Verwaltern. Niemand ist motiviert, einen Mehrertrag zu erwirtschaften, wenn der nicht bei ihm selbst bleibt, sondern von der Gesellschaft weggepachtet wird.
Neben den Pächtergewinnen war das neue Kassensystem Thema beim Esso-Gespräch. Wie ist da der aktuelle Stand?
Die Kassenverträge im Esso-Netz werden zum 1. Januar 2017 geändert, und zwar unabhängig davon, ob jemand zu dem Zeitpunkt schon eine neue Kasse bekommen hat oder nicht. Dann soll es keine klassischen Kassenpachten mehr geben, sondern eine einheitliche Systemgebühr. Das bedeutet: Die Partner zahlen einen Betrag dafür, dass sie unter anderem das Eigengeschäft über die Systeme der Esso abrechnen können. In dem Betrag sind also mit Ausnahme der Flottenkartenumsätze im Eigengeschäft sämtliche Gebühren und die neue Kasse enthalten. Ob diese Konstruktion der Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Kassenpachten standhält, wird die Zukunft zeigen. Sie ist aber auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung und wird für die meisten Stationen eine Kostenentlastung bringen.
Und was passiert mit der ursprünglichen Kassenpacht?
Eigentlich müsste Esso die Kassenpacht aus den Flat-Fee-Verträgen der Pächter rausrechnen, weil es dafür ja die Systemgebühr gibt. Das ist laut aktuellem Stand nicht der Fall. Wir haben darauf hingewiesen, dass in der Flat-Fee ein Kassenanteil steckt und die Betreiber dann für die Kasse quasi doppelt zahlen. Wir werden sehen, ob Esso das noch anpassen wird.
Wie sieht die IG Esso insgesamt die neue Kassenlösung?
Grundsätzlich ist es ein großer Vorteil, insbesondere für die Händler, dass es nur noch eine Systemgebühr gibt, die deutlich niedriger liegt als die Kassenpachten. Ebenfalls ein großer Vorteil ist, dass im Zuge der Umstellung die Kreditkartengebühren wegfallen. Das ist eine große Ersparnis für viele Stationen, die bisher durch die Gebühren stark gebeutelt werden. Insgesamt finden wir die neue Kasse sehr gut, aber an ein paar Sachen sollte noch gedreht werden.
Zum Beispiel?
Bei einer Zahlung von Adblue mit den Flottenkarten wünschen wir uns, dass die sechs Prozent Gebühren gestrichen werden. Diese Gebühr muss der Betreiber auf den Adblue-Preis draufschlagen, um seine Marge zu sichern. Da insbesondere beim Lkw-Geschäft Spritpreis und Adblue-Preis zusammengehören, könnte dies zu Kundenverlusten führen. Esso will diesen Vorschlag nun prüfen.
Weitere Themen des Jahresgesprächs im Überblick
+ Bakery Club: Die Teilnahme am Bakery-Club-Programm von Esso ist freiwillig.
+ Kraftstoff: Esso führt in Deutschland aktuell unter dem Namen Synergy neue Kraftstoffqualitäten ein.
+ Tests: Esso führt vom 1. August bis zum 31. Dezember 2016 einen Deutschland-Card-Test und seit Juli 2016 für zwölf Monate einen Mystery-Shopping-Test an Stationen in Hessen und Nordrhein-Westfalen durch.
+ Kommunikation: Die Umstellung auf E-Mail bei der Partnerkommunikation schreitet weiter voran.
+ Dienstbarkeiten in Händlerverträgen: Esso ist bereit, den Standardtext der schuldrechtlichen Verpflichtung zur Eintragung der bedingt persönlichen Dienstbarkeit dahingehend zu ändern, dass an ein bestimmtes, datummäßiges Ende angeknüpft wird.
(Das Interview erschien in Ausgabe 8/2016 von Sprit+.)