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Interview: Vieles in der Pipeline

01.06.2017 14:00 Uhr
Interview: Vieles in der Pipeline
„Eine Automatentankstelle baut man nur, wenn man nicht genügend Kunden hat, um eine richtige Tankstelle zu bauen“, ist Carsten Pohl überzeugt.
© Foto: Annika Beyer

Mit der Tiefpreisgarantie hat sich Carsten Pohl wenig Freunde in der Branche gemacht. Warum er das Angebot trotzdem als Erfolg betrachtet und welche Projekte er noch in der Pipeline hat, verrät der Geschäftsführer der Deutschen Tamoil im Interview.

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Herr Pohl, laut Ihrer Aussage war das Jahr 2016 das beste Jahr der Firmengeschichte. Woran machen Sie das fest?
Weil wir das beste Ergebnis unserer Unternehmensgeschichte erzielt haben. Obwohl die Branche seit der Jahrtausendwende eigentlich den Trend verzeichnet, dass die Kraftstoffabsätze langfristig zurückgehen, haben wir 2016 wieder mehr Diesel und Benzin verkauft. Im Waschgeschäft hat das Jahr eher langsam angefangen, aber dafür ist das zweite Halbjahr sehr gut gelaufen. Und unser Shopgeschäft ist seit Jahren erfolgreich, weil wir wunderschöne Shops bauen und frühzeitig auf das Thema Bistro und Kaffee gesetzt haben.

Profitieren denn auch Ihre Partner von einem so guten Jahr?
Wenn man eine Tankstelle erfolgreich führen will, dann muss man den Tankstellenbetreiber und die Gesellschaft als eine Einheit sehen. Wir wissen, dass wir nur erfolgreich sind, wenn beide Freude am Tankstellengeschäft haben. Und wenn das Geschäft besser läuft, soll es sich für beide Seiten lohnen. Da muss man einen Weg finden, wie man das vertraglich abbildet.

Wie machen Sie das bei der Deutschen Tamoil?
Wir haben ein Pachtsystem, das abhängig von den Umsätzen ist. Das heißt, wenn das Geschäft besser läuft und der Partner mehr verkauft, dann nimmt er mehr Geld ein und wir bekommen mehr Pacht. Insofern haben wir eine automatische Pachterhöhung dadurch, dass mehr Umsatz gemacht wurde. Insgesamt liegen unsere Pächtergewinne über dem Eurodata-Branchendurchschnitt.

Und was ist, wenn die wirtschaftliche Situation für den Partner schwieriger geworden ist?
Mit der Einführung des Mindestlohns 2015 hatten wir eine Situation, die der Partner nicht mehr alleine bewältigen konnte. In solchen Fällen suchen wir grundsätzlich nicht nach einer netzweiten Lösung, sondern betrachten jeden Standort für sich allein. Die Lösung kann dann aus mehreren Elementen bestehen: Wir leisten unseren Beitrag, um das Geschäft zu verbessern. Deshalb haben wir uns als Unternehmen mit einem deutlichen Millionenbetrag engagiert, um dazu beizutragen, dass sich die Partnergewinne in eine richtige Richtung entwickeln. Dann muss man sich zum Beispiel die Kostenentwicklung anschauen, sowohl unsere Kosten als auch die des Partners, und sehen, was man optimieren kann. Am Ende muss jeder tun, was die Wirtschaftlichkeit in seinem Bereich verbessert.

Das heißt, Ihre Tankstellen sind durch den Mindestlohn nicht ins Schleudern geraten?
Nein, weil wir uns lange vor der Einführung mit den Tankstellenpartnern und Steuerberatern zusammengesetzt und geschaut haben, was man tun kann. Ein Element war die genannte finanzielle Unterstützung von uns.

Ende 2016 hat die Branche mit Spannung das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Kassenpacht erwartet. Was sagen Sie zu der Entscheidung?
Es ist ein aktuelles Thema in der Branche, aber nicht bei uns. Mit Eigentümertankstellen haben wir zwar sehr individuelle Vereinbarungen, aber fast 90 Prozent unserer Tankstellen sind an die Betreiber verpachtet. Hier haben wir vor vielen Jahren das Thema Kassenpacht und Kartengebühren im Eigengeschäft neu betrachtet und entschieden, dass das die Partnerschaft zwischen den Betreibern und uns nur verkompliziert. Wenn ein Kunde zu uns an die Tankstelle kommt, dann freuen wir uns. Und wenn er mit Karte zahlen will, dann freuen wir uns auch und dann wollen wir nicht, dass der Partner in dem Moment denkt, dass er eine Gebühr zahlen muss.

Bei der HEM ist man einen eigenen Weg gegangen, indem man keine Kassenpacht verlangt hat, sondern von den Pächtern eine pauschale Gebühr für die „Wartung und systemkonforme Nutzung der ISDN- und Datenleitung“ erhoben hat. Gibt es das heute noch?
Grundsätzlich nicht, wir haben die Nutzung der Systeme in unseren Standardverträgen schon vor Jahren anders geregelt und in dem Zuge auf entsprechende Gebühren verzichtet.

Eine Betreiberin hat im vergangenen Jahr vor dem Oberlandesgericht Hamburg auf die Rückzahlung dieser Gebühr aus den Jahren 2010 und 2011 geklagt, weil es sich dabei um eine Unterlage im Sinn des § 86a Handelsgesetzbuch handelt. HEM ist in Berufung gegangen und wollte die Gebühr aufteilen, weil die ISDN-Leitung sowohl für Agenturzwecke als auch für den unternehmerischen Bereich des Handelsvertreters genutzt wird. Damit hatten Sie ebenfalls keinen Erfolg. Laut OLG ist bei einer ISDN-Leitung keine solche Trennung möglich, weil sie ein „einheitlicher Gegenstand“ ist. Waren Sie mit dieser Entscheidung einverstanden?
Wenn man zugrunde legt, dass wir 400 Tankstellen in Deutschland haben, kann man davon ausgehen, dass es immer mal wieder eine Situation gibt, in der sich zwei Parteien nicht einigen können. Aus meiner Sicht haben wir das Thema durch die Abschaffung der Gebühren vor Jahren abgehakt. Das ist der Grund, warum ich mich inhaltlich mit diesem vorliegenden Fall nicht auskenne, auch wenn es da einen Prozess gegeben haben mag. Wir sehen in die Zukunft und nicht so sehr in die Vergangenheit und haben das Thema bei uns im Haus geregelt.

Ebenfalls einen eigenen Weg geht die HEM mit der Tiefpreisgarantie. Dabei erhält der Autofahrer den Preis des billigsten Wettbewerbers im Umkreis von fünf Kilometern, wenn er die Clever-Tanken-App beim Bezahlen vorzeigt. Wie wird das Angebot angenommen?
Auf das Jahr bezogen wird die Tiefpreisgarantie millionenfach genutzt. Diese Zahl ist seit Einführung konstant geblieben. Aus unserer Sicht ist das Angebot ein Erfolg, weil es den Kunden dazu erzieht, preissensibel zu sein. Außerdem gibt es zwei Studien von unabhängigen Wissenschaftlern über die Wirkung der Tiefpreisgarantie, in denen wir mit Lob überschüttet wurden.

Befürchten Sie keine Preisspirale nach unten?
Was wir gesehen haben, ist, dass sich die Preissenkungsdynamik nach Einführung der Markttransparenzstelle für Kraftstoffe (MTS-K) massiv gesteigert hat. Aber diese Preisspirale nach unten sehen wir ja in Deutschland jeden Tag, und das seit vielen Jahren. Kraftstoff ist ein Produkt, das aus Kundensicht relativ austauschbar ist, weshalb der Preis eine große Rolle spielt. Wenn man teurer ist als der Wettbewerb, dann gehen viele nun mal zum billigsten Anbieter. Ich glaube jedoch nicht, dass unser Angebot zu unseriösen Preiserosionen geführt hat.

Ein ganz neues Projekt der HEM ist die Kooperation mit Tanktaler. Mit dieser App können Kunden direkt an der Zapfsäule zahlen. Warum machen Sie das?
Bis zur Einführung der MTS hat das Internet in der Kundenbeziehung keine so große Rolle in unserer Branche gespielt. Das ändert sich nun zunehmend. Für uns ist es wichtig, dass wir bei dieser neuen Kombination von realer und virtueller Beziehung des Menschen zur Tankstelle schneller und besser erkennen, was der Kunde will und das auch besser umsetzen als unsere Wettbewerber. Das ist der Grund, warum wir das Thema Tanktaler so interessant finden, weil es genau in dieser Dynamik einen sehr interessanten Platz bieten kann.

Wie ist der Projektstatus?
Der Test läuft seit etwa zwei Monaten bundesweit an wenigen Tankstellen und wird sukzessive ausgeweitet. Wenn das so läuft, wie wir uns das vorstellen, wird man in diesem Jahr an fast allen Tankstellen von HEM Tanktaler benutzen können.

Ist auch geplant, die Flottenkarte zu digitalisieren?
Wir fragen uns natürlich, welche Zukunft so eine Plastikkarte hat. Ich rechne damit, dass die Karte als Medium zunehmend verschwinden und durch ein anderes Medium, beispielsweise eine App, ersetzt wird. Hier hat man natürlich ganz andere Möglichkeiten, weil solche Systeme intelligenter sind als eine Plastikkarte. Mehr möchte ich dazu noch nicht sagen.

Dann verraten Sie uns doch etwas mehr zu Ihren Plänen in Bezug auf die Netzstrategie.
Netto stagniert die Zahl unserer Tankstellen bei 400, aber im Hintergrund tut sich natürlich einiges. Wir haben kleinere Anlagen aus dem Netz genommen und dafür andere Tankstellen hinzubekommen. Wir verfolgen dabei seit Jahren das Ziel, eine bundesweite Präsenz aufzubauen. Insbesondere im Süden des Landes wollen wir noch ein paar weiße Flecken besetzen. Lassen Sie es mich so formulieren: Wenn der Tank auf Reserve springt, soll der Autofahrer immer noch an eine unserer Tankstellen kommen.

Welche Rolle spielen Automatentankstellen in Ihrem Netz?
Ich sehe das so: Eine Automatentankstelle baut man nur, wenn man nicht genügend Kunden hat, um eine richtige ­Tankstelle zu bauen. Wir haben glücklicherweise sehr viele Kunden und bauen gerne richtig schöne Tankstellen. Und ich glaube, der deutsche Kunde hat überhaupt kein Interesse daran, an eine Automatentankstelle zu fahren, weshalb sie sich in Deutschland auch nie durchgesetzt haben.

Wie sieht es bei Ihnen mit dem ­Angebot an alternativen Kraftstoffen aus?
Wir haben uns damals das Thema angeschaut und innerhalb sehr kurzer Zeit Autogasanlagen in der Hälfte von unserem Netz ausgerollt. Aus meiner Sicht ist das Produkt Autogas die einzige Alternative zu Benzin und Diesel, die im Markt erfolgreich war.

Und Erdgas?
Erdgas hat sich im Markt nie durchgesetzt und war trotz der Begünstigung nie eine wirtschaftlich sinnvolle Alternative. Wir haben zwar Erdgastankstellen, aber nur sehr vereinzelt.

Wie stehen Sie zum Thema E-Mobilität?
Wir müssen schauen, was der Kunde haben will, und das müssen wir ihm heute anbieten. Aber aktuell glaube ich nicht, dass Ladesäulen, so wie es sie heute gibt, viel genutzt werden. Keiner wartet eine halbe Stunde an der Tankstelle, bis sein Auto wieder vollgeladen ist. Wenn es irgendwann E-Fahrzeuge gibt, die sinnvoll unterwegs an einer Tankstelle mit Strom geladen werden können, und der Kunde das wirklich will, dann werden wir dementsprechend schnell reagieren. Was wir nicht machen werden, ist, dass wir Ladesäulen installieren, von denen wir nicht überzeugt sind, dass sie ­funktionieren. Das einfach nur mal auszuprobieren, macht ­keinen Sinn.

Sie sprachen eingangs davon, wie erfolgreich Ihr Shopkonzept mit dem Bistro Vital ist. Wie unterscheiden Sie sich Ihrer Meinung nach vom Wettbewerb?
Wir haben unser neues Shoplayout vor einigen Jahren eingeführt, als so etwas in der Branche noch ein Novum war. Das hat dazu geführt, dass der Kunde in den Shop reingegangen und erst mal stehen geblieben ist, weil es nicht wie eine Tankstelle ­gewirkt hat. Natürlich haben sich auch unsere Wettbewerber in den letzten Jahren weiterentwickelt und man sieht immer mehr neue Ideen. Deshalb werden wir aber nicht wilde, verrückte Sachen machen, nur um einfach außergewöhnlich zu sein.

Vita:

Carsten Pohl, Jahrgang 1966, studierte Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsakademie Hamburg. Anschließend arbeitete er sieben Jahre bei der Deutschen Shell im Innen- und Außendienst. 1995 wechselte er zu dem inhabergeführten Mineralölhandelsunternehmen Hamburg Eggert Mineralöl. Nach der Übernahme des Unternehmens durch die Oilinvest-Gruppe hatte er verschiedene Funktionen in Deutschland und Europa inne. Im Jahr 2000 übernahm er die Leitung des Tankstellengeschäfts. Seit 2011 ist Pohl Geschäftsführer des in Deutsche Tamoil umfirmierten Unternehmens. (ab)

(Das Gespräch führte Annika Beyer; Das Interview erschien in Sprit+ Ausgabe 6/2017.)

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