Die Situation hat sich in mein Hirn eingebrannt: Ein Kollege, der mich in den ersten Tagen in meinem neuen Tankstellenshop besuchte, griff im Regal hierhin und dahin, zog diesen Artikel vor, drehte jene Flasche ein Stück. „Was macht der da?“, fragte ich mich. Ich fühlte mich kritisiert durch diese gut gemeinten Handgriffe. Der erfahrene Mann erklärte mir, dass es wichtig sei, die Artikel im Shop gut zu präsentieren.
Als ob ich das nicht auch wüsste, flüsterte meine innere Abwehr. Morgens um halb acht waren wir halt noch nicht zum Auffüllen gekommen, versuchte ich mich zu verteidigen, schon gar nicht bis in die letzte Ladenecke. Und die Flaschen im Getränkekühler sollten doch das schräge Blech nach vorn rutschen, da war in vielen Reihen das Etikett der vordersten Flasche zur Seite gedreht. Das ist doch sicher überall so, rechtfertigte ich mich im Stillen.
Chaos am Morgen
Heute weiß ich es besser. Denn der Kollege hat recht. Besonders am Morgen fällt ins Auge, dass viele Warenträger vorn leer sind, dabei wollen wir doch kein Blech verkaufen. Einige Produkte liegen wie hingeworfen verkehrt herum im Regal, die bekannte Verpackung aus der Werbung hat ihre Wiedererkennung verloren. Und manche Artikel finden sich ganz woanders im Shop wieder, wo sie aber nicht vom Kunden gefunden werden.
Warten Sie nicht, bis ein Sortiment nach dem anderen perfekt aufgefüllt wird. Es kann bis zum Abend oder gar bis zum nächsten Tag dauern, bis Ihre Mitarbeiter jedes Regal aufgeräumt haben. Wenn in der Früh und am besten zu jedem Schichtbeginn eine schnelle Tour durch alle Gänge erfolgt, bei der jede Platzierung nur vorgezogen und hingedreht wird, dann kann das Auffüllen warten.
Sogar die Drehung des ersten Getränks in einem schrägen Rutschsystem lohnt sich, denn auch hier wählt der Kunde in der üblichen Eile. Wenn er die gewünschte Sorte nicht findet, weil er das Etikett nicht erkennt, dann wird er den Laden möglicherweise ganz ohne Getränk verlassen. Eine Umsatzchance ist vertan.
Außerdem schaut der Shop insgesamt mit vorgezogenen und richtig herumgedrehten Artikeln einladend, gefüllt, übersichtlich und verkaufsaktiv aus. Das lockt Kunden an, gibt Kaufimpulse und einen schnellen Überblick und hilft bei der Entscheidung. Ein anderer positiver Effekt der geordneten Warenpräsentation: Potenzielle Ladendiebe werden eingeschüchtert. Die eine Lücke, die ihr Griff zum Beispiel in der Reihe der Spirituosen hinterlässt, scheint zu verräterisch.
Ich habe also aus dem Besuch des Kollegen gelernt und auch den Blick meiner Mitarbeiter für die Sichtung der Regale geschärft. Wir haben sogar noch weiter optimiert, denn oft mussten die Kassierer zwischen den Kunden immer wieder kurze Augenblicke nutzen, um nach und nach die Tour durch den Shop abzuschließen. So haben wir eine Reihenfolge festgelegt: Die Runde des zuständigen Mitarbeiters erfolgte aus Kundensicht und entsprechend dem häufigsten Kundenlauf. Zuerst der Weg von der Shop-Tür zur Kasse, dann die starken Sortimente wie Getränke, zuletzt die Regale im „Kundenrücken“.
Fazit:
Der Blick aus Kundensicht und die richtigen Handgriffe zu Beginn der Schicht verbessern die Warenpräsentation im Shop und schlagen sich in Ihrem Ertrag nieder!
Die Shop-Tour zu Schichtbeginn:
- Gehen Sie im Shop die Kundengänge einzeln ab.
- Beginnen Sie bei den Gängen, durch die die meisten Kunden laufen, zum Beispiel von der Tür zur Kasse.
- Betrachten Sie die Regale, Artikel für Artikel, von links nach rechts, von oben bis unten.
- Ziehen Sie an jedem Platz die Artikel nach vorn und drehen Sie das Etikett des ersten Artikels gerade.
- Erst wenn Sie jeden Regalplatz einmal kontrolliert haben, beginnen Sie mit Auffüll- oder Reinigungsarbeiten im Shop.
(Autorin: Uschi Horsten-Schmiedel; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 3/2017.)