Selbstverständlich müssen Sie an Ihrer Tankstelle kontrollieren. Zu hoch sind die Werte in Bargeld, Zigaretten, Spirituosen. Und zu vielfältig sind die Gelegenheiten für unredliche Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten. Und nicht zuletzt hängt Ihre Existenz davon ab.
Aber auch bei Kontrolle gilt es, Maß zu halten. Ich kenne Kollegen, die jeden Tag alles abhaken, die ohne Hinweis auf Unregelmäßigkeiten stundenlang Videoaufzeichnungen durchschauen, die sechs oder sieben Tage die Woche von früh bis spät selbst vor Ort sind – obwohl genug Mitarbeiter die Schichten ohne den Chef abdecken.
Ich rate in diesem Thema zur Ausgewogenheit: Kontrolle ja, aber nicht lückenlos. Halten Sie die Augen offen, machen Sie Stichproben. Aber vertrauen Sie gleichzeitig auf die Menschen und gönnen Sie sich hin und wieder, frühzeitig heimzugehen. Das ist besser für Psyche, Gesundheit und Familie als Misstrauen.
Jeder Chef legt sich ein Tankstellenführungssystem zurecht mit Vorgaben, was die Mitarbeiter in der Schicht notieren müssen, und Kennzahlen, die Sie sich selbst ansehen. Aber versuchen Sie erst gar nicht, alles jeden Tag zu prüfen. Ich habe beispielsweise in meiner Zeit als Pächterin täglich nur die Summe der Verkäufe aus der Kasse mit dem Zähler der Geräte abgeglichen, etwa für die Kraftstofffilter, die Anzahl Kaffees und E-Loading-Codes. Nur wenn es hier Differenzen gab, musste ich im Detail nachsuchen.
Drei- bis viermal die Woche beim Geldzählen für die Einzahlung bei der Bank kann die Plausibilität der Kassen inklusive Warenrücknahmen und Stornos geprüft werden. In unregelmäßigen Abständen sind das offene Wechselgeld und das Rollengeld nachzuzählen. Bei meiner Tankstelle wurde schon mal versucht, Zwei-Euro-Rollen mitgehen zu lassen, das sind 50 Euro handlich verpackt. Eine Kollegin vertraute mir an, dass sie ab und zu in das vorbereitete Wechselgeld der nächsten Schicht einen Schein zu viel reinlegt und wartet, ob der Mitarbeiter die positive Differenz abliefert.
Die Bestellung zweimal die Woche war bei mir Chefsache. Denn neben der aktuellen Steuerung des Sortiments konnte ich mir dabei einen guten Überblick verschaffen. Ich bin bei der Bestellung durch Shop und Lager gegangen und habe notiert, von welchen Artikeln auffallend wenig da war. Zurück im Büro prüfte ich, ob sich der geringe Bestand klärte oder er ein Alarmzeichen war.
Ich empfehle, zu verschiedenen Zeiten mit offenen Augen durch die Tankstelle zu gehen. Welche räumliche Konstellation ermöglicht Ladendiebstahl? Kann Ware unbemerkt aus dem Lager getragen werden? Einmal wurde einem Kollegen eine teure Spirituosenflasche geklaut: im Putzwasser versteckt rausgetragen, draußen deponiert und später mitgenommen. Haben Sie immer wieder den Blick für die Vorgänge hinter der Kasse: Liegen da Mess- und Zählhilfsmittel, mit denen sich der Mitarbeiter codiert notiert, was er unverbucht verkauft hat? Gibt es Situationen, in denen die Lade nicht nach jedem Vorgang geschlossen wird, oder Mitarbeiter, bei denen die Anzahl Stornos deutlich über dem Schnitt liegt?
Aktiv verkaufen oder passiv Lieferungen prüfen
Wie werden die Lieferungen geprüft? Anfangs habe ich alle Lieferscheine Zeile für Zeile abhaken lassen. Für ungeübte Mitarbeiter eine zeitraubende Angelegenheit. Haben Sie schon einmal abgewogen, ob sich die Arbeitszeit rechnet? Oder sind Differenzen zwischen Lieferschein und Lieferung so selten, dass die Lohnkosten sie bei Weitem übersteigen? Bei mir war es so, denn Lekkerland, Suhr, MGD und HBW waren zuverlässige Lieferanten mit sicheren Kommissioniersystemen und ehrlichen Stammfahrern. Das haben Stichproben und die Bestandskontrollen bei der Bestellung ergeben. Also habe ich meine Mitarbeiter von dem mühseligen Abhaken der Lieferscheine befreit und lieber verkaufsaktiv eingesetzt.
Fazit: Kontrolle kostet Zeit. Und sie konkurriert mit ebenso wichtigen Dingen wie Verkauf, Gesundheit oder Feierabend. Also lassen Sie keinen Kontrollwahn aufkommen. Den meisten Menschen können wir vertrauen!
(Autorin: Uschi Horsten-Schmiedel; Der Artikel erschien in Sprit+ 5/2017.)