Mit einem ermutigenden Lächeln reicht Björn Endrejat der Uniti-Expo-Besucherin die Virtual-Reality-Brille. Der kaufmännische Leiter von Oktan erklärt die Funktionsweise, danach macht sich
die Frau selbst ein Bild von der neuen Möglichkeit, eine Tankstelle virtuell zu planen. Sobald sie die Brille aufgesetzt hat, ist die reale Welt nicht mehr sichtbar, nur noch die virtuelle Station in Oktan-Farben. Endrejat und seine Kollegen achten deshalb darauf, dass die Besucherin nirgendwo dagegenläuft, während sie sich gleichzeitig in der realen und der virtuellen Welt bewegt.
Für den Zuschauer eine lustige Szene, vor allem, als sie die Fernbedienung in die Hand gedrückt bekommt, mit der sie in der virtuellen Welt von einer Stelle zur anderen springen kann. Ein Klick auf der Fernbedienung, ein überraschtes „Huch“, ein leicht schwankender Schritt zur Seite – gar nicht so einfach, wenn man sich nicht mehr auf seine fünf Sinne verlassen kann.
VR ersetzt Vorstellung
Und so funktioniert das neue Konzept der Oktan: Will ein Partner seine Tankstelle mit der neuen Technologie planen, wird diese nach einem Baukastenprinzip anhand von Fotos virtuell im Oktan-Muster nachgebaut. Dann kann ausprobiert werden. Tresen, Regale, Kühlschränke, alles lässt sich verschieben, bis der Aufbau verkaufstechnisch sinnvoll, vernünftig begehbar und der Kunde zufrieden ist. „So kann hinterher auch keiner mehr sagen, ‚das hab ich mir aber anders vorgestellt‘“, sagt Oktan-Consultant Oliver Wiek lachend.
Der Ursprung des Projekts liegt fünf Jahre zurück, erzählt Endrejat. Damals kaufte Oktan eine der ersten VR-Brillen, die neu auf den Markt gekommen waren. „Als ich diese Brille das erste Mal aufhatte und mir virtuell eine toskanische Villa angesehen habe, hatte ich diesen Wow-Effekt. Man steht in einem Gebäude, das es so gar nicht gibt, und kann sich alles anschauen“, erinnert er sich. Schnell zogen die Verantwortlichen den Umkehrschluss zur Tankstelle. Bevor eine Station errichtet oder umgebaut wird, kann der Partner das Ergebnis virtuell sehen – inklusive Wow-Effekt.
Brille auf, Schulung starten
Darin liegt der große Vorteil der virtuellen Realität: „Wir reden nicht mehr über Vorstellungen. Das, was jeder virtuell vor sich sieht, ist das, was nachher auch real entsteht“, sagt Wiek. Außerdem spart die Technologie Geld und Zeit, da sie viele Reisen unnötig macht. Bei der Planung einer Tankstelle könnten weniger Termine nötig sein, vermutet Endrejat, da man mit dem Tankstellenpartner gemeinsam die Station virtuell besichtigen könne: „Man hat nicht mehr ein Stück Papier vor sich, sondern tatsächlich die Tankstelle und die Zapfsäulen vor Augen, man hat die Zapfpistole quasi in der Hand und sieht vielleicht Dinge, die auf dem Papier gar nicht auffallen würden.“
Für einen Wow-Effekt sorgte die Virtual-Reality-Brille auch auf der Messe in Stuttgart, die Oktan nutzte, um das Projekt bekannter zu machen. Denn noch haben erst wenige Unternehmen in der Branche die Möglichkeiten dieser Technologie für sich entdeckt. Ein Partner hat sogar direkt am Stand überlegt, die VR-Technologie für Schulungen seiner Mitarbeiter zu nutzen. Das ist auch ein Weg, den die Oktan-Verantwortlichen gehen wollen.
„Wir sind gerade dabei, Konzepte zu entwickeln. Vorstellbar sind ganz grundsätzliche Schulungen zum Thema ‚Wie funktioniert eine Tankstelle?‘ bis hin zu konkreten Kassen- oder Hygieneschulungen“, sagt Endrejat. Derzeit braucht es für die Verwendung der Brille noch Kabel, Sensoren und einen Computer. Die Idealvorstellung: Man schickt dem Partner oder Schulungsteilnehmer nur eine Brille zu, der setzt sie auf und beginnt. Oktan arbeitet schon an der Realisierung. Mit der neuen Brillengeneration, die ohne Kabel auskommt, wird das mittelfristig möglich sein.
(Autorin: Julia Richthammer; der Artikel erschien in Sprit+ 7/2018)