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Porträt: Das Mehrgenerationen-Café

14.10.2016 11:37 Uhr
Porträt: Das Mehrgenerationen-Café
Da werden Erinnerungen wach: Heute können Charlotte Hautmann und ihre Mutter Hermine Meier über den Umbaustress lachen. Vor drei Jahren ging das Avia-Team allerdings an seine Grenzen.
© Foto: Annika Beyer

Charlotte Hautmann hat sich mit dem kleinen Café in ihrer Avia-Tankstelle einen Lebenstraum erfüllt – und bereitet damit alles für ein erfolgreiches viertes Kapitel im Familienbetrieb vor.

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Gedankenverloren blättert Charlotte Hautmann durch das Fotoalbum. Ein Bild betrachtet die 57-Jährige etwas länger. Es zeigt sie mit nachdenklichem Gesichtsausdruck, Hand am Kinn mitten auf einer Baustelle, überall liegt Schutt, vom Gebäude sind nur die Grundmauern übrig. Dann schüttelt sie den Kopf, lächelt und sagt: „Es war irre. Ich war fix und alle.“

Auslöser für diese Reaktion sind die Bilder der Avia-Station im oberpfälzischen Pressath, die den Umbau vor drei Jahren dokumentieren.„Wenn man das so sieht, kann man sich gar nicht vorstellen, wie das damals war“, erinnert sich Hautmanns Sohn Christian Schäffler. Wie aufwendig „das“ war, zeigen die einzelnen Maßnahmen: Das Gebäude wurde insgesamt von 70 auf 150 Quadratmeter vergrößert, um Raum für das von Stracke Ladenbau entworfene Bistro mit 32 Sitzplätzen zu schaffen. Und die frühere Werkstatt ist heute der Getränkemarkt, um nur die größten Veränderungen zu nennen.

Zusätzlich verkomplizierten sich die Bauarbeiten, weil durch ältere Erweiterungen des Gebäudes die Böden der Räume vier verschiedene Höhen hatten. Dank des Einsatzes eines Minibaggers mit Stemmeisen liegen nun alle Räume auf einer Ebene und der Zugang ist barrierefrei.

Und wie lief der Betrieb während des dreimonatigen Umbaus? „Wir haben gar nicht zugemacht – abgesehen von den drei Stunden, in denen wir die Kasse neu installieren mussten“, berichtet Hautmann stolz. Während der Bauarbeiten musste die ehemalige Waschhalle als Verkaufsraum inklusive Waren, Kasse und Kaffeemaschine herhalten. Dort standen die Mitarbeiter bei teilweise 40 Grad Hitze und hielten den Service aufrecht.

Drei Jahre später ist die Tankstelle in den Augen der Eigentümerin aber immer noch nicht fertig. „Vorne ist jetzt alles okay, jetzt bekommen wir von Lekkerland noch eine Shopoptimierung“, sagt die Betreiberin. Aber im Backoffice sei sie immer noch nicht fertig. Von hier aus kümmert sich die gelernte Steuerfachgehilfin um die Organisation der Tankstelle, die Buchhaltung und die Löhne. „Ich hoffe, dass wir am Ende des Jahres so weit sind, dass auch hinter den Kulissen alles auf dem Platz liegt, wo es liegen soll.“

Verwirklichung eines Traums

Mit der Kombination aus Tankstelle und Café la via hat sich Hautmann einen Traum erfüllt. „Das kleine Café ist das Nonplusultra für mich“, sagt die Chefin, die schon immer eine Leidenschaft für das Gastronomiegewerbe hegte. Nach der Ausbildung besuchte sie mit 19 Jahren die Hotelfachschule am Tegernsee. „Ich hätte in München sogar eine Stelle in einem Restaurant gehabt, aber dann hieß es, ich
muss nach Hause kommen, obwohl mir das schon gefallen hätte“, erinnert sich Hautmann. Doch die Loyalität zum Familienbetrieb war zu groß, immerhin ist die Oberpfälzerin die dritte Generation in der Tankstellenbranche.

Bereits 1929 eröffneten ihre Großeltern eine Shell-Tankstelle mit „Eiserner Jungfrau“, ebenfalls in Pressath. Aus Platzmangel zog die Station 1951 an eine neue Stelle weiter in die Stadt. 1962 übernahm Hermine Meier das Steuer und ist heute noch – mit 90 Jahren – fast täglich an der Tankstelle anzutreffen. „Meine Mutter ist schwer zu toppen. Noch immer hilft sie mit und fühlt sich mit Benzin verbunden“, erzählt Hautmann.

Meier war es auch, unter deren Führung der Betrieb vor zwölf Jahren umgeflaggt wurde: Im Zuge der Fusion von Shell mit der DEA musste die niederländische Mineralölgesellschaft mehrere Stationen abgeben, weil sonst die Marktanteile zu groß geworden wären. Die Tankstelle von Hautmann war Teil eines Pakets aus zehn Stationen in der Oberpfalz, die der Avia-Gesellschafter Bauer übernommen hat.

Zwei Jahre nach dem Farbenwechsel reichte Meier mit 80 Jahren schließlich das Zepter an ihre Tochter weiter. So lange plant Hautmann allerdings nicht mehr zu arbeiten. „Ich möchte schon noch gerne ein bisschen weitermachen. Nicht wie meine Mutter bis 80, aber vielleicht bis 70, wenn es mir gut geht“, sagt die 57-Jährige nachdenklich. Schließlich mache ihr die Arbeit trotz der langen Arbeitszeiten
Spaß. Und dann?

Von Kindesbeinen an Ein Sohn ist Polizist geworden, die Tochter studiert auf Lehramt. Mit dem dritten Sohn Christian steht jedoch die vierte Generation bereit, die den Familienbetrieb aufrechterhält. „Ich bin mit der Tankstelle aufgewachsen und stecke seit meiner Kindheit so tief drin, dass ich mir nichts anderes vorstellen kann, auch wenn ich meine Fühler mal in andere Richtungen ausgestreckt habe“, sagt der 31-Jährige, der eine Ausbildung zum Schreiner abgeschlossen und zwischenzeitlich in einem Autohaus im Verkauf gearbeitet hat. „Aber wenn man so viel Zeit und Kraft in etwas investiert hat, dann gibt man es nicht einfach auf “, betont der Tankstellenchef in spe. Das sei, wie wenn man sein eigenes Haus gebaut hat, das verkaufe man ja auch nicht nach zehn Jahren wieder.

Mit dem Bistro sieht sich die Familie gut gerüstet für die Zukunft. „Inzwischen ist es ein No-Go an der Tankstelle, wenn man das nicht hat. Dann bleibt man stehen“, ist Hautmann überzeugt. Umso mehr freut es sie, dass sich der Umbau gelohnt hat. Täglich frequentieren zahlreiche Gäste aus der Umgebung das Café la via: Ältere Menschen aus dem nahegelegenen Altenheim genießen die Kuchen, junge
Leute kommen zum Kakaotrinken und Familien nutzen das abwechslungsreiche Frühstücksangebot. Sogar Geburtstagsfeiern mit 20 Gästen hat Hautmann schon ausgerichtet – den Platz hat sie ja jetzt. Damit die Stammkundschaft wächst, kooperiert Hautmann mit der örtlichen Fahrschule, verkauft Fleisch vom Metzger, Blumen vom Floristen und nutzt Facebook als Marketingplattform. „Wir wollen immer
auf dem neuesten Stand sein und beziehen regionale Geschäfte mit ein“, erklärt sie. Mit dieser Umtriebigkeit wird Schäffler bestimmt nicht die letzte Generation an dieser Tankstelle sein.

(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ 10./11.2016)

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