Vorbei an zwei VW Käfern aus den 70er Jahren, deren Farbe an vielen Stellen vom Rost durchfressen ist, führt die Einfahrt zum Tankstellenfeld. Neben den Zapfsäulen befindet sich der kleine Tankstellenshop, der an der Vorderseite fast über die ganze Höhe verglast ist. An manchen Stellen blättert die weiße Farbe von der Wand ab, die Scheiben bräuchten mal wieder eine Reinigung.
Damit ist die Station in Bad Salzuflen nahe Bielefeld das Gegenteil der großen, weithin beleuchteten Tankstellen. Doch der leicht heruntergekommene Eindruck des Gebäudes stört nicht, denn gerade das macht dessen Charme aus. Immerhin existiert die Tankstelle bereits seit Anfang der 50er Jahre und ist damit nur wenig älter als Jürgen Ripka, der sie seit 2004 von der Firma August Riemeier gepachtet hat.
Für den 64-Jährigen ist die Oldtimer-Tankstelle wahrscheinlich die letzte Station, bevor er in den Ruhestand gehen wird. Bis dahin steht er allerdings täglich zwischen Tabakwaren, Getränken und Schokoriegeln. Geöffnet ist von sieben bis 21 Uhr, zwischen elf und 18 Uhr hilft seine Frau hinter der Kasse des etwa 20 Quadratmeter großen Shops – viel Arbeit für nur zwei Personen. „Wenn man mal etwas für sich möchte, kannst du das vergessen. Das muss man alles immer nach hinten schieben, nach ganz weit hinten“, sagt Ripka und lächelt. Es wirkt allerdings eher erschöpft als glücklich.
In der Branche groß geworden
Dabei ist der Tankstellenbetreiber schon von jeher viel Arbeit gewohnt. Bereits mit 14 Jahren jobbte er an der Shell-Tankstelle, die sein Vater zwischen 1965 und 1978 gepachtet hatte. Die Station liegt direkt gegenüber auf der anderen Seite der Zubringerstraße und gehört seit einigen Jahren zu Westfalen. „Heute haben wir natürlich mehr Autofahrer und damit eine höhere Kundenfrequenz“, erinnert sich Ripka. Früher hätten sie dagegen fast jeden Kunden gekannt, weil zumindest unter der Woche fast nur Stammkundschaft zum Tanken kam.
Auch während seiner Lehrzeit bei einem Opel-Händler half der 64-Jährige zusätzlich jeden Tag in der Waschanlage seines Vaters. „Ich konnte mir mit 18 Jahren mein erstes Auto kaufen, weil ich davor so viel gearbeitet hatte“, erzählt er stolz. Welches Modell? „Was hat man sich 1969 gekauft? Einen Opel oder einen Käfer“, sagt Ripka. Seine Wahl fiel trotz seines Ausbilders auf das Kult-Modell von Volkswagen.
Nach fünf Jahren Arbeit ging Ripka auf die Meisterschule in Bielefeld, wo er 1978 seinen Kfz-Meister machte. Wie sein Vater arbeitete er anschließend bei Goldin in Herford. Als das Unternehmen seine Tankstellen nach einem Steuerskandal und Konkurs verkaufen musste, schlugen Senior und Junior Ripka zu. „Da war ich insgesamt 18 Jahre. In der Zeit habe ich dem Grundstückseigentümer immer wieder gesagt, dass wir auch das Grundstück wollen“, erinnert sich der Pächter. Erfolglos.
1998 scheint Toyota ein deutlich besseres Angebot gemacht zu haben, erwarb das Grundstück und machten alles platt. Trotzdem blieb Ripka der Branche treu und übernahm eine Shell-Tankstelle in Vlotho bei Herford. „Ich bin da voller Euphorie reingegangen. Hier wollte ich bis zum Ende bleiben“, berichtet er. Obwohl er die Station noch auf eigene Kosten saniert hatte, wurde der Fünf-Jahres-Vertrag nicht verlängert. „Auf fremdem Boden sanieren – das darf man nie machen“, sagt Ripka heute. Immerhin habe er aber noch eine Abfindung bekommen.
Den warmen Sommer 2003 nutzte er zum Erholen im eigenen Garten, „aber im Oktober hatte ich das schon über“. Und so übernahm Ripka trotz der Konkurrenz gegenüber die Tankstelle an der Zubringerstraße. „Die ersten zwei Jahre waren echt mager, auch weil die Station davor monatelang leer stand.“
An den Ruhestand will und kann Ripka aus finanziellen Gründen noch nicht denken. Nach 50 Jahren in der Branche sagt er dies: „Interessant ist sie auf jeden Fall, aber ein paar Handicaps sind schon dabei.“ Wie er bewiesen hat.
(Der Artikel erschien in Ausgabe 8/2016 von Sprit+. Autorin: Annika Beyer)