Es mag viele Definitionen von „Powerfrau“ geben. Eine davon lautet ganz klar „Julia Eitze-Klapproth“. Denn die 39-Jährige hat nicht nur im März 2020 die HEM-Tankstelle mit Bistro, Shop und angegliederter Kfz-Werkstatt von ihren Eltern gekauft, übernommen und daraus zwei eigenständige Firmen gemacht. Sie hat sich zusätzlich ein weiteres Standbein aufgebaut, nämlich eine Wohnmobilvermietung. Und das alles im Frühjahr und Sommer des Jahres 2020, als die Corona-Pandemie Deutschland voll im Griff hatte und auch die Tankstellenbranche vor große Herausforderungen stellte.
Es ist ohnehin erstaunlich, dass Eitze-Klapproth heute Tankstellenbetreiberin ist. Denn das wollte sie eigentlich nie werden. „Ich bin ausgebildete Vermessungstechnikerin“, erzählt sie. „Die Tankstelle hat mich eher abgeschreckt, denn meine Eltern waren damals sehr mit dem Aufbau ihrer Selbstständigkeit beschäftigt und hatten wenig Zeit für ein Familienleben. Das sollte bei mir anders werden.“ Und dann war es ausgerechnet die Liebe zur Familie, genauer: zu den Eltern, die die damals knapp 30-Jährige zum ersten Mal ins kalte Wasser der Tankstellenwelt warf.
Wie alles begann
Im Jahr 1996 bauten die Eltern von Eitze-Klapproth die Tankstelle, die heute ihr gehört. Sie liegt in Dardesheim, das ist ein Ortsteil der Stadt Osterwieck im Landkreis Harz in Sachsen-Anhalt. In der ehemaligen DDR waren die Eltern noch in der LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) und der HO (Handelsorganisation) tätig. Nach der Wiedervereinigung gab es diese Betriebe nicht mehr. Als dann die Mutter von Eitze-Klapproth eine Ausschreibung las, laut derer in Drübeck ein Gewerbegebiet mit Tankstelle geschaffen werden sollte, meldete sie sich auf die Ausschreibung. Und so wurde 1991 die erste Tankstelle unter der Flagge von Dea gebaut. Später haben die Eltern diese erste Tankstelle abgegeben. 1996 bauten sie dann die zweite Station, die heute ihrer Tochter gehört und unter der Flagge von HEM geführt wird.
Theorie und Praxis
Bis zum Jahr 2010 war die Mutter von Eitze-Klapproth die gute Seele in der Tankstelle. Direkt nach der Ausbildung war die Tochter bereits mit in der Tankstelle beschäftigt. „Ich habe meiner Mutter täglich zugearbeitet und sie im Tankstellenalltag unterstützt“, erzählt sie. Dann erkrankte die Mutter schwer und die Tochter sprang von heute auf morgen ein. Learning by doing, so eignete sie sich die Praxis an. Für die Theorie – oder, wie sie selbst sagt, „das Rüstzeug für Tankstellenführung“ – absolvierte sie parallel ein BWL-Fernstudium. Seit 1. März dieses Jahres ist Eitze-Klapproth „auch auf dem Papier für alles verantwortlich. Das war bis dato noch mein Vater. Ein ganz neues Gefühl machte sich breit“, erzählt die neue Chefin stolz. Stolz sind auch ihre Eltern, schließlich wird das von ihnen Er- und Aufgebaute von den eigenen Kindern weitergeführt. Denn auch Matthias Eitze, der viereinhalb Jahre ältere Bruder von Eitze-Klapproth, ist mit von der Partie: Er leitet als Kfz-Meister das angegliederte Kfz-Zentrum mit drei Mitarbeitern. In der Tankstelle und im Bistro sind neun Mitarbeiter beschäftigt. Gelegentlich ist auch die Mutter von Eitze-Klapproth hier, wenn es ihre Gesundheit zulässt. Und der Vater ist jeden Tag in seiner alten Tankstelle. „Er übernimmt kleinere Aufgaben“, erklärt die Tochter. „Wenn zum Beispiel etwas kaputt ist, repariert er es. Er kann schlecht loslassen – was nach so vielen Jahren aber absolut verständlich ist.“
Wenn die Tankstellenchefin einmal loslassen möchte, geht sie im Wald spazieren und genießt dort die Natur und die Ruhe. Nicht ganz so ruhig geht es bei ihrem Hobby zu: Samba-Trommeln. Jeden Mittwochabend finden die Proben statt und die Samba-Gruppe wird oft zu Auftritten bei Festen und Veranstaltungen geladen. Vor allem im Sommer ist Eitze-Klapproth dann oft mit ihrer Trommel unterwegs. In diesen Zeiten wird sie sehr von ihrem Mann unterstützt. Und auch im Alltag, etwa wenn es einmal spät wird, weil die Chefin nicht pünktlich von ihrer Tankstelle wegkommt. Dann übernimmt ihr Mann, Industrie-Meister in der Salzgitter-AG, die „Mama-Pflichten“ zuhause. Vor dem, was seine Frau tagtäglich stemmt, hat er großen Respekt und er weiß ihre Leistung wertzuschätzen. „Manchmal sagt er ‚Wir bräuchten mehr Frauen in Führungspositionen‘. Wir beide ergänzen uns gut. Wichtig ist eben eine gute Organisation innerhalb der Familie“, betont die Mutter einer 16-jährigen Tochter und eines 7-jährigen Sohnes.
Unternehmerin durch und durch
In Wernigerode ist sie vor allem Mutter, in Dardesheim dagegen Eigentümerin von zehn Zapfpunkten, einem Shop, einer Portalwaschanlage, 40 Quadratmetern Bistro und seit Sommer 2020 betreibt sie auch noch eine Wohnmobilvermietung. Aktuell ist die Nachfrage nach dem Wohnmobil sehr hoch. So hoch, dass sogar ein zweites angeschafft werden soll. Die Vermietung ist derzeit noch dem Bistro 79 – es heißt so, weil der Standort direkt an der Bundesstraße 79 liegt – zugehörig.
Aber weil Eitze-Klapproth eben eine richtige Powerfrau ist, möchte sie aus der Wohnmobilvermietung ein eigenständiges Unternehmen machen.Wie das geht, ein Unternehmen gründen, das weiß sie. Denn bis Februar 2020 existierte noch die Firma „Autoservice Eitze“, die die Tankstelle samt Shop und Bistro sowie die Kfz-Werkstatt umfasste. „Daraus habe ich dann zwei Firmen gemacht“, erläutert die Unternehmerin. „Zum einen die Firma ‚Bistro 79‘, zu der Tankstelle, Bistro, Shop und Waschanlage gehören. Zum anderen das ‚Kfz-Zentrum Eitze‘. Zur Lösungsfindung hat intensiv unserberater beigetragen. Es gab viele Gespräche innerhalb der Familie mit ihm.“Doch die 39-Jährige kann nicht nur Unternehmen gründen oder als Nachfolgegeneration übernehmen. Sie kann vorallem einen Betrieb erfolgreich führen und Job und Familie unter einen Hut bringen. Eine richtige Powerfrau eben. (bg)