Der Verkauf einer Tankstellenimmobilie sollte gut durchdacht sein. Wie viel kann für die Station verlangt werden? Wann ist der ideale Zeitpunkt, um über die Zukunft der Tankstelle nachzudenken? Wie lange dauert die Übergabe? Und schließlich muss auch ein geeigneter Nachfolger gefunden werden. Auch auf Seiten des Kaufinteressierten bürgt der Einstieg in die Tankstellenbranche viele Hürden. Entscheidend für den Erfolg sind die richtige Tankstellenimmobilie und ein guter Standort. Aber auch die Frage: Mieten, kaufen oder pachten?
Damit der Immobilienverkauf gelingt, begleitet Tankstellenberater Günter Lohmann den Abschluss zwischen beiden Parteien. Er kennt die Branche seit vielen Jahren und ist gut vernetzt. Bevor er 2010 in Pension ging und sich als Berater selbstständig machte, arbeitete er für einen großen Mineralölkonzern.
Die Tankstelle unter die Lupe nehmen
Der Großteil der Betreiber, die ihre Immobilie verkaufen wollen, stehe kurz vor der Rente. Es gäbe aber auch solche, die sich "den großen Reibach" vom Verkauf erhoffen – der dann meist ausbleibe. Aus Sorge vor der Zukunft würde hingegen kaum jemand seine Tankstelle verkaufen, meint Lohmann. Die Akquise von Tankstellenimmobilien erfolgt meist durch Lohmann und sein Team. "Warten, bis sich einer meldet, der verkaufen will, dauert zu lange. Wir betreiben ein aktives Telefonmarketing bei den Betreibern", erzählt Lohmann.
So war es auch bei einer Station in Hessen. Im Jahr 2017 spielte der Betreiber das erste Mal mit dem Gedanken, seine Station zu verkaufen. "Ich habe mit ihm einen Gesprächstermin vereinbart und bin zu der Tankstelle gefahren. Wenn ich vor Ort bin, bekomme ich andere Eindrücke und sehe Dinge, die noch zu beachten sind." Lohmann schaut sich von Umsatzmengen über Verträge bis hin zur Bausubstanz alles genau an. Jedes Detail wird geprüft, jeder Stein gewendet und Besonderheiten vermerkt. "Ich bin zwar kein Bausachverständiger, aber ich kann sehen, ob der Zustand gut ist oder nicht. Etwa wenn Schimmel zu sehen ist."
Neben vertraglichen Inhalten, Laufzeiten und Gültigkeit prüft er die Besitzverhältnisse von Tanktechnik, Preisanzeigen und Schildern sorgfältig. "Wenn die Tanktechnik der Mineralölgesellschaft gehört, mit der zusammengearbeitet wird, ist es oft so, dass die Gesellschaften, die nicht übergeben, sondern ausbauen." Die Kosten für den Ausbau liegen im sechsstelligen Bereich. "Das ist der Gesellschaft egal, dem Eigentümer aber nicht, weil der dann unter Umständen bis zu drei Monate schließen muss", sagt Lohmann. Nach der Inspektion macht der Berater Bilder von der Tankstelle für die potenziellen Käufer. Zuletzt hört er sich die Vorstellungen des Eigentümers an: Wann soll verkauft oder verpachtet werden und für wie viel.
Die Analyse
Zuhause am Schreibtisch beginnt die Analyse. Lohmann hat für die Bewertung von Tankstellen und die Erfassung der Daten ein eigenes Analyse-Formular entwickelt. Die komplexe Auswertung beruht auf verschiedenen Werkzeugen wie der Scope Analyse, Reports von Banken, Bodenrichtwerten, Umweltvorgaben und Richtwerten für Bau- beziehungsweise Umbaukosten von Shop oder Waschanlage. In dem Dokument trägt der Berater alle gesammelten Daten ein: Außenfläche, Shopgröße, Waschanlage und -plätze, Umsätze von Kraftstoff, Shop und Waschgeschäft, Kreditkartengeschäfte sowie Öffnungszeiten. Auch Daten über das Umfeld werden erfasst: Verkehrsanbindung und -aufkommen, Straßenlage, Entfernung zu Einkaufsmöglichkeiten, Einwohnerdichte sowie Infrastrukturdaten.
Welche Voraussetzungen sollte eine Tankstelle mitbringen, damit sie auf dem Markt gefragt ist? Lohmann hat eine ganze Liste an Kriterien für den idealen Standort zusammengetragen. Zu den Grundvoraussetzungen zählt eine Grundstücksgröße zwischen 2.000 und 3.500 Quadratmetern. Der Shop sollte mindestens 75 Quadratmeter messen. Auch die Frequenz des Straßenverkehrs ist ein entscheidendes Kriterium: 15.000 Fahrzeuge am Tag sind das Minimum. Der Treibstoffumsatz von Neubauten liegt nach Schätzungen von Lohmann bei circa sechs bis sieben Millionen Litern. Zudem müssen Schutzzonen beachtet werden. So darf eine Tankstelle nicht in den Trinkwasserzonen 1 und 2 gebaut werden.
Der ideale Standort
Ein idealer Standort findet sich an möglichst stark frequentierten Bundesstraßen, zum Beispiel in der Nähe von Autobahnzubringern. Wenn die Strecke starke Pendlerströme aufweist, sollte die Tankstelle auf der rechten Straßenseite des Heimweges liegen. Auch Gewerbegebiete, die Nähe zu Verbrauchermärkten und Einkaufzentren oder Grundstücke mit Fast-Food-Ketten oder Hotels bieten sich als Standort an. Dabei ist zu beachten, dass die Tankstelle in unmittelbarer Nähe der Zu- und Abfahrten liegt. Selbst die Kantsteinhöhe spielt eine Rolle: Je geringer der Höhenunterschied zur Straße, desto besser.
Nach der Analyse erstellt der Tankstellenexperte eine Zusammenfassung der Ergebnisse. "Die trage ich in ein Formblatt für die Mineralölgesellschaft oder in ein Exposé für private Käufer ein." Dann schickt Lohmann das Angebot an Gesellschaften, die ihm entweder einen Auftrag für ein bestimmtes Objekt gegeben haben oder die in dem Bereich noch nicht tätig sind. Nach ein bis zwei Wochen erhält er die Rückmeldung. Wenn eine Gesellschaft Interesse hat, kommt es zum ersten Gesprächstermin zwischen Eigentümer und Mineralölgesellschaft, bei dem Lohmann in der Regel auch dabei ist. "Der Eigentümer muss die Fakten auf den Tisch legen. Es wird alles genau geprüft: Der Vertrag mit der vorherigen Gesellschaft, die Umsatzzahlen, die Besitzverhältnisse aus dem Grundbuch ...", zählt er auf.
Die Gesellschaften prüfen nach dem Gespräch alle Zahlen und melden sich nach circa zwei Wochen mit einem Angebot. Anschließend folgen weitere Gespräche mit dem Eigentümer über die Details, bei denen Lohmann dann nicht unbedingt dabei ist. "Zum Beispiel wird diskutiert, wie viele Mitarbeiter an der Station übernommen werden müssen oder ob es Nießbrauchrechte gibt. Das muss man immer im Einzelfall sehen", sagt Lohmann. Bis die Gesellschaft sich final entscheidet, kann ein halbes Jahr vergehen. Wenn er keinen Auftrag von einer Gesellschaft erhält, stellt der Berater die Anzeigen auf seiner Internetseite tankstellenberatung.de online. Er legt viel Wert auf Vertraulichkeit und Diskretion. "Ich mache das ohne Bilder und genauen Standart, so dass man nicht sofort auf eine Tankstelle schließen kann", erklärt Lohmann.
Interesse seitens einer Privatperson
Wenn eine Privatperson Interesse hat, kann sie sich bei Lohmann über ein Kontaktformular melden und muss zunächst eine Vertraulichkeitserklärung unterschreiben. Außerdem braucht der Interessent eine Liquiditätsbestätigung seiner Bank. Danach läuft das Verfahren ähnlich ab wie mit den Gesellschaften: Es gibt Gesprächstermine und Besichtigungen vor Ort. Nach erfolgreichen Verhandlungen dauert es circa eine Woche bis die Bank den Kauf der Tankstelle bewilligt oder ablehnt.
Am Ende ist der Abschluss bei circa einem Drittel der Geschäfte erfolgreich. Das liegt daran, dass die Vorstellungen von Käufer und Inhaber weit auseinandergehen können und zum Scheitern der Verhandlungen führen. Im Fall der Tankstelle in Hessen kam der Vertrag vor fünf Jahren nicht zustande, da die Preisvorstellungen des Eigentümers zu hoch waren, erzählt Lohmann. Ende letzten Jahres habe der Inhaber sich aber wieder bei ihm gemeldet. "Vor ein paar Wochen haben wir die Tankstelle verkauft, weil er mit dem
Preis erheblich runtergegangen ist“, sagt Lohmann. "Natürlich war es nicht seine Wunschvorstellung, aber er hat einen guten Preis erzielt."
Die Nachfrage nach Kraftstoff steigt und somit auch der Bedarf an Tankstellen. Tankstelle ist aber nicht gleich Tankstelle. Es kommt auf verschiedene Faktoren an, die einen guten Standort ausmachen. Die hessische Tankstelle sei so ein Standort. "Die lag bei über drei Millionen Liter Kraftstoffumsatz, deshalb hat sich da auch schnell jemand gefunden, der die Station kaufen wollte", sagt Lohmann. Unter 1,5 Millionen Liter Umsatz gäbe es jedoch wenige Chancen, die Station loszuwerden. "Das lohnt sich einfach nicht. Die Tankstellen haben dann meist auch keinen guten Shop- und Wasch-Umsatz." Lohmanns Erfahrung nach sind dies meist kleine, ländlich gelegene Stationen. "Die Besitzer wollen ihre Tankstellen zu utopischen Preisen verkaufen. Aber heutzutage werden die Tankstellen immer größer und schließen sich zusammen, da können die kleinen nicht mithalten."
Viele ältere Besitzer, die lieber in Rente gehen würden, bleiben daher auf ihren Stationen sitzen. "Ein Käufer findet sich kaum und die Kinder arbeiten lieber in der Industrie mit einer Fünf-Tage-Woche. Die wollen nicht 24/7 in der Tankstelle stehen", weiß Lohmann. Oft eignen sich diese kleinen Stationen dann als Automatentankstellen. "Dafür mache ich auch Analysen und schicke die an Gesellschaften, die diese Automatentankstellen betreiben wollen."
Vorsicht vor schwarzen Schafen
Es gibt nicht nur eine ideale Größe und einen idealen Standort für Tankstellenimmobilien. Auch den idealen Zeitpunkt zum Verkauf verrät Lohmann: Die Entscheidung sollte der Betreiber im besten Falle ein Jahr und drei Monate vor Vertragsende treffen. "So können wir ihn frühzeitig beraten und er kann sich für das optimalste Angebot entscheiden." Lohmann kennt die Tricks der Gesellschaften und unterstützt die Eigentümer daher auch bei der formal richtigen Kündigung. Auf mündliche Abmachungen und Zugeständnisse der Mineralölgesellschaften sollten sich Betreiber nicht verlassen. "Ohne schriftliche Zusagen geht nichts", mahnt Lohmann. Die Gesellschaften würden den Eigentümer auch oft von einem Wechsel abraten. "Die sagen, das finden die Kunden nicht gut oder du verlierst so viel Umsatz bei der Umrüstung", erzählt Lohmann.
Auch vor potentiellen Käufern, die quasi schon mit dem Geldkoffer in der Hand vorgefahren kommen und die Tankstelle vom Fleck weg kaufen wollen, sollten sich Betreiber in Acht nehmen. "Es gibt in der Regel immer Angebote für eine Tankstellenimmobilie, man muss aber aufpassen, mit wem man Geschäfte macht, denn es gibt viele schwarze Schafe auf dem Markt", warnt der Experte.
Nachhaltige Nutzung in unsicheren Zeiten
Obwohl für viele Tankstellen ein Nachfolger gefunden werden kann, sieht Lohmann unsichere Zeiten auf die Branche zukommen. "Niemand weiß, wie es sich entwickeln wird, es gibt keine einheitliche Meinung. Von der einen Seite hört man Wasserstoff von der anderen E-Mobilität." In naher Zukunft sei die Existenz gesichert, da es mindestens bis zum Jahr 2035 noch fossilen Brennstoff geben wird, sodie Prognose des Experten. Längerfristig sollten sich gerade jüngere Betreiber jedoch Gedanken machen. "Die Herausforderung in der Zukunft lautet, was kann ich mit dem Grundstück machen, wenn der Vertrag abgelaufen ist? Will ich die Tankstelle schließen und kann ich die anders bebauen?", gibt Lohmann zu bedenken. Sein Tipp: Beim Kauf auf Möglichkeiten für eine nachhaltige Nutzung achten, sodass das Grundstück später beispielsweise für Eigentumswohnungen oder ein Seniorenheim verwendet werden kann.
Malone