Einige, wie er es nannte, „bemerkenswerte Ergebnisse" hatte Jens Stolte, Geschäftsführer von Stolte Consult und Initiator des Uniti Cards- und Automations-Forums in seiner traditionellen Auftaktrede des zweitägigen Kongresses wieder im Gepäck. Basis dieser Ankündigung ist die jährliche Branchenumfrage „POS und Zahlsysteme auf Tankstellen in Deutschland", in die die Werte von rund 12.550 Tankstellen einflossen. Somit spiegelt die Erhebung 85 Prozent des Marktes wider.
Bevor Stolte jedoch die eigentlichen Ergebnisse rund um das Thema Bezahlen präsentierte, warf er einen Blick auf die aktuelle Lage des Shop- und Kraftstoffgeschäfts. Der Referent konnte Erfreuliches zum Shopgeschäft berichten: „Dabei verzeichnete die Branche 2018 eine Steigerung im Umsatz, wie wir sie innerhalb eines Jahres noch nie gesehen haben." Verantwortlich dafür sei der extrem warme Sommer gewesen. „Hier sieht man, welche Auswirkungen Wetterphänomene auf unser Geschäft haben und wie sensibel es darauf reagiert", führte Stolte aus.
Auch beim Thema Kraftstoffentwicklung konnte der Redner mit einem bemerkenswerten Ergebnis aufwarten: Nachdem der Absatz von Ottokraftstoff über Jahre abgenommen hatte, ist er im vergangenen Jahr erstmalig wieder gestiegen. „Hier sehen wir, dass die Diskussion rund um den Schadstoffausstoß von Dieselmotoren ihre Spuren hinterlässt", erklärte Stolte. Sozusagen als Gegenbewegung sind dagegen die Absätze des Dieselkraftstoffes zurückgegangen.
Nimmt man die Zahlen beider Kraftstoffsorten zusammen, zeigt die Kurve seit 2012 immer noch eine konstante und positive Entwicklung. Allerdings befürchtete Stolte, dass sich dieser positive Trend nicht fortsetzen wird. „Die Branche hat mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit einen Peak Oil des Absatzes erreicht", prognostizierte er. Künftig werden sicherlich der technische Fortschritt sowie die sinkende Kraftstoffnachfrage durch eine wachsende Zahl von Hybrid- und reinen Elektrofahrzeugen einen Prozentsatz am Absatz kosten. Hier könne er sich vorstellen, dass sich der zu befürchtende Negativtrend durch eine Digitalisierung der Vertriebsprozesse, des Marketings und der Kundenbindung abwenden lasse.
„Damit kommen wir in ein sehr enges Verhältnis mit der Automobilindustrie, die die Fahrzeuge immer weiter mit Internetfähigkeit, also mit Konnektivität, ausstattet", erklärte Stolte. Da sei es naheliegend, aus dem Fahrzeug heraus Anwendungen wie Tanken, Waschen und Parken zu entwickeln. Das könne jedoch weder die Automobil- noch die Mineralölbranche alleine. Denn wenn man Vertriebsprozesse digitalisiere, habe man letzten Endes immer auch einen Bezahlprozess als drittes Glied in der Kette dabei. „Ich brauche eigentlich alle drei zusammen und dann kann ich den Weg in die Zukunft beschreiten", war der Zahlungsexperte überzeugt.
Barzahlungen nehmen ab
Mit dieser Anmerkung schwenkte Stolte zum Hauptteil seines Vortrags, den Ergebnissen der Umfrage rund um das Thema Bezahlen. Auch hier startete er mit einem laut eigenen Angaben bemerkenswerten Ergebnis: Die Umsatzanteile von Bar- und Debitkartenzahlungen waren erstmals mit jeweils rund 35 Prozent in etwa gleich groß. Der Bargeldanteil am Tankstellenumsatz ist im Vergleich zum Vorjahr um 1,5 Prozent gesunken und liegt 15 Prozent unter dem Bargeldanteil im Handelsumsatz. Stolte rechnet damit, dass digitale Vertriebsprozesse und damit verbunden kontaktloses und mobiles Bezahlen das Bargeld weiter zurückdrängen werden. „Das sehen wir jetzt schon und diese Entwicklung wird sich auch noch beschleunigen", prognostizierte er.
Bei den Debitkarten ist der Umsatzanteil der Girocard um 7,2 Prozent gewachsen und gleichzeitig der Anteil des elektronischen Lastschriftverfahrens um in etwa den gleichen Wert zurückgegangen. Diese Entwicklung hat seine Ursache hauptsächlich in der Marktmacht von BP/Aral in Deutschland, die vor zehn Jahren aus dem EC-Cash-System aus- und im vergangenen Jahr wieder eingestiegen ist. Ebenfalls positiv ausgewirkt haben dürfte sich die zunehmende Bedeutung von Girocard kontaktlos. Doch ob es sich bei den Zahlen der Girocard insgesamt um eine Trendwende handelt oder nicht, werden erst die nächsten Jahre zeigen, betonte Stolte.
Relativ konstant geblieben ist der Anteil der Kreditkarten mit knapp zehn Prozent. Platzhirsch mit einem Umsatzanteil von über 52,4 Prozent ist hier weiterhin Mastercard, gefolgt von Visa mit 41,6 Prozent, wobei der Wert im Vergleich zum Vorjahr um 1,4 Prozent zurückgegangen ist. Eine stetige Entwicklung im positiven Bereich verzeichnet American Express, die inzwischen bei sechs Prozent angelangt ist. Eine Besonderheit der Branche ist zudem die Bedeutung der eigenen Produkte, also der Trucker-, Flotten-, Ring- und Stationskarten. Sie machen zusammengerechnet einen Umsatzanteil von etwa 20 Prozent aus. Auch hier zeigt sich über die Jahre hinweg ein sehr stabiles Gesamtbild.
Marktverschiebung
Nachdem ICP im vergangenen Jahr verkündet hat, keine Terminals mehr herzustellen, ist davon auszugehen, dass es im Bereich Indoor-Terminals zu einer Verschiebung kommen wird. Hier war das Unternehmen bislang mit einem Marktanteil von 46 Prozent Marktführer. Insgesamt hat die Anzahl der Terminals auf 18.629 Stück zugenommen, sodass durchschnittlich 1,66 Terminals pro Tankstelle vorhanden waren (2017: 1,54). Der Outdoor-Bereich ist traditionell mit einem Marktanteil von 64,4 Prozent die Domäne von CCV. Mit 4.103 Stück lag der Terminalquotient insgesamt bei 0,33 (2017: 0,30).
Erfreulich ist laut Stolte, dass die Mineralölbranche ihre Infrastruktur bereits im hohen Maße auf das Thema mobiles Bezahlen vorbereitet hat. Neue Produkte wie Google Pay und Apple Pay sind damit an fast 12.000 Stationen der in die Umfrage einbezogenen Tankstellen möglich. „Insofern bleibt sich die Branche als Innovator treu", kommentierte Stolte diese Zahl. Girocard Mobile kann an 4.302 Stationen genutzt werden.
Eigen- oder Branchenlösung?
Neben der Hardware beschäftigt sich die Umfrage auch mit neuen Bezahllösungen. Bei der Frage „Haben Sie Interesse an einer App-Zahlungslösung?" antworteten 95 Prozent mit Ja, 2016 waren es nur 66 Prozent. „Das heißt, allen ist klar, dass man hier etwas machen muss", schloss Stolte aus dem Ergebnis. Die Frage sei nur, auf welche Weise. Das Interesse an einer Eigenlösung ist im Vergleich zu 2016 bereits im vergangenen Jahr um elf auf 75 Prozent gesunken. 2018 blieb dieser Wert konstant. Eine Branchenlösung hielten 2016 rund 30 Prozent für sinnvoll, 2017 stieg der Wert auf 88 Prozent an und sank im vergangenen Jahr wieder auf 33 Prozent.
Erstmals untersucht hat man 2018 zum Thema App das Interesse an einer Kooperationslösung, die sich mit 55 Prozent über die Hälfte der Befragten vorstellen kann. „Hier scheint es offensichtlich bei den Gesellschaften einen Erkenntniswandel gegeben zu haben. Das Ergebnis zeigt, dass eine Mehrheit der Unternehmen davon überzeugt ist, dass das Thema App am Ende des Tages nur über eine Kooperationslösung funktionieren kann und dass niemand alleine das Ökosystem verändern können wird", sagte Stolte.
Ebenfalls erstmals abgefragt wurde für die aktuelle Jahreserhebung die Anzahl der Ladesäulen im Netz. 77 Stationen der 12.552 teilnehmenden Tankstellen haben derzeit eine Ladesäule, 47 davon waren Eigeninvestitionen, 30 entstanden durch Kooperationen. Damit verfügen nur 0,6 Prozent der Tankstellen über einen Versorgungsanschluss für Elektrofahrzeuge. Immerhin: Für 2019 planen die befragten Unternehmen 205 Ladepunkte.
Kooperationen sind gefragt
Auch wenn die Vorstellung der Jahreserhebung von Stolte sicherlich für die 450 Teilnehmer des Cardsforums eines der Highlights war, bot das Programm natürlich weitere spannende Vorträge und Diskussionsrunden. Welche Strategie im Bereich mobiles Bezahlen einige wichtige Branchengrößen fahren, wurde beispielsweise in der „Großen Hamburger Runde" deutlich: „Wir sind überzeugt, dass der Weg, Allianzen einzugehen und gemeinsam Angebote für Kunden zu schaffen, langfristig erfolgversprechender ist", sagte Carsten Pohl, Geschäftsführer des Mittelständlers Deutsche Tamoil. Wenn man groß und mächtig sei, könne man auch alleine auf die Jagd nach Kunden gehen. „Wenn man kleiner ist, muss man es wie der Wolf oder die Makrele machen. Da hat man langfristig die größeren Chancen zu überleben", ergänzte er. Sein Unternehmen setzt deshalb beim Thema mobiles Bezahlen auf die unternehmensübergreifende App von Ryd.
Die Total geht dagegen zumindest zum Teil einen eigenen Weg: Im Dezember hat die MÖG die E-Wallet-Funktion für den B2B-Bereich in der eigenen App eingeführt, Anfang 2019 soll die Funktion auch für den B2C-Bereich freigeschaltet werden. Interessierten bietet Total eine White-Label-Lösung an, bei der die App in die des Partners eingebaut werden kann. Ganz ohne Kooperation geht es natürlich auch für die Berliner nicht. Hier nannte Thomas Strauß die Zusammenarbeit mit dem Car-Sharing-Anbieter Drive now, durch die in einigen Großstädten In-Car-Payment möglich ist.
Patrick Wendeler, Vorstandsvorsitzender der Aral, brachte einen weiteren wichtigen Aspekt in die Runde ein: „Unabhängig von Apps und Plattformen muss das physische Angebot an den Stationen passen, sonst hilft auch keine App." Dem stimmte Jan Toschka, Geschäftsführer von Shell Deutschland, zu. „Das Angebot an der Tankstelle muss grundsätzlich stimmen", sagte er. Der Wert einer App bestehe seiner Meinung nach darin, etwas Mobiles und Modernes anzubieten. Sein Unternehmen setzt dabei mit Shell Smartpay ähnlich wie die Total auf eine eigene Lösung. Das biete den Vorteil, selbst entscheiden zu können, mit welchen anderen Marken man noch kooperieren wolle.
Insgesamt wurde in den Vorträgen deutlich, dass sich alle Unternehmen bewusst sind, dass sie an dem Thema Digitalisierung nicht vorbeikommen. Wie man am besten damit umgeht, zeigte Sven Kappel, Bereichsleiter neue Geschäftsfelder bei Paypal, in seinem Vortrag. Als die vier typischen Paradigmen gegen eine erfolgreiche Digitalisierung nannte er die Aussagen:
- Dafür haben wir keine Zeit, unser Kerngeschäft ist viel wichtiger.
- Das müssen wir schon selber lösen. Das sind schließlich unsere Kunden!
- Das ist viel zu komplex. Damit kennen wir uns nicht aus, wir würden ohnehin nur versagen.
- Das können wir gar nicht ändern, weil …
Eine Digitalisierung kann laut Kappel nur mit folgenden Voraussetzungen erfolgreich sein:
- Wir müssen jetzt damit anfangen.
- Wir schließen Kooperationen – zum Mehrwert unserer Kunden.
- Wir machen bewusst Fehler als Notwendigkeit für zukünftigen Erfolg.
- Wir haben den Mut und die Konsequenz für notwendige Veränderung.
Auf die Frage, wie hoch die Bereitschaft der Unternehmen ist, Kooperationen zu schließen, antwortete Kappel, dass diese auf Gesamtdeutschland gesehen noch relativ niedrig sei. Bezogen auf die Mineralölbranche sei er jedoch positiv überrascht. Im Laufe des Cardsforums sei deutlich geworden, dass hier jeder verstanden habe, dass eine erfolgreiche Digitalisierung nur über Kooperationen gehe.
(Autorin: Annika Beyer; der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 1.2/2019)