Aktuell ist viel Bewegung in der Branche: Das Thema Kassenpachten wird im Herbst vor dem Bundesgerichtshof höchstrichterlich verhandelt, die Zahl der Mehrfachbetreiber nimmt zu und der Mindestlohn wird 2017 noch einmal steigen, was an vielen Tankstellen Auswirkungen auf die Personalkosten haben wird. Und das sind nur drei von vielen Beispielen, die Betreiber derzeit umtreibt. Die Folge: Für den Einzelnen wird es immer schwerer, bei all den rechtlichen und betriebswirtschaftlichen Themen den Überblick zu behalten.
Eigentlich muss er das auch nicht, denn dafür gibt es in Deutschland mehrere bundesweit oder regional organisierte Verbände. In deren Geschäftsstellen sitzen Betriebswirtschaftler, Juristen, Steuerberater und technische Betriebsberater, die oft seit Jahrzehnten im Tankstellenbereich arbeiten und sich daher bestens mit der Materie auskennen. Sie können Entwicklungen und geplante Veränderungen bewerten, die Folgen für ihre Mitglieder einschätzen und dementsprechend entgegenwirken.
Zwei Beispiele sind das gesetzliche Autowaschverbot an Sonn- und Feiertagen und das Alkoholverkaufsverbot nach Ladenschluss, was schwerwiegende wirtschaftliche Folgen für die Tankstellen hat. Hier haben Verbandsvertreter Lobbyarbeit betrieben und die Regelungen in einigen Bundesländern kippen können. Hätte ein einzelner Betreiber an die Tür des zuständigen Ministeriums geklopft, wäre das Pochen wohl lautlos verhallt.
Ähnlich sieht es bei der Novelle des Energie- und Stromsteuergesetzes aus. Hier plant die Regierung, Autogas und Erdgas unterschiedlich zu besteuern, was Auswirkungen auf die Zulassungszahlen der Fahrzeuge haben wird. Gerade Tankstellen, die langfristige Investitionen für die Installation von Zapfsäulen getätigt haben, dürfte dieser Plan wenig freuen.
Und auch hier treten die Verbände als Interessengemeinschaft in Erscheinung, um eine Nachbesserung zugunsten der Mitglieder und damit der Branche zu erwirken. „Kein einzelner Tankstellenpächter kann die Zeit für politische Lobbyarbeit aufbringen. Dazu kommt oft fehlendes Fachwissen“, betont Günter Friedl, Fachverbandsvorsitzender beim Kraftfahrzeuggewerbe Bayern.
Gewerkschaft der Betreiber
Aber nicht nur gegenüber der Politik sorgen die Verbände für die Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder. Das ungleiche Machtverhältnis zwischen den Gesellschaften und ihren Betreibern kritisierten die Betreiberverbände, allen voran das Kfz-Gewerbe Bayern, so lange im Bundeswirtschaftsministerium, bis man sich gemeinsam mit der Unternehmerseite zu einem Tankstellengipfel traf. Ein Resultat daraus ist der Verhaltenskodex mit der Schiedsstelle, der ein faires Miteinander fördern soll.
„Wir erkennen die zunehmende Bereitschaft der Gesellschaften, mit den Verbänden zu sprechen. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, freut sich Friedl. Auch Jochen Wilhelm, Geschäftsführer beim Tankstellen-Interessenverband, setzt auf Verständigung: „Wir verstehen uns als Kommunikatoren. Die verbandsseitig in der Vergangenheit erfolgte Wadenbeißerei gegen die Gesellschaften kann nur ein spätes Mittel sein.“ Sein Verband stehe für Lösungen und Modelle, die auf Wertschätzung und Einkommen der Betreiber basieren. „Ist das nicht der Fall, müssen wir auf Attacke schalten“, sagt Wilhelm.
Kostenlose Rechtsberatung
Während die gesamte Branche von politischer Lobbyarbeit und Gesetzesänderungen profitiert, die die Verbände erkämpft haben, gibt es Vorteile, die nur Mitglieder genießen. Dazu gehört die kostenlose juristische Beratung, sei es im Schadenfall an der Waschanlage, beim Aushandeln von Verträgen mit den Gesellschaften oder bei der Geschäftsplanung. „Insbesondere der Rechtsbereich ist sehr ausgeweitet. Neben dem klassischen Handelsvertreterrecht sind auch kartellrechtliche und europäische Vorschriften zu bedenken und in die Beratung einzubeziehen“, betont Thomas Drott vom Bundesverband Tankstellen und gewerbliche Autowäsche Deutschland (BTG). Aktuell plant der Rechtsanwalt ein Musterverfahren gegen den Rentenkatalog der Rentenversicherung.
Und auch beim Zentralverband des Tankstellengewerbes (ZTG) steht ein Gerichtstermin an. Im Oktober soll der Bundesgerichtshof entscheiden, ob ein von Mineralölgesellschaften zur Verfügung gestelltes Kassensystem eine „erforderliche Unterlage“ ist. Stimmen die Karlsruher Richter dem zu, wird das weitreichende Auswirkungen auf die Geschäftspläne und weitere Klagen von Betreibern zur Folge haben.
Neben der Lobbyarbeit sowie der juristischen und betriebswirtschaftlichen Beratung sind die Weitergabe von Informationen an die Mitglieder und der Austausch untereinander beispielsweise bei Jahreshauptversammlungen oder Schulungen wichtige Pfeiler der Verbandsarbeit. Diese Vorteile kann auch nur der nutzen, der der Interessenvertretung beigetreten ist. Dafür zahlt ein Betreiber nur wenige hundert Euro im Jahr – allein die Beratungsdienstleistung durch externe Fachleute wie einen Anwalt oder Steuerberater dürfte deutlich mehr kosten.
(Autorin: Annika Beyer; Der Artikel erschien in Sprit+ Ausgabe 9/2016.)