Hunderte Pariser Straßen sollen künftig für Autos gesperrt werden. Dafür sprach sich bei einer Bürgerbefragung in der französischen Hauptstadt am Wochenende eine klare Mehrheit aus. In Deutschland begrüßte etwa der Fußgängerverein Fuß die Entscheidung – wobei das Vorhaben bisher nicht in trockenen Tüchern ist.
"Großartig", nannte die Pläne Roland Stimpel, Vorstand des Fußgängervereins Fuß. Nur jeder Fünfte habe in Paris ein Auto: "Das heißt, 80 Prozent der Menschen können nur davon profitieren." Berlin etwa stehe bei der Fußgängerfreundlichkeit im Vergleich zurück. "Leipzig ist viel fortschrittlicher, mittelgroße Städte wie Kiel und Aachen tun auch sehr viel für den Fußverkehr", sagte Stimpel.
Hannover: Autos alle raus!
Tatsächlich arbeitet Leipzig bereits seit 1993 an einer "autoarmen Innenstadt". In der gesamten Innenstadt gilt Tempo 20, Autos dürfen nur auf markierten Flächen und zeitlich beschränkt geparkt werden. Pkw am liebsten komplett verbannen will Hannover in Niedersachsen. Nach den Plänen der Stadtverwaltung soll die Innenstadt bis 2030 weitgehend autofrei sein, Parkplätze sollen verschwinden und einzig Parkhäuser geöffnet bleiben.
Zumindest in den Sommermonaten können sich Münchner und Besucher auf verkehrsberuhigte und autofreie Straßen freuen: Auf einigen "Sommerstraßen" sei "Spielen, Flanieren und Entspannen" möglich, heißt es von der Stadt. Geplant sind Hochbeete, Grünstreifen und Sitzmöglichkeiten. Ein ganzes Viertel mehr auf Anwohner und Fußgänger ausrichten möchte Nürnberg: In Gostenhof sollen (vorerst für ein Jahr) Autos für mehr Grün und Spielflächen zurückgedrängt werden.
Berlin hat zurückgerudert
Und wie ist die Lage in Berlin, das vielen als besonders progressiv gilt? Auf der Friedrichstraße, die mehr als zwei Jahre nur Fußgängern und Fahrradfahrern zur Verfügung stand, rollt der Verkehr schon seit Juli 2023 wieder. Große Pläne gibt es aber im Graefekiez in Kreuzberg: Hier werden über 400 Parkplätze gestrichen und zu Grün- und Ladeflächen umgestaltet. Auch Anwohner können mitentscheiden, was mit dem freien Platz geschehen soll.
Grundsätzlich wäre ein Vorgehen wie in Paris in Deutschland nicht denkbar. Denn hier können Straßen nicht per Bürgerabstimmung gesperrt werden, sondern über ein Verfahren zur Entwidmung, wie Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, schildert. Dabei würden die Interessen aller Straßennutzer berücksichtigt – etwa auch von Händlern.
Viele deutsche Städte bemühten sich aber längst um einen guten Verkehrsmix. Klar sei jedoch: "Wenn wir weniger Autoverkehr haben wollen, dann brauchen wir mehr öffentliche Verkehrsmittel, mit guter Taktung und guter Erreichbarkeit." Hier hake es, denn die Finanzlage der Städte sei dramatisch. Sie bräuchten mehr finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern für den öffentlichen Nahverkehr.
Sven Wucherpfennig