Ein Einkauf per Mausklick ist für viele Deutsche längst etwas Alltägliches. Denn der Onlinehandel boomt. Deutschland gehört weltweit zu den fünf wachstumsstärksten Märkten für Onlinegeschäfte, wie eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney ergab. Das Paradoxe daran ist: Tagsüber ist der berufstätige Besteller selten zu Hause und kann sein Paket nicht in Empfang nehmen.
Deshalb nutzen viele Online-Kunden mittlerweile die Möglichkeit, ihre Bestellung an einen Paketshop liefern zu lassen. Diese Shops betreiben die fünf größten Paketdienste DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS nicht selbst. Vielmehr unterhalten sie Partnerschaften mit Einzelhändlern. Hermes beispielsweise setzt seit jeher nicht auf eigene Filialen, „sondern auf ein Paketshop-Netzwerk, das auf die bestehende Einzelhandelsinfrastruktur vor Ort aufsattelt“, erklärt das Unternehmen auf Anfrage von tankstellen markt.
Tankstellen als Paketshoppartner begehrt
Hier kommt die Tankstelle ins Spiel. Jeder fünfte Paketshop von Hermes befindet sich in einer Tankstelle, bei DPD liegt der Wert gemessen an der Gesamtzahl der Shops immerhin bei sieben Prozent. Wenngleich sich die anderen Paketzusteller nicht zu ihrer Tankstellenquote äußern, unterstreichen sie allesamt die Vorzüge des Standortes: Insbesondere durch die langen Öffnungszeiten der Stationen sind Tankstellen begehrte Kooperationspartner, da Berufstätige auch spät abends noch an ihr Paket kommen. Außerdem ist ihre Lage oft dergestalt, dass Privatkunden im Alltag ohnehin vorbeikommen, etwa auf dem Weg zur Arbeit oder eben zum Tanken.
Dass die Paketlieferanten Kooperationen mit Einzelhändlern attraktiv finden, ist verständlich: Die Paketdienste sparen sich Miet- und Personalkosten für eine Filiale, Lagerraum und Zustellversuche. Außerdem bieten sie ihren Kunden einen alternativen Zustellort, ermöglichen eine Retourenabwicklung und einen klassischen Paketversand. „Mit den Paketshops sind wir heute noch näher am Kunden und schaffen somit die Basis für noch mehr Onlinehandel in Deutschland“, ist DHL überzeugt.
Doch auch Tankstellenbetreiber profitieren von der Zusammenarbeit. „Unsere Pickup-Paketshops sorgen für eine erhöhte Kundenfrequenz und steigern dadurch die Umsätze im eigentlichen Kerngeschäft“, sagt DPD. Außerdem wird jedes Paket, das in die Tankstelle kommt, vergütet – ganz gleich, ob es im Shop aufgegeben wird, dorthin umgeleitet oder geschickt wurde. Aus kartellrechtlichen und strategischen Überlegungen wollen die Logistiker nicht über Preise sprechen. Einzig Hermes deutete einen „mittleren zweistelligen Cent-Betrag pro Sendung“ an, den der Shopbetreiber verdient.
Das wesentlich wichtigere Argument, einen Paketshop zu betreiben, ist sicherlich, ein zusätzliches Serviceangebot für die Kunden zu bieten. Gerade die Tankstelle, die sich immer mehr zum Allround-Dienstleister aufschwingt, kann sich hier gegenüber der Konkurrenz einen Standortvorteil sichern. Für GLS macht den Erfolg von „Paketshops die Kombination aus Beidem aus: die Vergütung von GLS sowie die zusätzliche Kundschaft“.
Mindestanforderungen
Welche Bedingungen Tankstellen erfüllen müssen, um für Logistikunternehmen als Paketshop attraktiv zu werden, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Logistiker prüfen jede Partnerschaftsanfrage individuell: Wie viele Filialen gibt es in der Nähe? Wie hoch ist der Paketfluss in diesem Gebiet? Als Mindestanforderungen sollten Bewerber jedoch eine verkehrsgünstige Lage, lange Öffnungszeiten, ausreichend Lagerfläche in einem nach Möglichkeit abschließbaren Raum und ein angenehmes Ambiente im Geschäftsraum vorweisen.
Entscheidet sich ein Tankstellenbetreiber dafür, einen Paketshop zu betreiben – das betonen alle Paketdienste unisono – muss er kein zusätzliches Personal einstellen. „Die Paketübergabe dauert nicht länger als 30 Sekunden“, erklärt DPD. Auch GLS meint, dass alle Prozesse so ausgelegt seien, dass sie intuitiv bedienbar sind und sich mit wenig Aufwand in den Shop-Alltag integrieren lassen.
Umbau generell nicht nötig
Die vorhandene Ladenstruktur muss ebenfalls nicht verändert werden, ein Umbau ist nicht nötig. Für alles weitere sorgen die Logistiker: Sie stellen kostenlos die Technik bereit, die ein Tankstellenbetreiber braucht, um die Pakete anzunehmen oder abzugeben: Diese besteht in den meisten Fällen aus einem Handscanner mit integrierter Mobilfunkkarte und einem Etikettendrucker. Mit dem Scanner kommuniziert die Tankstelle dem Logistikunternehmen, wo sich die verwahrten Pakete gerade aufhalten.
Den Etikettendrucker benötigt der Einzelhändler, um das Versandlabel auszudrucken. Hermes und GLS bieten ihren Privatkunden an, per App einen QR-Code zu erzeugen, aus dem der Tankstellenbetreiber mit dem Drucker ein Versandlabel erzeugt. Paketmarken werden so überflüssig. „Eine moderne technische Ausstattung mit Handscannern der neuesten Generation reduzieren den händischen Aufwand auf ein Minimum“, erklärt DPD. Damit dennoch nichts schief geht, bieten beispielsweise Hermes und GLS Mitarbeiterschulungen vor Inbetriebnahme des Shops an.
Neben der Unterbringung der technischen Geräte im Kassenbereich, die laut Hermes nicht mehr Fläche wegnehmen als ein DIN-A4-Blatt, verpflichtet sich der Shoppartner, Werbemittel auszulegen und anzubringen. Dazu zählen beispielsweise Fensteraufkleber, Plakate, Deckenaufhänger und Tresenaufsteller. „Auf diese Weise gewährleisten wir eine optimale Präsenz und gute Sichtbarkeit im Straßenbild“, meint Hermes.
Gesetzliche Haftung
Außerdem muss der Betreiber den Datenschutz und das Postgeheimnis wahren und er trägt die Verantwortung, wenn ein Paket abhandenkommt, wie die DHL erklärt: „Der Partner haftet für entgegengenommene Paketsendungen unmittelbar nach den gesetzlichen Vorschriften des Paragraphen 280 BGB zur Haftung für Vertragspflichtverletzungen im Rahmen eines Schuldverhältnisses. Insoweit muss der Partner Schäden aus Verlust und Beschädigung von ihm verwahrter Postsendungen nur ersetzen, wenn die Deutsche Post ihm nachweist, dass er eine Vertragspflicht verletzt hat und er für diese Vertragspflichtverletzung einstehen muss.“ Auch UPS bestätigt, dass der Betreiber für Ware haftet, die in dessen Obhut verloren geht. Allerdings bestehe diese Problematik in der Praxis bisher nicht, beruhigt das Unternehmen.
Per Kontaktformulare können interessierte Tankstellenbetreiber mit den Paketdiensten in Kontakt treten. Diese sind gesammelt auf www.tankstellenmarkt.com/paketshops zu finden. Sollte die Partnerschaft nicht den Vorstellungen des Einzelhändlers entsprechen, hat er unterschiedlich lange Kündigungszeiten. Bei GLS beträgt sie vier Wochen, bei Hermes drei Monate. Jedoch sei die Fluktuationsquote sehr gering und die Logistiker an langen Partnerschaften interessiert. „Nur rund ein Prozent aller Shops, die neu bei uns aufgeschaltet werden, beendet die Zusammenarbeit bereits nach der Minimallaufzeit“, wirbt beispielsweise Hermes.
DHL ist stolz, dass vier von fünf ihrer Paketshopbetreiber die Partnerschaft mit DHL weiterempfehlen würden. Das habe eine Zufriedenheitsstudie ergeben. Und diese Ergebnisse decken sich mit den Aussagen, die Tankstellenbetreiber mit Paketshops gegenüber tankstellen markt getätigt haben: Der Paketshop ist eine Win-Win-Situation – für die Paketdienste wie für Tankstellenbetreiber. (ms)
Kommentar:
Tankstellen sind prädestiniert, die letzte Anlaufstelle in der langen Lieferkette vom Versender zum Empfänger zu werden. Sofern die Verpflichtungen aus dem Paketshop nicht die Lagerkapazitäten übersteigen und nicht doch zusätzliches Personal vonnöten wird, profitiert nicht nur das Logistikunternehmen, sondern auch der Tankstellenbetreiber: Von den Vergütungen kann er zwar nicht leben – sie sind eher ein nettes Zubrot – aber durch den Extraservice gewinnt er doch so manchen Kunden als Stammkunden fürs Tanken oder als Spontankäufer im Shop. (ms)