Geht es nach Foodtrendforschern, dann finden regionale Bio-Produkte großen Anklang in deutschen Haushalten. Denn, so ergaben Verbraucherstudien, diesen Produkten wird eine hohe Qualität und ein guter Geschmack nachgesagt. Darüber hinaus sollen sie mehr Nähe, Transparenz und Authentizität in einer hektischen und vernetzten Welt vermitteln.
Dass dieser Trend nicht allein auf Wochenmärkte und kleinere Lebensmittelläden beschränkt ist, beweist eine Tankstelle im Gewerbegebiet Ellwangen-Neunheim im Osten von Baden-Württemberg. Hier hat Kling Brennstoffe im vergangenen Jahr ihre erste Tankstelle eröffnet. Mit der Station hat das Familienunternehmen, das seit 1948 besteht und in der dritten Generation geführt wird, ein weiteres Standbein neben dem klassischen Mineralöl- und Schmierstoffhandel aufgebaut.
„In der Anfangsplanung war das Konzept hauptsächlich auf regionale Produkte im Sinne eines Regionalmarkts ausgerichtet. In der kurzen Bauphase von 14 Wochen war das aber nicht zu realisieren“, erzählt Geschäftsführer Tobias Kling. Allein die Recherche nach Anbietern und die Überzeugungskraft, diese dann ins Boot zu holen, sei zu viel Arbeit gewesen. Daher arbeitet Kling mit einem Shop-Lieferanten zusammen und ergänzt das Sortiment nun nach und nach mit regionalen Anbieter.
Startschuss mit edlen Tropfen
Angefangen hat alles mit dem Wein. „Das war relativ leicht zu handhaben. Wir haben Produkte von zwei Weinhändlern im Angebot, einen etwas höherwertigen und einen mit 15 verschiedenen Bio-Weinen aus Deutschland, Österreich und Italien“, sagt Kling und ergänzt: „Das wird inzwischen ganz gut angenommen.“ An der Tankstelle in Ellwangen gibt es aber nicht nur edlen Rebensaft, sondern auch selbst gemachte Pralinen von einer Konditorei. Von einem Direktvermarkter stammen unter anderem Nudeln sowie Liköre und eine Brennerei liefert künftig Spirituosen. Vor allem Spontankäufer, die noch schnell ein Geschenk oder ein Mitbringsel brauchen, nutzen dieses Angebot. Auf Anfrage können mehrere Produkte zu Geschenkpaketen für einen gewünschten Betrag zusammengestellt werden.
Auch beim Fleisch legt Kling wert auf Qualität – im Privaten und an seiner Tankstelle: „Deshalb haben wir zwei Metzger, mit denen wir zusammenarbeiten: Einen mit Bio-Siegel, der zum Beispiel vakuumiert Wild und Bio-Produkte anbietet, und einen regionalen Metzger, der unter anderem Kantinen als Kunden hat.“ Dieser liefert auch Fleisch und Wurstwaren für den täglich wechselnden Mittagstisch. „Wir haben natürlich immer Dauerbrenner wie Bockwurst, Pizza und belegte Brötchen. Daneben bieten wir ein bis zwei selbst gemachte Gerichte wie Aufläufe oder Nudelgerichte an. Und dann haben wir verschiedene Thementage wie den Burger- oder den Weißwursttag“, listet Kling auf. Besonders bei den Angestellten im hochfrequentierten Gewerbegebiet komme dieses Angebot sehr gut an.
Wechselnde Aussicht
Wer seine Mahlzeit, den Snack oder den Kaffee nicht mitnehmen möchte, kann das Essen in Ruhe an einem der 20 Sitzplätze im Bistrobereich genießen. Passend zum Sortiment spiegelt auch die Gestaltung des 120 Quadratmeter großen Shops den Trend Regionalität wieder. Das Konzept hat der Hamburger Ladenbauer Carstens Shop-Einrichtungen gemeinsam mit Kling entwickelt, der sich zur Vorbereitung einige Tankstellen aus der Umgebung angesehen hat, die ebenfalls von Mittelständlern geführt werden und ähnliche Schwerpunkte setzen.
Zu den Highlights der Einrichtung gehören Wanddekorationen mit Wechselrahmen und ein
sich drehendes beleuchtetes Panorma der Stadt als Lampe. „Ich wollte nicht irgendwelche Bilder von Lavendelfeldern aus der Toskana hinhängen. Das kann jeder“, erklärt der Betreiber. Vielmehr wollte Kling mit den übergroßen Bildern seine Verbundenheit mit der Region zum Ausdruck bringen. Daher sind dort nur Eindrücke aus der Umgebung abgebildet. „Der Vorteil an den Wechselrahmen ist, dass wir die Motive jederzeit austauschen und damit für Abwechslung sorgen können“, ist Kling überzeugt.
Angebot für Touristen
Neben den Gewerbetreibenden ist die Tankstelle für Touristen interessant. So finden hier Kunden eine Touristeninformation mit Karten von Rad- und Wanderwegen sowie von Campingplätzen, ein Angebot, das von der Stadt und vom Landkreis ausgeht. Außerdem plant Kling eine Lademöglichkeit für E-Bikes, die über die eigene Photovoltaikanlage gespeist wird. Dann können Touristen kostenlos an der Tankstelle ihre E-Bikes aufladen und nebenbei die Stadt anschauen oder eine Kleinigkeit im Bistro essen. Überhaupt ist Kling gegenüber alternativen Mobilitätskonzepten aufgeschlossen. „Da passiert aktuell einiges bei uns in der Region, weil der Landkreis und das Tourismusamt ein eigenes E-Bike-Tankstellennetz aufbauen wollen“, erzählt Kling. Auch in anderen Bereichen setzt er auf Alternativen: So laufen die Warmwasserversorgung und die Heizung zum Teil über Solarkollektoren.
Ingesamt fühlt sich Kling mit diesem Konzept gut aufgestellt. „Ich denke schon, dass unser Sortiment mit regionalen Produkten einen Mehrwert schafft, den nicht jeder hat“, meint der Tankstellenbetreiber. Ob dadurch wirtschaftlich gesehen mehr Umsatz generiert wird, kann Kling noch nicht sagen. Schließlich gibt es die Tankstelle erst seit Weihnachten 2014. Aber: „Unabhängig davon, ob jemand unser Angebot nutzt oder nicht, bleiben wir auf jeden Fall positiv in Erinnerung. Wenn die Leute dann die Wahl haben, kommen sie vielleicht lieber zu uns“, hofft der Unternehmer. (Annika Beyer, Großer Genuss 2015)