Sprit+: Herr Neligan, warum liegt der Fokus von JOLT Energy auf europäischen und nordamerikanischen Städten?
Neligan: Wir sind ein internationales Team und daran gewöhnt, grenzüberschreitende Geschäfte zu machen. So wie die Automobilindustrie immer interna-tionaler wird und Plattformen in mehreren Märkten verkauft werden, sind auch wir als Ladenetzbetreiber in der Lage, diese Dienstleistung in mehreren Ländern anzubieten.
Welche Rolle spielen Tankstellen in Ihrer Vision? Welche Vorteile haben Tankstellenstandorte?
Autofahrer sind daran gewöhnt, gut gelegene Tankstellen anzusteuern, da es praktisch ist. Der Wandel der Tankstelle hat sich bereits in den vergangenen Jahrzehnten in mehrfacher Hinsicht vollzogen. Die Wertschöpfungskette hat sich immer weiter diversifiziert. Das ist eine großartige Entwicklung. Durch eine vorhandene Ladeinfrastruktur an jenen Orten werden Tankstellen gerüstet sein für die Entwicklung hin zur E-Mobilität.
Es gibt bestimmt auch Nachteile.
Als Nachteil würde ich das nicht zwingend bezeichnen, aber Tankstellen werden nicht länger das Monopol auf den Verkauf von Kraftstoffen für Autos haben. E-Fahrer von Autos werden ebenfalls an Supermärkten oder anderen Orten laden können. Tankstellen haben oft ein unsauberes Image. Der Standort muss für jemanden, der bis zu 30 Minuten bleibt, attraktiv sein - insbesondere die Toiletten. Die Ladezeit wird nämlich, anders als beim Tanken, nicht neben dem Zapfhahn verbracht.
Wenn dann ein Ladevorgang nicht funktioniert, ist aus Sicht des Endkunden ja doch nur der Tankstellenbetreiber schuld. Wie stellt JOLT den Service sicher?
Unsere internen Zielvorgaben sind sehr hoch. Stationen sind eindeutig mit der Marke JOLT gekennzeichnet. An jedem Ladegerät befindet sich eine Telefonnummer für den Kundendienst. Die Betreiber der Stationen erhalten eine Schulung zu den Ladegeräten, ihrer Funktionsweise und eine Liste mit häufig gestellten Fragen. Unser Bestreben ist aber eine hundertprozentige Verfügbarkeit.
Welche Tankstellen-Standorte eignen sich nicht für ein JOLT-Ladegerät?
JOLT ist auf städtische Standorte ausgerichtet. Wir arbeiten nicht in ländlichen Gebieten oder an Autobahnen. Innerhalb der Städte können einige sehr kleine Stationen schwierig sein, weil der Platz für die Ausrüstung nicht zur Verfügung stehen könnte. Im Prinzip brauchen wir mindestens drei Parkplätze außerhalb der ATEX-Zone.
Was sind Ihre derzeit größten Herausforderungen?
Die Netzanschlüsse von den Versorgungsunternehmen zu erhalten, das fordert uns zurzeit am meisten heraus.
Ich darf von der JOLT-Webseite zitieren: "In Zukunft werden wir nicht mehr zum Tanken fahren, sondern dort tanken, wo wir sind. 72 Prozent von uns in der EU leben und arbeiten in Städten und Vorstädten, (...)" Wann wird es in Zukunft Ihrer Meinung nach so weit sein?
Wir sind bereits an diesem Punkt angekommen. Wir sehen mehr und mehr E-Autos auf den Straßen. Die Zulassungszahlen steigen stetig. Anfangs hatten einige E-Autofahrer die Möglichkeit, zu Hause zu laden. Das hat sich geändert.
Inwiefern?
Jetzt sind mehr und mehr E-Fahrer auf öffentliche Ladestationen angewiesen, vor allem in Ballungszentren. Das öffentliche Laden wird weiter in Richtung Hochleistungsladen gehen.
Haben Tankstellen dann keine Daseinsberechtigung mehr?
Ich denke, dass sich Tankstellen zu Einzelhandels- und Mobilitätszentren entwickeln. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass die Menge des verkauften Stroms den reduzierten oder verlorenen Mineralölabsatz kompensieren wird.
Ihr Plan war, bis Ende des Jahres 20 Standorte in Deutschland installiert zu haben. Haben Sie dieses Ziel erreicht?
Fast hätten wir es erreicht, haben aber am Ende des Jahres durch eine Kombination aus schlechtem Wetter sowie Krankheitsausfällen Zeit verloren. 14 Standorte haben wir bis Ende 2022 geschafft.
Welche Ziele bezüglich der Ladepunkte haben Sie sich für das laufende Jahr gesteckt?
150 neue Standorte im Jahr 2023 sind für JOLT realistisch.
Und welche für die nächsten fünf Jahre?
Wir werden in den nächsten fünf Jahren bis zu 5.000 Standorte installieren.
Wenn sich ein Tankstellenbetreiber für JOLT entscheidet, welche Vorteile hat er davon und wie verdient er mit E-Mobilität Geld?
Einige Betreiber werden vielleicht komplett auf E-Mobilität umstellen, aber ich denke, dass es für kleinere Tankstellenbetreiber keinen Sinn macht, sich eigenständig auf das Laden einzulassen. Da macht es mehr Sinn, sich für das "Rundum-Sorglos"-Paket eines CPOs wie JOLT zu entscheiden.
Was genau ist so komplex?
Das Projektmanagement, die Backend-Systeme, die Technologie und die Energiebeschaffung sind vielschichtig und spezialisiert. JOLT arbeitet mit einem Modell zur Aufteilung der Einnahmen mit seinen Standortpartnern. Diesem Modell sind jedoch Grenzen gesetzt, da die Kosten für die Ausrüstung sehr hoch sind. Dies wiederum verringert den Betrag, der geteilt werden kann. Es existiert ein erhebliches Potenzial für Cross-Selling an Kunden, die 30 Minuten oder länger am Standort verweilen.
Ab wie vielen Ladeplätzen ist das Geschäft mit E-Mobilität rentabel?
Bei JOLT-Ladesäulen ist es sinnvoll, zwei Ladegeräte einzusetzen. Andere Betreiber benötigen sechs bis zehn Ladegeräte. Zwei Säulen pro Standort sind ein guter Start. Mit erhöhter Auslastung können wir die Anzahl erweitern. Wir erstellen für jede neue Partnerschaft zu Beginn ein Konzept. Voraussetzung hierfür ist, dass die wirtschaftlichen Bedingungen angemessen sind und gewisse Bedingungen sowie Voraussetzungen an den Standort erfüllt werden. Ist dies nicht der Fall, entscheiden wir uns für einen anderen Standort.
Wer trägt das Investitions-Risiko?
JOLT sowie unsere Investoren.